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Wärmedämmplatten
Warnung vor Polystyrol

Philip Banse im Gespräch mit Stefan Römermann | 28.07.2015
    Stefan Römermann: Eigentlich ist der Fall klar: Öl kann brennen. Und das gilt auch für die meisten Stoffe, die aus Erdöl hergestellt werden. Plastik zum Beispiel oder auch Polystyrol, besser bekannt als Styropor - das ist einer der Hauptbestandteile von Wärmedämmplatten, die zur Fassadendämmung benutzt werden. Jetzt sollen die Regeln für Wärmedämmung geändert werden. Mein Kollegen Philip Banse ist mir jetzt aus unserem Hauptstadtstudio in Berlin zugeschaltet. Herr Banse, über die Brandgefahr wird seit Jahrzehnten geredet - gibt es denn da jetzt neue Erkenntnisse?
    Philip Banse: Ja. In den vergangenen Jahren hatte es nach Angaben der Bauministerkonferenz rund 18 Brände gegeben, bei denen mit Polystyrol gedämmte Fassaden von außen in Brand geraten sind, meist durch brennende Müllcontainer. Das Problem: Die meisten der gedämmten Fassaden in Deutschland wurden wohl mit Polystyrol gedämmt - einfach, weil das am billigsten ist. Wegen der Brände und zahlreicher Medienberichte ließen die Bauminister der Länder die Polystyrol-Dämmung erneut testen, zündeten das Äquivalent eines Müllcontainers vor Testfassaden an.
    Das Ergebnis beschreibt Gerhard Scheuermann, Vorsitzender der Fachkommission Bautechnik bei der Bauministerkonferenz, so: "Wenn eine solche Brandlast von außen auf diese Fassadenkonstruktion einwirkt, dann kann diese Fassadenkonstruktion tatsächlich sehr schnell entflammen und sehr schnell abbrennen."
    Diese Erkenntnis hat unterschiedliche Auswirkungen auf bereits gedämmte Gebäude und auf Gebäude, die erst noch gedämmt werden sollen. Für Gebäude, die erst noch gedämmt werden sollen, werden jetzt neue Vorschriften erstellt. Die sehen im Kern vor, dass bei Polystyrol-Dämmungen jetzt auch im Sockel und den unteren Geschossen Brennsperren aus Steinwolle in die Polystyrol-Dämmung eingesetzt werden sollen.
    Diese Lösung sei erfolgreich getestet worden, sagt Experte Scheuermann von der Bauministerkonferenz: "Das heißt, diese Brandlast, die dort außen dann angezündet wurde, der gelang es nicht, diese Fassade in Brand zu stecken."
    Diese neuen Vorschriften sind jedoch noch nicht bindend, so Scheuermann. Es müssten erst etwa 300 Polystyrol-Dämmsysteme neu überprüft werden. Die Interessenvertreter der Haus- und Grundbesitzer rät daher davon ab, überhaupt mit Polystyrol zu dämmen. Corinna Kodim von Haus und Grund rät Hauseigentümern, die jetzt ihre Fassade dämmen wollen, "sich auf alle Fälle da genau zu erkundigen, am besten auf ein völlig anderes Dämmsystem abzuschweifen, weil es einfach zu riskant ist."
    Corinna Kodim rät dazu, Fassaden mit Mineralwolle zu dämmen, die brenne nicht. Solche Dämmungen sind aber deutlich teurer. Komplizierter ist die Lage bei Häusern, die bereits mit Polystyrol-Dämmplatten gedämmt wurden, wie gesagt wohl die Mehrheit aller gedämmten Häuser in Deutschland. Die sind jetzt einem erhöhten Brandrisiko durch brennende Müllcontainer, Autos oder Motorräder ausgesetzt, sagt Corinna Kodim von Haus und Grund. Dennoch wollten die Bauminister nicht vorschreiben, dass bereits gedämmte Fassaden Brandsperren aus Steinwolle bekommen müssen.
    Bautechniker Gerhard Scheuermann von der Bauministerkonferenz sagt, mit Polystyrol gedämmte Fassaden würden dafür zu selten brennen: "Die sind jetzt nicht so, dass man eine massenhafte Sanierungsmaßnahme in die Wege leiten müsste. Das wäre unverhältnismäßig vom Aufwand her."
    Die Bauministerkonferenz empfiehlt: Brennbare Materialien sollten mindestens drei Meter von Polystyrol-gedämmten Fassen entfernt gelagert werden. Müllcontainer vor solchen Wänden sollten mit einem Häuschen aus Stahl oder Beton umbaut werden. Ulrich Ropertz, Geschäftsführer des Deutschen Mieterbundes, hält diese Lösung für vernünftig:
    "Da ist sicherlich viel guter Wille dabei. Ob es praxistauglich ist, müssen wir sehen. Auf der anderen Seite: Wo ist die Alternative? Man kann sicherlich schlecht alle Objekte, die in den letzten fünf oder zehn Jahren wärmegedämmt worden sind, jetzt noch mal anfassen und die Wärmedämmung erneuern."
    Haus und Grund-Expertin Corinna Kodim sieht die Verantwortung für das Desaster beim Deutschen Institut für Bautechnik. Dieses Institut hat die Polystyrol-Dämmungen getestet und offiziell zugelassen. Offenbar seien die Tests zu oberflächlich gewesen, sagt Corinna Kodim von Haus und Grund. Das Deutsche Institut für Bautechnik sah sich heute Vormittag zu einer Stellungnahme nicht in der Lage.