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VW-Skandal
EU bringt Verbraucherschützer an einen Tisch

Die EU-Kommission möchte europäischen Autobesitzern helfen, die vom VW-Skandal betroffen sind, und fragt deshalb nationale Verbraucherverbände, wie vor Ort mit "Dieselgate" umgegangen wird. Anders als in den USA sind in Europa lediglich Nachbesserungen, jedoch keine Entschädigungen geplant. Allein die europaweite Übersicht könnte für Bewegung sorgen.

Von Hendrik Buhrs | 19.08.2016
    Jourova steht lachend an einem Rednerpult mit Mikrofon und der Aufschrift "Commission européennne - European Commission".
    "Dieser Abgasskandal hat ganz klar eine grenzüberschreitende Dimension. Daher hat sich die Kommission eingeschaltet", begründet EU-Justizkommissarin Vera Jourova ihre Aktion. (EPA / DPA / LAURENT DUBRULE)
    Nur der Werkstattbesuch, bei dem eine neue Software aufgespielt wird und eventuell ein neues Bauteil ins Auto kommt – das reicht Ivo Mechels von der belgischen Verbraucherschutzorganisation Test-Aankoop nicht aus. Der Rückruf kompensiere nicht den Schaden, den die Autobesitzer erleiden, sagt der Belgier.
    Test-Aankoop hat im Juni Klage gegen VW eingereicht, im Namen von 4.500 belgischen Kunden. In unserem Nachbarland sind Sammelklagen erlaubt. In Deutschland zum Beispiel geht das nicht. Johannes Kleis ist Sprecher von BEUC, dem europäischen Dachverband der nationalen Verbraucherverbände. Er findet, fast ein Jahr nach Aufdeckung des Dieselskandals sei in Europa wenig passiert, im Gegensatz zu den aktiven Behörden und Gerichten in den USA:
    "Wo unsere Mitglieder die Möglichkeit haben, wie z.B. in Belgien, Spanien oder Italien, gehen sie vor Gericht und versuchen dort, Entschädigungen für Verbraucher zu erkämpfen. Aber diese Möglichkeit gibt es nicht in allen Mitgliedsstaaten der EU. Gerade in den Ländern finden wir, dass es die Pflicht der Behörden ist, selbst tätig zu werden."
    EU-Justizkommissarin: "Europäische Konsumenten müssen fair behandelt werden"
    Nun macht die EU Druck. Justizkommissarin Vera Jourova hat alle Verbraucherverbände und -behörden angeschrieben, um sich einen Überblick zu verschaffen. Sie will zusammentragen, was den VW-Kunden in den 28 Ländern angeboten wird, welche Schwierigkeiten die Verbraucherschützer haben und wie die EU helfen könnte, sagt ihr Sprecher, Christian Wigand:
    "Das ist der Hintergrund. Für uns, die Kommission, ist es wichtig, dass die europäischen Konsumenten fair behandelt werden. Dieser Abgasskandal hat ja ganz klar eine grenzüberschreitende Dimension. Daher hat sich die Kommission eingeschaltet."
    Das Ungewöhnliche an diesem Schritt ist: Die EU hat in diesem Bereich eigentlich wenig zu sagen. Drastische Strafen, wie sie sie etwa bei verbotenen Kartellen anordnen kann, sind von der Aktion nicht zu erwarten, Verbraucherschutz ist eine sogenannte "gemischte Zuständigkeit", Schiedsrichter sind hier die Einzelstaaten:
    Initiative der EU ist kein zahnloser Tiger
    "Da sind natürlich nationale Behörden und Gerichte am Zug. Aber: Uns geht es darum, Informationen zu sammeln und in der Koordinierung zu unterstützen", sagt Kommissionssprecher Christian Wigand. Ein zahnloser Tiger ist die Initiative der EU auch deshalb nicht, weil darüber öffentlich diskutiert wird.
    Wenn ein europäisches Land verbraucherfreundlicher agiert als ein anderes, dürften Kunden laut fragen – warum geht das nicht auch bei uns? Die ersten Rückmeldungen sind in Brüssel eingetroffen, im September wird es hier ein Auswertungstreffen mit Fachleuten aus der ganzen Union geben. Verbraucherschützer Johannes Kleis findet diese Bemühungen gut:
    "Man muss natürlich auch schauen, wie man das in der Zukunft vermeiden kann – also, dass ein ‚Volkswagen II‘ passiert. Ganz wichtig ist, dass die Zulassung von Neuwagen besser geregelt wird. Da hat es in der Vergangenheit manchmal eine zu große Nähe zwischen Zulassungsbehörden und der Autoindustrie gegeben."
    Und das möglicherweise auch in Staaten, die gar keine Autoindustrie haben. Viele Zulassungsgenehmigungen für neue Modelle werden in Luxemburg und in Malta erteilt, was stutzig macht, weil es in diesen kleinen Ländern eben gar keine einheimischen Autohersteller gibt. Was kann dahinter stecken? Vielleicht besonders laxe Tests? Auch hier sucht die EU-Kommission nach mehr Klarheit.