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Wachsender Markt
US-Konzerne setzen auf Fleisch aus der Petrischale

Bill Gates hat bereits investiert, die Fleischindustrie zieht auch mit - US-Start-ups experimentieren mit Fleisch aus dem Reagenzglas. Im Silicon Valley gibt es dabei Fortschritte, aber auch Probleme. Der Fleischersatz ist vor allem noch immer sehr teuer.

Von Heike Wipperfürth | 19.04.2018
    Symbolfoto für Fleisch aus dem Labor - eine Petrischale, ein Reagenzglas und Pillen liegen neben mehreren Scheiben Schinken
    Symbolfoto für Fleisch aus dem Labor - die Suche nach Wegen zur künstlichen Fleischerzeugung nimmt konkretere Formen an (imago stock&people)
    "Wenn wir es schaffen, Fleisch zu produzieren, ohne Tiere zu schlachten, dann reduzieren wir auch drastisch die Gefahr bakterieller Infektionen, die beim Schlachten entstehen", beschrieb Uma Valeti, Gründer des Start-up Memphis Meats im kalifornischen Silicon Valley kürzlich sein Ziel, in großem Maßstab aus Zellen Fleisch zu züchten - ohne Tiere zu mästen oder zu schlachten.
    Seine Vision, Fleischklopse, Brathähnchen und Entenbrust mittels Stammzellen in der Petrischale zu züchten, zog bereits Investoren wie Bill Gates und Richard Branson in seinen Bann. Im vergangenen Januar investierten auch Cargill und Tyson Foods, die größten Fleischkonzerne in den USA, in das Unternehmen - obwohl es ihren Farm-Fabriken Konkurrenz machen will.
    Produktionskosten sind nicht konkurrenzfähig
    Cargill Chef David McLennan: "Es geht um Nachhaltigkeit und sogenanntes sauberes Fleisch, das den Geflügel- und Rindfleischkonsum nicht über Nacht ersetzen wird, aber eine Möglichkeit ist, um Fleisch mit weniger Ressourcen zu erzeugen."
    Doch der hohe Preis der Produkte und das Serum, in dem die Zellen wachsen, sorgen für Unruhe. Zwar haben sich die Kosten für einen Burger aus dem Labor, der 2013 zum ersten Mal von Mark Post, einem Forscher und Universitätsprofessor aus Maastricht, vorgestellt wurde, von 300.000 auf 2.400 Dollar gesenkt. Konkurrenzfähig ist das Produkt damit aber noch lange nicht.
    Hinzu kommt die Suche nach einem pflanzlichen Serum, um teures fötales Kälberserum zu ersetzen, das nach dem Schlachten der Mutterkuh aus dem noch schlagenden Herzen ungeborener und nicht betäubter Kälber gewonnen wird. Das Serum wird gebraucht, um die Zellen am Leben zu erhalten.
    Fleischähnlichen Produkte sind schon in den Supermarktregalen
    Bis das Problem gelöst ist, müssen Verbraucher wohl auf die aus Petrischalen gewonnene Köstlichkeiten verzichten, sagt Kent Kirshenbaum, Professor für pharmazeutische Chemie an der New York Universität: "Wir müssen herausfinden, wie wir ein pflanzliches Serum entwickeln können, um das fötale Kälberserum zu ersetzen. Es muss alle Hormone und Nährstoffe haben, die nötig sind, um die Zellen so kostengünstig wie möglich wachsen zu lassen. Wenn wir das schaffen, können wir die gesamte Nahrungskette auf sehr vorteilhafte Weise verändern."
    Während sich der Fleisch- und Geflügelkonsum laut der US-Landwirtschaftsbank Cobank in Colorado bis 2030 weltweit um 46 Prozent auf 114 Billionen Dollar erhöht, konkurrieren die ersten Fleischersatz Start-ups in den USA um Kunden: So bietet Beyond Meat in den Fleischabteilungen von 4.000 Supermärkten Burger mit Erbsenprotein an, während die fleischähnlichen Produkte des Rivalen Impossible Foods auf den Speisekarten von mehr als 1.000 Restaurants stehen - obwohl die US-Lebensmittelbehörde FDA ihr das Sicherheitszertifikat für ihr Fleisch Imitat noch nicht erteilt hat.
    Die Verantwortung liegt in den USA bei den Herstellern
    Der Klops aus dem Labor schmeckt und riecht nämlich wie Fleisch, weil das Unternehmen Leghämoglobin aus den Wurzeln von Hülsenfrüchten mit der Hilfe gentechnisch umprogrammierten Hefezellen produziert hat, damit es rotem Blutstoff ähnelt. Der Start-up kann den Burger ohne Zustimmung der FDA weiter vermarkten, weil in den USA die Verantwortung für mögliche schlimme Folgen ohnehin bei den Herstellern liegt, sagt Alison Eenennaam, eine Genetik Professorin an der Universität von Kalifornien in Davis.
    "Es handelt sich um ein gentechnisch verändertes Produkt, aber gefährlich ist es nicht. Gentechnik ist nur eine Zuchtmethode, in der ein gentechnisch verändertes Protein in eine andere Gattung eingebracht wird. Bei dem Impossible Burger wurde ein verändertes Hefeprodukt eingebracht, um ein Hämprotein zu erzeugen, das dem Fleischersatz seine blutähnliche Beschaffenheit verleiht. Das ist völlig in Ordnung."
    Auch dass der mächtige US-Rinderzuchtverband das US-Landwirtschaftsministerium gebeten hat, den Start-ups zu verbieten, ihre Produkte Fleisch zu nennen, unterstützt - Alison Eenenaam. "Der Rinderzuchtverband will doch nur, dass die Start-ups die guten Eigenschaften ihrer eigenen Produkte beschreiben - und nicht den guten Ruf der Fleischbranche benutzen, um ihre Produkte besser zu vermarkten."
    Die Start-ups für Fleischersatz und Kunstfleisch freuen sich laut Cobank auf einen Umsatzzuwachs von 17 Prozent auf 870 Millionen Dollar bis 2021 - ein Klacks im Vergleich zu den rund 50 Milliarden Dollar Umsatz der Fleisch und Geflügel Einzelhandelsbranche in den USA.