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VW-Vorstandsboni
Appell an die moralische Verantwortung

Der Volkswagenkonzern steckt durch den Skandal um manipulierte Abgaswerte tief in der Krise. Dass amtierende und frühere Vorstandsmitglieder trotzdem etliche Millionen an Boni erhalten sollen, verstehen viele Menschen nicht. Rein rechtlich betrachtet, ist daran aber wohl nur schwer zu rütteln.

Von Brigitte Scholtes | 11.04.2016
    Martin Winterkorn, EX-Vorstandsvorsitzender des VW-Konzerns auf der IAA in Frankfurt (15.09.2015)
    Martin Winterkorn, EX-Vorstandsvorsitzender des VW-Konzerns. (dpa / picture-alliance / Ulrich Baumgarten)
    Der frühere Vorstandschef Martin Winterkorn, auch die aktiven Vorstände bei VW, zeigen wenig Neigung, auf die variablen Vergütungen zu verzichten: "Pacta sunt servanda" – Verträge müssen eingehalten werden. Darauf berufen sie sich, denn die Boni sind vertraglich fest geregelt und hängen am wirtschaftlichen Erfolg des Konzerns. Maßgeblich sind bei Volkswagen die vergangenen vier Jahre. Den Gürtel enger schnallen auch bei den Boni, wie dies VW-Chef Matthias Müller Ende Dezember angekündigt hatte, das ist also nicht mehr als ein Appell. Klaus Nieding, Vizepräsident der DSW, der Deutschen Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz erklärt: "Rein rechtlich kommt man aus solchen Dingen eigentlich nur raus, wenn man entsprechende Öffnungsklauseln in den Vertragswerken drin hat. Und wenn das bei VW nicht der Fall ist, dann tut man sich rein rechtlich betrachtet schwer mit einer Forderung, dass Vorstände auf ihnen zustehende Leistungen automatisch verzichten müssen."
    Keine rechtliche Handhabe
    Eine rechtliche Handhabe hat der Aufsichtsrat also offenbar nicht, sondern die Vorstände müssten einer Kürzung oder einem Verzicht zustimmen. Das gilt jedoch nicht bei Fehlverhalten: Wenn der Aufsichtsrat einem Vorstand dafür eine persönliche Verantwortung nachweisen könnte, dann könnte er ihn haftbar machen. Dabei gebe es zwei Arten von Verantwortung, erklärt Rechtsanwalt Nieding: "Das eine ist die des aktiven Tuns, und das andere ist, dass man nicht ausreichend Vorsorge getroffen hat, dass solche Dinge, wenn sie passieren, das natürlich auch nach oben hin entsprechend durchgereicht und durchgemeldet wird. Der § 91 Aktiengesetz spricht da eine klare Sprache, es muss ein solches Risikomess- und Steuerungssystem im Konzern implementiert worden sein vom Vorstand, dass es auch wirklich funktioniert und dass es auch aufdeckt. Wenn das nicht funktioniert, haben wir auch eine Verantwortung des Vorstands."
    Ausfall der Dividende möglich
    So bleibt dem Aufsichtsrat wohl nur der Appell an die moralische Verantwortung. Jörg Hofmann, IG-Metall-Chef und Mitglied im Kontrollgremium, hat jedenfalls schon angekündigt, dass man mit dem Vorstand über die Frage diskutieren werde, was in der jetzigen Situation angemessen sei. Schließlich haben die 120.000 Arbeitnehmer im VW-Haustarif keinen Anspruch auf Erfolgsbeteiligung für das vergangene Jahr, sie erhalten voraussichtlich nur eine Anerkennungsprämie. Die Aktionäre werden sich auf eine Kürzung, wenn nicht sogar auf den Ausfall der Dividende einstellen müssen. Deshalb schlägt DSW-Vize Nieding vor: "Ich wäre dafür, dass man bei VW insoweit Maß hält, dass man sagt: Wir zahlen die festen Bestandteile des Gehaltes aus, sofern die Vorstände nicht freiwillig sogar auf solche Dinge verzichten. Also, man zahlt die festen Bestandteile aus und wartet mit variablen Bestandteilen solange, bis der Sachverhalt hieb- und stichfest aufgeklärt ist. Und dann kann man die Dinge neu bewerten."