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VW-Krise
Der Versuch, den Konzern zu retten

VW-Chef Matthias Müller will durch "maximale Transparenz" und auch durch neue Verantwortlichkeiten und kürzere Entscheidungswege das Vertrauen der Kunden zurückgewinnen. Ob ihm das gelingt, ist fraglich, denn er ist selbst seit langem Teil des nun kritisierten Systems Volkswagen.

Von Alexander Budde | 05.01.2016
    Der Schriftzug "Volkswagen" auf einem alten auch "Bulli"
    Volkswagen steht weiterhin unter Druck. (picture alliance/dpa/Julian Stratenschulte)
    Zwei Männer lenkten Volkswagen auf dem Weg zur Weltspitze – beiden war kein Ausstieg in Würde vergönnt: VW-Patriarch Ferdinand Piëch und dessen Zögling Martin Winterkorn. Ihr Führungsstil war gelinde gesagt autoritär. Wer es damals schon wissen wollte, erfuhr hinter vorgehaltener Hand, wie die mächtigen Männer Untergebene öffentlich abkanzelten – im System Volkswagen war Widerspruch nicht vorgesehen.
    Zwar hat Volkswagen – wie viele andere Konzerne auch – eine Selbstverpflichtung für verantwortliches Wirtschaften formuliert. So ein werbewirksamer Kodex dient als interne Richtschnur für die Mitarbeiter. Der Organisationssoziologe Stefan Kühl analysiert jedoch nüchtern, dass Abweichungen von der Regel üblich und sogar überlebenswichtig sind. Denn es sei ganz normal, dass sich Mitarbeiter komplexer Konzerne mit widersprüchlichen Anforderungen konfrontiert sähen.
    "In dem Fall von Volkswagen scheint es der Fall gewesen zu sein, dass eben in sehr kurzer Zeit eine Sache erreicht werden sollte, unter bestimmtem Kostendruck, der so eben nicht umsetzbar gewesen ist. Und man deswegen in einen Grenzbereich ausgewichen ist."
    VW beharrt auf Verfehlungen einzelner Mitarbeiter
    Auch nach drei Monaten der Selbsterkundung hält die Konzernführung an ihrer Darstellung fest, dass eine "überschaubare Zahl von verantwortlichen Mitarbeitern" auf niederen Befehlsebenen den sonst so streng hierarchisch geführten Weltkonzern mit kriminellen Eigenmächtigkeiten überrumpelt habe. Volkswagen teilt mit: In Teilen von Volkswagen habe es zudem eine Haltung gegeben, Regelverstöße zu tolerieren. Kurzum: Tricksen und Täuschen gehörte zum Handwerk. Wenn das so stimmt, dann liegt darin das größte Versagen der Führungskräfte, die Sprengkraft dieser Regelverstöße nicht erkannt zu haben.
    "Hierarchiedenken, Bereichs- und Markenegoismen, das Verschweigen von Zielkonflikten oder Schwachstellen, das muss definitiv der Vergangenheit angehören. Stattdessen will ich, dass wir offener diskutieren und falls nötig auch in der Sache streiten. Auf den Punkt gebracht: Den Mutigen gehört die Zukunft bei Volkswagen."
    Der neue VW-Chef Matthias Müller will das Vertrauen der Kunden zurückgewinnen. Der Konzern gibt sich zerknirscht: Emissionstests will VW künftig grundsätzlich extern und unabhängig überprüfen lassen. Müller kündigt an, die Verantwortung künftig auf mehr Schultern zu verteilen. Kurze Entscheidungswege sollen der neuen Führung mehr Luft verschaffen, um über die großen Linien nachzudenken.
    "Wir werden es nicht zulassen, dass uns diese Krise lähmt. Im Gegenteil, wir nutzen sie als Katalysator für den Wandel, den Volkswagen braucht."
    Müller ist selbst Teil des Systems Volkswagen
    Müller ist seit 40 Jahren bei VW, zählt lange schon zur Führungsebene, die sich heute so ahnungslos gibt. Für die angekündigten Umbauten im Zwölf-Marken-Konzern dürften solch intime Kenntnisse von Vorteil sein. Es bleibt jedoch dabei, dass da ein Mann einen Neuanfang verspricht, der seit langem Teil des Systems Volkswagen ist.
    Großen Einfluss haben auch weiterhin die Familien Piëch und Porsche, die mehr als die Hälfte der VW-Anteile halten. Und auch das Land Niedersachsen sowie die Betriebsräte der IG Metall waren bereits vor Dieselgate mächtig und werden es auch bleiben. Das führt bei manchen Beobachtern zu Skepsis. In 2016 wollen all diese Akteure zeigen, dass Veränderungen möglich sind.