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Waffenhandel
Zwischen wirtschaftlichen Interessen und moralischen Ansprüchen

25 Jahre ist es her, dass die Berliner Mauer und der Eiserne Vorhang fielen, dass der Kalte Krieg zu Ende war. Vorbei schien das Horrorszenario eines atomaren Weltuntergangs. Aber die Nuklearwaffen sind immer noch da – allen Abrüstungsanstrengungen zum Trotz. Und nicht nur Atombomben, Waffen aller Art prägen eine weiterhin unfriedliche Welt.

Von Peter Leusch | 20.11.2014
    Die Predator MQ-1 ist eine bewaffnete Drohne
    Aktuell stehen die so genannten Drohnen stark in der Diskussion. (dpa / Tsgt Effrain Lopez)
    "Wenn wir uns unbemannte Flugzeuge, sogenannte Drohnen anschauen, die werden in der Regel noch ferngesteuert, da sitzt jemand an einer Konsole und kann Steuerbefehle geben. Aber viele Funktionen können auch schon automatisiert durchgeführt werden, das heißt Start oder Landung, da muss der Operator oder Pilot nur noch einen Knopf drücken, dann landet das System automatisch, startet automatisch. Er kann zum Beispiel auf einer Karte Wegpunkte angeben, die Daten werden in GPS- Koordinaten übersetzt, dann fliegt das System diese Wegpunkte der Reihe nach ab ... . und die menschliche Aufgabe besteht nur noch darin zu überwachen, ob das System es auch wirklich so macht wie vorgesehen."
    Killerroboter sind keine Science-Fiction mehr
    Drohnen, erklärt der Politikwissenschaftler Niklas Schörnig von der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung, das können zentimetergroße fliegende Kameras sein, sie können aber auch die Größe eines Verkehrsflugzeugs erreichen. Drohnen werden vor allem militärisch genutzt, zur Aufklärung aus der Luft, aber auch zur gezielten Tötung von Al-Kaida-Anführern. Noch sind es in den fernen USA Menschen, die mit Blick auf einen Monitor den tödlichen Knopf drücken. Aber es ist schon jetzt technisch machbar, dass solche Drohnen vollständig autonom geschaltet werden: Killerroboter sind keine Science-Fiction mehr. Ja, zu Defensivzwecken setzen wir bereits heute autonome Systeme ein, wie Niklas Schörnig sie nennt:
    "Wir haben momentan schon solche Systeme im Bereich der Verteidigung, die werden noch nicht gegen Menschen eingesetzt, die werden zum Beispiel eingesetzt um Kampfschiffe vor heranfliegenden Raketen zu schützen oder auch um ein Feldlager zu schützen. Diese Systeme können in einem voll autonomen Modus betrieben werden. Zwar versucht man auch hier immer noch, den Menschen in eine Kontrollfunktion zu bringen, aber wenn viele Raketen gleichzeitig kommen, wenn sehr schnell reagiert werden muss auf Situationen, können wir uns vorstellen, wo solche Systeme aus militärischer Sicht sinnvollerweise auf einen autonomen Modus gestellt werden."
    Schörnig und andere diagnostizieren eine bedenkliche Entwicklung hin zu einer automatisierten Kriegsführung, wo der Mensch gegenüber der Maschine immer mehr ins Hintertreffen gerät. Werden am Ende Computeralgorithmen über Leben und Tod entscheiden, ohne dass der Mensch überhaupt noch die Chance hat einzugreifen? Ohnehin wirft der amerikanische Einsatz von Drohnen zur gezielten Tötung völkerrechtliche Probleme auf.
    "Es werden bewaffnete Drohnen in Afghanistan eingesetzt, dort ist völkerrechtlich gesehen ein bewaffneter Konflikt, und mir haben sehr viele Völkerrechtler versichert, dass dort der Einsatz legal ist. Wo er nicht legal ist, zumindest nach Verständnis europäischer Völkerrechtler ist der Einsatz zum Beispiel in Pakistan, Jemen oder Somalia zur gezielten Tötung.
    Nach Angaben der amerikanischen Zeitung "Huffington Post" wurden in den sechs Regierungsjahren Obamas über 2.400 Personen Opfer von Drohnenangriffen, weit mehr als unter seinem Vorgänger George W. Bush. Das ist die Kehrseite des amerikanischen Truppenrückzugs aus dem Irak. Das Leben der eigenen Soldaten wird geschützt, weil an ihrer Stelle moderne Kampfmaschinen an der Front sind.
    Im Sommer entzündete sich auch hierzulande eine verteidigungspolitische Debatte an der Frage: Soll die Bundeswehr mit bewaffneten Drohnen ausgerüstet werden?
    "Deutschland hat entgegen anderen NATO-Staaten noch keine bewaffneten Drohnen, man sagt aber vor allem aus Gründen des Schutzes von Bodentruppen, - die sogenannte Luftnahunterstützung - dafür bräuchte man bewaffnete Drohnen. Und Von-der-Leyen hat jetzt entschieden, dass man mindestens Drohnen beschaffen soll, die eine Bewaffnungsfähigkeit haben. Der Bundestag soll dann aber bei einem entsprechenden Einsatz über die tatsächliche Bewaffnung entscheiden."
    Neue Waffen einer automatisierten Kriegsführung machen die Welt nicht friedlicher, zumal die alten Waffensysteme, vor allem die Nuklearwaffen keineswegs aus ihr verschwunden sind. Nach dem Ende des Kalten Krieges vor 25 Jahren hoffte man, dass auch der Alptraum einer atomaren Menschheitsvernichtung endgültig vorbei sei. Aber der Großteil der Nuklearwaffen existiert trotz aller Abrüstungsanstrengungen weiterhin, lagert auch auf dem Boden von Staaten, die selber gar keine Atommächte sind.
    "Im Wesentlichen sind es fünf Staaten, in denen sich, so schätzt man, ca. 180 bis 200 sogenannte taktische Nuklearwaffen befinden, der Begriff taktisch ist insofern irreführend, weil die Sprengkraft immer noch ein Vielfaches der von Hiroshima ist, das heißt eine militärische Nutzung wird auch einhergehen mit einem enormen katastrophalen zivilisatorischen Schaden, aber man geht davon aus, dass noch 180 von diesen Sprengköpfen in Europa an mehreren Orten stationiert sind. Die Staaten sind neben Deutschland Belgien, die Niederlande, Italien und die Türkei. Im Kriegsfall können diese Sprengköpfe unter bestimmte Flugzeuge gehängt werden, sind also frei fallende Bomben, und die würden dann abgeworfen werden."
    Und Götz Neuneck, stellvertretender Direktor des Instituts für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg hat einen brisanten Widerspruch aufgedeckt. Während die meisten Menschen heute, anders als zur Zeit der Friedensbewegung in den 80er-Jahren, nicht an die Möglichkeit eines Atomkrieges denken, ein solches Szenario als absurd, auch als militärisch sinnlos abtun. Und während Obama sich zur Vision einer Welt ohne Nuklearwaffen bekannte, setzen verschiedene Staaten, bestärkt durch die Ukraine-Krise, weiterhin auf das Konzept einer atomaren Abschreckung. Und die Militärs, so Neuneck, planen sogar eine Modernisierung der Nuklearwaffen.
    "Obwohl auch die Nuklearwaffenstaaten nach der fulminanten Rede von Präsident Obama gesagt haben, wir wollen uns weiter mit Abrüstungen in Richtung einer Welt ohne Nuklearwaffen bewegen, haben sie gleichzeitig in den letzten fünf Jahren Modernisierungsprogramme beschlossen. Dieser verniedlichende Begriff sagt eben: Wir brauchen bessere Trägersysteme, die zielgenauer sind, zuverlässiger sind, wir brauchen auch Sprengköpfe, die genauso sind. Diese Debatte ist leider Gottes nicht beendet, sondern sie wird wieder verstärkt geführt, sodass man klar sagen kann, dass die Kernwaffenstaaten im Augenblick alles unternehmen, damit ihre Kernwaffenpotenziale bis zur Mitte des Jahrhunderts weiter einsatzfähig bleiben. All das zeigt, dass das Denken und Planen in den Kategorien des Kalten Krieges immer noch in den militärischen Eliten vorherrscht."
    Mehr Druck auf Nuklearwaffenstaaten
    Götz Neuneck sieht aber auch Lichtblicke an anderer Stelle. Ein positives Zeichen liefert der Iran, da er anscheinend in der Atomfrage einlenkt. Ein Abschluss der Verhandlungen, wo sichergestellt wird, dass der Iran die Kernenergie nur zu friedlichen Zwecken nutzt, steht unmittelbar bevor.
    "Das zweite ist, dass die Zivilgesellschaft, die schon seit Jahrzehnten eine Nuklearwaffenkonvention fordert, die eigentlich so ähnlich aussieht wie die B-Waffen und C-Waffen-Konvention, also schlichtweg die Herstellung, den Besitz und den Einsatz von Nuklearwaffen völkerrechtlich verbietet, ist mehr oder weniger abgelehnt worden von den Nuklearwaffenstaaten. Nun gibt es eine Initiative und auch schon zwei Konferenzen in Norwegen und in Mexiko, die aufmerksam machen auf die humanitären Konsequenzen einer Nuklearwaffe. Denn man kann mit Fug und Recht argumentieren, eine Nuklearwaffe ist eigentlich gegen Menschen nicht einsetzbar, sie unterscheidet nicht Kombattanten und Nichtkombattanten, sie tötet unterschiedslos, und sie beinhaltet ein Schadenspotenzial von unbeschreiblichem Ausmaß, das in jedem Fall grenzüberschreitende Wirkungen hat."
    Es geht darum, die Nuklearwaffenstaaten stärker unter öffentlichen Druck zu setzen und sie mit ihren Nuklearmodernisierungsplänen an den Pranger zu stellen. Von einem anderen langwierigen Projekt, das sich auf die Kontrolle des internationalen Waffenhandels richtet und vor einem erfolgreichen Abschluss steht, berichtet der Politikwissenschaftler Max Mutschler von Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin.
    Eine besonders wichtige Initiative ist der internationale Waffenhandelsvertrag, auf Englisch Arms Trade Treaty, kurz ATT genannt. Darauf haben sich die Staaten 2013 verständigt nach einem längeren Verhandlungsprozess im Rahmen der Vereinten Nationen, dieser Waffenhandelsvertrag, den haben jetzt mehr als 50 Staaten ratifiziert, weswegen er auch zum Ende des Jahres 2014, genauer gesagt am vierundzwanzigsten Dezember in Kraft treten wird.
    Das wäre ein Weihnachtsgeschenk, ein wirklicher Beitrag zum Frieden. Denn der internationale Waffenhandel ist ein gigantisches Geschäft, das, so Mutschler, auf 80 bis 100 Milliarden Dollar geschätzt wird. Deutschland liegt nach Schätzungen des Stockholmer Friedensforschungsinstituts Sipri hinter den USA und Russland an dritter Stelle als Rüstungsexporteur.
    "Lange Zeit war es so, dass Deutschland vor allem in Partnerländer in der EU oder in der NATO geliefert hat. Im Zuge der sinkenden Verteidigungsbudgets nimmt da aber die Nachfrage in den letzten Jahren deutlich ab, weswegen wir auch verstärkt Rüstungsexporte aus Deutschland in sogenannte Drittstaaten, also Staaten, die nicht in der EU oder der NATO sind, oder diesen Staaten gleichgestellt sind, beobachten können."
    So liefert Deutschland nicht nur Waffen, sondern auch Rüstungstechnologie, zum Beispiel hat man eine Produktionslizenz für das G 36 Sturmgewehr an Saudi-Arabien vergeben. Und Jan Grebe, Politikwissenschaftler am Bonner Friedens- und Konfliktforschungsinstitut, kurz BICC, nennt einen noch brisanteren Fall aktueller deutscher Rüstungsexportpolitik.
    "Ein anderes Beispiel ist eine Produktionsstätte für den Fuchs-Spürpanzer in Algerien. Auch da wird ein Teil der Technologie nach Algerien transferiert, damit das Land selber in der Lage ist, einen Großteil dieser Marge, die vereinbart wurde, auch im Land zu produzieren. Damit einher geht, dass die Bundesregierung in den letzten Jahren offenbar gewillt war sogenannte Partnerländer - also Ankerstaaten, Gestaltungsmächte, wenn man die Wörter der Bundesregierung nimmt - also wichtige Länder in einzelnen Regionen mit Waffen auszustatten, damit diese Länder wiederum in ihren Regionen und Ländern für Stabilität sorgen können. Das heißt man versucht zu vermeiden, dass man selber Soldaten schicken muss, um etwaige Konflikte zu lösen, sondern man ertüchtigt, man rüstet andere Länder auf, damit diese für Stabilität sorgen oder Konflikte lösen können."
    Aber die Lieferung von Waffen, in diesem Fall sogar von Rüstungstechnologien ist ein zweischneidiges Schwert. Wird sich Algerien an die Abmachungen halten, die einen Weiterkauf von Panzern verbieten? Oder wird Algerien solche Waffen womöglich gegen die eigene Bevölkerung einsetzen, wie es andere autoritäre Regime im Arabischen Frühling getan haben? Die Bundesregierung handelt durchaus in Übereinstimmung mit dem neuen Internationalen Waffenhandelsvertrag, der aber auch nur unpräzise Kriterien vorgibt. Hier sind selbst die gesetzlichen Bestimmungen in Deutschland strenger: das Außenwirtschaftsgesetz und das Kriegswaffenkontrollgesetz. Deutsche Unternehmen brauchen für jede Art von Rüstungsgeschäft eine Genehmigung der Bundesregierung. Doch die hat immer noch einen großen Entscheidungsspielraum wie das Beispiel der Panzerfabrik in Algerien zeigt.
    Und wo bleibt die parlamentarische Kontrolle? Der Bundestag könne seiner Kontrollfunktion nicht wirklich gerecht werden, weil er viel zu spät, nämlich erst nach erfolgter Genehmigung von dem Waffengeschäft erfährt, kritisiert Jan Grebe:
    "Erst dann wenn ein Wissen über die Genehmigung entsteht, kann sich die Kontrollfunktion des Parlaments entfalten, das ist die sogenannte Exportkontrolle, hier ist ein Defizit, weil man gar nicht auf das konkrete Geschäft einwirken kann, man kann allenfalls durch eine solche Kontrolle eine Vorwirkung auf zukünftige Geschäfte entfalten. Das heißt es wäre zu überlegen, inwieweit das Parlament auch vor der Entscheidung einer Genehmigung eingebunden werden kann. Es wäre zu überlegen, ob das Parlament seine etwaigen Bedenken, etwa bei Export in bestimmte Länder, geltend machen kann und dass die Bundesregierung zumindest diese Bedenken hört."