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Waffengesetze
Wie Australien seine Bürger entwaffnete

Australien hatte früher ein ähnlich laxes Waffenrecht wie die USA. Das änderte sich 1996 nach einen Amoklauf mit 35 Toten. Die Gesetze wurden in Rekordzeit verschärft, Hunderttausende Waffen verschrottet. Die Zahl der Todesfälle durch Schusswaffen halbierte sich daraufhin.

Von Holger Senzel | 07.10.2017
    Berg aus Schusswaffen
    Zurückgegebenen Waffen in Australien - kurz vor ihrer Verschrottung im Jahr 2004 (dpa/picture-alliance/Mick Tsikas )
    "Waren das Schüsse?" fragt jemand auf dem Mitschnitt vom Tatort. Ein 28-Jähriger hatte an diesem 28. April 1996 in einem Café im tasmanischen Port Arthur das Feuer mit einem halb automatischen Gewehr eröffnet. Der Polizeireporter berichtete aus dem Hubschrauber.
    35 Menschen starben – und der konservative Premier John Howard hatte die Nase voll. In nur zehn Tagen setzte er ein Verbot halb automatischer Gewehre durch. Das überraschte selbst die Leute in seinem Ministerium, erinnert sich Howard.
    "Als ich meine Pläne vorstellte, schüttelten die Leute in meinem Stab den Kopf und sagten: Du denkst nicht wirklich daran, sämtliche Halb-Automatischen zu verbieten, nicht wahr? Und ich sagte: Doch, genau das habe ich vor."
    Eignungstest, Begründung und Sicherheitstraining
    Und das war längst nicht alles. Wer eine Pistole oder Flinte kaufen will, muss in Australien seine Eignung nachweisen und ein Sicherheitstraining absolvieren. Und er muss begründen, wieso er eine Waffe braucht. Ein allgemeines "Ich fühle mich bedroht" reicht nicht. Denn die wenigsten derer, die unbedingt eine Waffe haben wollen, brauchen sie tatsächlich, es geht eher ums Gefühl. Dass gegen einen bösen Kerl mit einer Waffe nur ein guter Typ mit einer Waffe hilft, halten Experten für hanebüchenen Unsinn. Die größte Gefahr für Otto-Normalverbraucher geht eben nicht von Mafia-Killern oder Terroristen aus – sondern vom psychisch gestörten Waffennarren in der Nachbarschaft, der unkontrolliert aufgerüstet hat.
    "Es tut mir leid, aber es gibt keinen anderen Weg, es gibt keinen anderen", rief Premier Howard aufgebrachten Waffenbesitzern zu. Die Stimmung kochte in Down Under. Ähnlich wie die Amerikaner hingen die Australier in diesem weiten Kontinent an ihren Knarren, der "Lonesome Cowboy" war auch hier männliches Role-Model. Man denke bloß an Quigley den Australier – gespielt von Tom Selleck - der mit seiner Sharps-Büchse allein gegen das Böse kämpfte. Die Waffenlobby rief die Australier gar zum Zivilen Ungehorsam auf. Doch Howard blieb hart:
    "Wenn ich nur einen Schritt zurückgewichen wäre, hätte mich das hoffnungslos und schwach aussehen lassen. Die Leute hätten gedacht: Wie viele Menschen müssen noch ermordet werden von einem verrückten Amokschützen, bevor die Regierung endlich handelt. Wenn du in solchen Fragen nicht entschieden vorgehst, verlieren die Menschen den Glauben an die Regierung."
    Erfolgreiche Umsetzung eines politischen Vorhabens
    "Nicht Waffen töten, sondern Menschen", argumentiert die US-Waffenlobby. Aber Schusswaffen erleichtern Menschen das Töten. Um die Zahl der Waffen in privater Hand zu senken, investierte die australische Regierung daher neben der Verschärfung des Waffenrechts zugleich Hunderte Millionen Dollar: Sie kaufte etwa 650.000 Waffen ihren Besitzern ab, weitere Zehntausende wurden freiwillig abgegeben und verschrottet. Die Zahl der Schusswaffen-Toten ist seitdem in Australien um die Hälfte gesunken.