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VW-Skandal
Verkehrsminister Dobrindt verhinderte Sammelklagen

"Lehnen wir ab!!! Komplett streichen!": Mit markigen Worten hat Verkehrsminister DobrinDt die Pläne des Bundesjustizministeriums verhindert, deutschen Verbrauchern eine Art Sammelklage gegen Unternehmen zu ermöglichen. Das berichtet der Rechercheverbund von NDR, WDR und Süddeutscher Zeitung unter Berufung auf interne Vermerke und Mails.

18.10.2016
    Dobrindt spricht am Rednerpult des Bundestages und gestikuliert mit dem Finger
    Hat er Sammelklagen gegen VW verhindert? Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt. (dpa-Bildfunk / Wolfgang Kumm)
    Wie die drei Medien berichten, wollte Justizminister Maas vor einem Jahr als Reaktion auf den VW-Skandal um geschönte Abgaswerte ein Gesetz über eine sogenannte "Musterfeststellungsklage" auf den Weg bringen. Als sein Ministerium den Bundestag unter anderem über dieses Vorhaben unterrichten wollte, schritt Dobrindt ein: In dem zwölfseitigen Papier, das mit den Ministerien der Finanzen und der Umwelt bereits abgestimmt war, strich er den Passus zur deutschen Variante der Sammelklage komplett. Eine Begründung lieferte er offenbar nicht: Die Streichung sei ohne Kommentar erfolgt, klagten Referenten im Justizressort laut NDR, WDR und SZ.
    Maas vor einer weiß-blauen Wand mit der Aufschrift seines Ministeriums.
    Auch für den Verbraucherschutz zuständig: Bundesjustizminister Heiko Maas. (picture alliance/dpa/Bernd von Jutrczenka)
    Der Rechercheverbund hatte bereits am Sonntag berichtet, dass ein fertiges Eckpunktepapier des Justizministeriums schon seit Ende des vergangenen Jahres in der Schublade liege, aber verschleppt werde. Einen Tag später wies Dobrindts Ressort den Vorwurfe zurück, die Einführung der Musterführungsklage verhindert zu haben. Doch die neuen Informationen zeigen: Genau dies hat er getan.
    Jetzt, da auch Verbraucherschutzverbände Druck machen, kommt offenbar Schwung in die Sache: Das Justizministerium will nun doch einen Gesetzentwurf vorlegen. Und Dobrindt sagte dem Rechercheverbund, wenn der Entwurf komme, stehe er diesem offen gegenüber und werde prüfen, was machbar sei.
    Sein Ministerium weist den Schwarzen Peter zudem an das Verkehrsministeirum zurück: Hätte Maas die Musterklage wirklich gewollt, dann hätten er oder seine Staatssekretäre nach der Streichaktion ja vorstellig werden können. Dies sei aber nicht geschehen, heißt es laut dem Rechercheverbund in dem Ministerium.
    Müller auf dem Weg zu einem Mikrofon bei einer Pressekonferenz. An der weißem Wand hinter ihm steht "Volkswagen Aktiengesellschaft".
    Für ihn wären Sammelklagen gegen den Konzern ein weiterer Rückschlag: VW-Vorstandschef Matthias Müller. (picture alliance / dpa / Julian Stratenschulte)
    Nicht nur für die durch den VW-Skandal geschädigten Verbraucher brächte eine Sammelklage Vorteile. Derzeit sind Kunden in Deutschland weitgehend auf sich allein gestellt, wenn sie Produktmängel geltend machen und Geld zurückfordern. In den USA dagegen sind Sammelklagen möglich, die häufig zu hohen Schadenerstzahlungen von Unternehmen führen.
    Wird im deutschen Recht nun doch etwas Ähnliches eingeführt? Verbraucherschützer würden dies begrüßen. Sie kritisieren im Fall VW schon lange, dass die geschädigten Kunden hier von der Regierung im Stich gelassen werden.
    (mg/tzi)