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Wärmer, saurer, leerer

Der Klimawandel kommt schneller und dramatischer als man bislang angenommen hat. Bis zum Ende des Jahrhunderts wird sich die durchschnittliche Temperatur auf der Erde um etwa drei Grad erhöhen, so der neuste Bericht des UN-Klimarats. Dazu kommt noch ein ganz anderer Effekt: Das vom Menschen erzeuge CO2 sorgt nicht nur für den Treibhauseffekt in der Atmosphäre - es wandert auch in die Ozeane - und sorgt dort dafür, dass sich Säure im Wasser bildet.

Von Jan Lublinski | 10.11.2006
    Key Largo, Florida. Ein kilometerlanges Korallenriff zieht sich hier an der Küste entlang. Der Reisebegleiter Mathew Hitman gibt Führungen in einem Touristenboot, das gläserne Fenster in seinem Boden hat. Täglich zeigt er Besuchern eine einzigartige, bunte Tier- und Pflanzenwelt - aber nicht nur das.

    Er erzählt auch von der Korallenbleiche, einem Phänomen, dass man fast überall auf den Florida Keys und in der Karibik beobachten kann. Sobald das Wasser wärmer wird als 30 Grad Celsius, kann es passieren, dass das farbenfrohe Leben aus einem Teil des Riffs verschwindet; zurück bleibt das weiße Korallenskelett aus Kalk. Sinkt die Temperatur bald wieder, kann sich dieser Lebensraum erholen. Geschieht dies nicht, stirbt er aus.

    Die Erhöhung der globalen Temperatur ist also eine Gefahr für die Korallen, wie auch die Verschmutzung des Wassers. Und es kommt noch ein weiterer Einflussfaktor hinzu: Menschengemachtes Kohlendioxid wandert aus der Atmosphäre in die Meere und wird dort zu Kohlensäure. Das Wasser wird saurer.

    Für die Korallen bedeutet dies zunächst einmal zusätzlichen Stress. Der Grundbaustoff für die Korallenriffe, der im Wasser gelöste Kalk, wird knapp. Irgendwann geht die Entwicklung dann so weit, dass die Kohlensäure die Korallenskelette einfach auflöst. Ulf Riebesell vom Leibnitz-Institut für Meereswissenschaften IFM-Geomar in Kiel:

    " Wie wir aus dem Entkalken von Kaffeemaschinen wissen, wenn wir saure Lösung auf Kalk geben, dann löst sich der Kalk. Das ist das was den Korallen im Meerwasser passiert. Wenn das Meerwasser allmählich saurer wird, lösen sich ihre Kaltskelette durch das korrosive Wasser. "

    Riebesell erforscht vor der Küste Norwegens die so genannten Kaltwasserkorallenriffe.

    " Die Kaltwasserkorallenriffe sind ganz ähnlich bunt wie die der Tropen. Obwohl sie eigentlich in Regionen leben, wo nie ein Sonnenstrahl hinkommt. In den großen Tiefen der Ozeane. Sie sind nicht nur bunt von den Farben her. Sie sind auch sehr artenreich. Auch da wieder vergleichbar den Korallenriffen der warmen Meere. In der Tiefsee gehören die Kaltwasserkorallenriffe zu den biologischen Hot-Spots zu den artenreichsten Ökosystemen der Tiefsee. "

    Rund 1300 Tierarten leben in den Kaltwasserkorallenriffen - von kleinen Weichtieren über Krebse bis hin zu zahlreichen Tiefseefischen. In der großen Tiefe, in der sie leben, ist das Meer, aufgrund des hohen Wasserdrucks, ohnehin relativ sauer. Was zur Folge hat, dass sich die Skelette der Korallen schon sehr bald einfach auflösen werden. Die einzigartigen Tiefsee-Ökosysteme drohen zu verschwinden.

    Besonders von der Versauerung betroffen sind auch winzige kalkbildende Lebewesen: Planktonorganismen, Seegurken und Flügelschnecken. Sie sind eine wichtige Nahrung für viele kleine Krebse und Fische und bilden somit den Anfang einer Nahrungskette, an deren anderem Ende Speisefische stehen. Hans Otto Pörtner, Meeresbiologe vom Alfred Wegener Institut in Bremerhaven:

    " Es wird sicher Verschiebungen in den Ökosystemen geben, d.h. die Gleichgewichte werden sich verschieben zu ungunsten der Kalkbildner im Meer. Die Nahrungsketten werden sich verändern. Es ist vorstellbar, dass es für einige Organismen dann nicht mehr die Nahrungsmengen gibt, die sie vorher hatten. Und diese Art Störung und Verschiebung wird mit Veränderung der Artenzahlen einhergehen, mit einer Abnahme der so genannten Biodiversität. "

    Der Verlust an Artenreichtum hat dramatische Konsequenzen für die Stabilität des Ökosystems Ozean. Die Wasserqualität verschlechtert sich, gefährliche Algen beginnen zu wuchern und immer weitere Arten sterben.

    Unlängst haben amerikanische Forscher im Fachblatt Science eine umfassende Analyse der Entwicklung der Weltmeere vorgelegt. Darin kommen sie zu dem Schluss, das es in 50 Jahren kaum noch nachhaltige Speisefischarten und Meeresfrüchte geben wird, wenn die Entwicklung so weiter geht wie bisher. Gleichzeitig weisen sie aber auch darauf hin, dass noch nicht zu spät ist, diesen Trend umzukehren.