Donnerstag, 25. April 2024

Archiv

Wärmedämmung
Brandgefahr durch Styropor?

Von Verunsicherung bis Panik: Nach der Brandkatastrophe von London sorgen sich Verbraucher um die richtige Fassadendämmung. Häufig wird Styropor verwendet, das zwar kostengünstig ist, aber brennbar. Alternativen sind in der Regel teurer.

Von Tonia Koch | 07.07.2017
    Ein Haus aus den 1930er-Jahren wird am 09.11.2016 in Berlin mit Styroporplatten auf der Außenwand gedämmt.
    Styropor ist das am häufigsten verwendete Material zur Dämmung von Außenfassaden. (picture-alliance / dpa / Sebastian Gollnow)
    Reinhard Schneeweiß ist Architekt und berät Häuslebauer, wie sie richtig dämmen. Im Moment sei die Nachfrage nach Beratungsterminen bei der Verbraucherzentrale des Saarlandes besonders hoch, denn viele Bauherren seien nach der Brandkatastrophe von London verunsichert, sagt Schneeweiß.
    "Die Wahrnehmung bei den Verbrauchern geht von großer Panik bis zu gar nicht berührt von der Fragestellung. Die Leute, die stark verunsichert sind, bei denen ist es so, dass sie natürlich verwechseln, dass kleine Objekte mit so großen Objekten wie jetzt in London nicht vergleichbar sind."
    Noch immer zählt der synthetische Baustoff Polystyrol, also Styropor, zu den am häufigsten verwendeten Materialien, mit denen die Außenfassaden von Alt wie Neubauten gedämmt werden. Aber bevor Polystyrol-Dämmplatten aufgebracht werden dürfen, müssen sie - weil sie brennbar sind - mit Flammschutzmitteln behandelt werden. Daneben werden mineralische Stoffe wie Steinwolle oder Naturfasern aus Holz und Schilf für die Wärmedämmung verwendet. Nach wie vor stellt Polystyrol jedoch die kostengünstigste zugelassene Dämmvariante dar. Und es sei auch nicht geplant, den Einsatz von Styropor in Wärmeverbundsystemen zu verbieten - wie dies Dänemark verfügt hat -, teilt das zuständige Bundesministerium für Umwelt und Bauen mit.
    Alternativen zu Styropor wählen - oder Brandriegel einbauen
    Wer trotzdem auf Nummer Sicher gehen wolle, dem rät Verbraucherschützer Schneeweiß zu Alternativen.
    "Es gibt einige Dinge aus meiner Sicht, die für eine mineralische Dämmung sprechen. Das ist zum Beispiel der Brandschutz, das ist der bessere Schallschutz der Dämmung, das ist die Diffusionsoffenheit. Es gibt Dinge, die aus Sicht des Verbrauchers dagegen sprechen, das sind die höheren Kosten. Und das muss man gegeneinander abwägen und das muss leider jeder für sich selber machen."
    Wer bei der Dämmung seines Hauses auf Polystyrol nicht verzichten möchte, sollte sogenannte Brandriegel aus Mineralwolle einbauen, empfiehlt Schneeweiß.
    "Es ist nicht bauaufsichtlich gefordert, aber in den Brandschutzempfehlungen ist das so drin, sodass es den Regeln der Technik entspricht, dass man entweder Brandriegel alle so und so viele Geschosse beziehungsweise über den Fensterstürzen Brandriegel aus Mineralwolle ergänzt, das gehört inzwischen zum Stand der Technik."
    "An Hochhäusern ist Polystyrol nicht erlaubt"
    In einer Saarbrücker Hochhaussiedlung saniert die örtliche Wohnungsbaugesellschaft ein über 40 Meter hohes Haus mit 15 Stockwerken. Die Wärmedämmung, die hier auf die Außenfassade geklebt und geschraubt wird, besteht ausschließlich aus 14 bis 16 Zentimeter dicken Platten aus Mineralwolle. Radu Gurau.
    "Die kann man nicht anzünden, die brennt einfach nicht. Die Putzschicht, die oben drauf kommt, ist auch nicht brennbar. Das bedeutet, im Fall unserer Hochhäuser haben wir keinerlei Probleme mit einer möglicherweise brennbaren Fassade wie in England, das kommt bei uns gar nicht in Frage." Polystyrol sucht man hier vergebens. "Nein, an Hochhäusern ist Polystyrol nicht erlaubt."
    An Gebäuden über 22 Metern Höhe darf der brennbare Dämmstoff nicht angebracht werden, das schreiben im Rahmen des vorbeugenden Brandschutzes die Landesbauordnungen in Deutschland vor. Sorgen macht sich die Bauindustrie allerdings um die EU-Bauprodukten-Verordnung. Diese sieht einheitliche Normen vor, die nach Auffassung der Bundesregierung vielfach nicht deutschen Sicherheitsanforderungen entsprechen. Zum Beispiel werde das Glimmverhalten von Dämmstoffen nicht mehr geprüft. Die Bundesregierung hat gegen diese europäischen Normen vor dem Gericht der Europäischen Union in Luxemburg geklagt. Sie verfolgt dabei das Ziel, nach wie vor nationale Ergänzungsreglungen erlassen zu dürfen.