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Waffenlieferungen an syrische Rebellen wären "abenteuerlich"

Die EU streitet über Frankreichs Pläne, die Rebellen in Syrien mit Waffen zu unterstützen. Der Chef der CSU-Landesgruppe im Europaparlament, Markus Ferber, warnt, die Aufhebung des Waffenembargos destabilisiere das Land.

Markus Ferber im Gespräch mit Christoph Heinemann | 15.03.2013
    Christoph Heinemann: Die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union beraten in Brüssel. Folgende Themen stehen auf der Tagesordnung: Die Lage der Menschenrechte in Russland – das allein wäre abendfüllend -, im Vordergrund allerdings die Lage in Syrien. Der französische Präsident Francois Hollande trommelt für Waffenlieferungen an die Widersacher des syrischen Machthabers Assad. Sein Land werde das Waffenembargo spätestens Ende Mai auslaufen lassen, sagte er, und das klingt durchaus nach Drohung. Und nach dem Gipfel ist vor dem nächsten, denn nach den Chefs wollen die Euro-Finanzminister ein Hilfspaket für das von der Pleite bedrohte Zypern festzurren. Das heißt: einige wollen das eigentlich nicht, müssen allerdings.
    Annette Riedel ist unsere Europakorrespondentin und Markus Ferber ist als Vorsitzender der CSU-Landesgruppe im Europäischen Parlament sowohl Generalist als auch Spezialist, denn er gehört außerdem dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Parlaments an. Guten Tag!

    Markus Ferber: Schönen guten Tag, Herr Heinemann.

    Heinemann: Herr Ferber, zurück nach Syrien. Sollten die syrischen Rebellen bewaffnet werden?

    Ferber: Ich bin da voll auf der Linie der Bundesregierung. Ich halte es für abenteuerlich, noch mehr Waffen nach Syrien zu liefern und in eine Art Wettlauf zu kommen zwischen den staatlichen Kräften, die von Russland unterstützt werden, und den revolutionären Kräften, die dann von der Europäischen Union oder von Amerika unterstützt werden. Wohin das führen kann, haben wir in anderen Ländern auch schon erlebt, bis an die Zähne bewaffnet zu sein, Waffen, die dann immer noch im Umlauf sind, wenn es einen Systemwechsel gegeben hat. Und was Franzosen, Herr Hollande auch noch nicht beantworten konnten: Wie schaut eigentlich ein System nach Assad aus? Was sind die Kräfte, die Personen, die danach Verantwortung für das Land übernehmen können? Wir sollten diesen Raum, der sowieso sehr destabil ist, nicht weiter destabilisieren, sondern durch UNO-Mandate, durch Verhandlungen – das ist das große Rezept Europas – stabilisierend wirken.

    Heinemann: Kann es ohne Assad schlimmer werden als mit Assad?

    Ferber: Wenn man keine Exit-Strategie hat, führt man zwangsläufig ein solches Land in ein chaotisches System. Wir haben da im Norden Afrikas ja zurzeit interessante Lehrbeispiele, wenn ich zum Beispiel Libyen ansprechen darf. Und Syrien darf nicht unterschätzt werden als direkter Nachbar Israels, als ein Land, wo wir massive Flüchtlingsströme jetzt nach Jordanien haben, was auch zur Destabilisierung in Jordanien führt. Und insgesamt kann da ein Gemisch entstehen, das eine sehr fragile Situation für den gesamten Nahen Osten bringt, und das sollte vermieden werden.

    Heinemann: Genau! Und deshalb sagen Paris und London, erst mal muss Assad weg.

    Ferber: Ja, aber dann müssen sie auch sagen, wer soll danach hin, mit wem kann die Stabilisierung erreicht werden und wie kann Moskau, wie kann Russland in dieses System mit integriert werden. Man darf ja nicht unterschätzen, welche geostrategische Bedeutung Syrien für Moskau spielt. Das ist der einzige Hafenzugang zum Mittelmeer. Und deswegen ist eine Lösung nur mit Moskau und nie gegen Moskau möglich.

    Heinemann: Paris und Berlin sind einmal mehr unterschiedlicher Auffassung. Das heißt, die Stimme Europas in der Welt, die die EU ja bündeln soll, sie ruft laut "Jein".

    Ferber: Das ist in der Tat ein Problem. Aber wissen Sie, ein französischer Staatspräsident, der innenpolitische Probleme, der ökonomische Probleme mit außenpolitischen Erfolgen und außenpolitischem Machtgehabe kompensieren will, ist nicht ein klassischer Verbündeter der Bundesrepublik Deutschland, die bei außenpolitischen Machtspielchen sich zurecht immer zurückgehalten hat.

    Heinemann: Das heißt, Machtspiele – gilt das auch für Mali, oder nimmt Frankreich da nicht eine Ordnungsfunktion ein?

    Ferber: In Mali hat Frankreich eine Ordnungsfunktion eingenommen und die Bundesrepublik Deutschland beteiligt ja sich auch an dieser Ordnungsaufgabe im Rahmen dessen, was wir leisten können und was auch im internationalen Verbund angefragt wurde. Von daher ist Deutschland durchaus ein verlässlicher Partner, wenn es gelingt, gemeinsame Interessen zu formulieren. Bei Syrien geht es wirklich um die Grundsatzfrage: nur militärischer Eingriff oder militärische Unterstützung durch Waffen und dann mal schauen, was passiert, oder den Prozess so zu steuern, dass danach, nach Assad, ein System in Syrien sich etabliert, das dauerhaft friedensstabilisierend für die gesamte Region wirkt, und da hat Frankreich bisher nichts vorlegen können.

    Heinemann: Herr Ferber, Thema Zypern. Berlin hat die Hilfe für Zypern zu verhindern versucht, das hat aber nicht geklappt. Welche Bedingungen müssen erfüllt sein?

    Ferber: Ich glaube, die Bedingungen sind relativ klar. Es geht ja hier darum, einen Bankensektor wieder gesund zu schrumpfen, der in Zypern über Gebühr gewachsen ist. Das heißt, hier muss ein klarer Restrukturierungsplan aufgelegt werden, wie wir das von den Iren verlangt haben, wie wir das von den Spaniern zurzeit verlangen. Wer also Hilfen in Anspruch nimmt, die aus dem Bankensektor ursprünglich kommen, der muss auch den Bankensektor wieder gesunden. Zum Zweiten geht es darum, dass der Finanzplatz Zypern, der zwar peripher in der Europäischen Union und in der Euro-Zone, aber scheinbar zentral für andere Länder dieser Welt gelegen ist, dass er die Verpflichtungen erfüllt, dass das Geldwäschegesetz zur Anwendung kommt, dass all die Spielregeln, die wir innerhalb der Europäischen Union haben, auch tragen. Bitte unterschätzen Sie auch nicht den Börsenplatz Nikosia, der natürlich im Verhältnis zu Frankfurt sehr klein ist, aber im Verhältnis zu dem Kapital, das dort aus Nicht-Euro-Ländern angelegt wird, durchaus interessant ist. Deswegen ist die Finanztransaktionssteuer auch ein Beitrag, der genannt werden muss, und in dem Beitrag eben haben wir es ja schon gehört: Die Steuersätze sind in Zypern unendlich niedrig im Verhältnis zum europäischen Durchschnitt. Wer also die Solidarität der anderen will, muss auch selber seine Möglichkeiten ausschöpfen, und deswegen werden Erhöhungen bei den Unternehmenssteuern unausweichlich sein in Zypern.

    Heinemann: Sie haben es angedeutet: In Zypern halten sich besonders viele reiche Russen auf. Zahlen die Krankenschwestern der Euro-Länder mit ihren Steuergeldern für die Jachten russischer Oligarchen?

    Ferber: Das ist jetzt etwas überspitzt formuliert, aber man kann es am Ende so runterbrechen. Deswegen geht es auch darum, dass die Anleger, die ja ein besonderes Interesse an den zypriotischen Banken ja hatten und haben, auch einen Beitrag dazu leisten. Ich sage das in aller Deutlichkeit: Da geht es nicht um den kleinen Sparer, sondern da geht es um die, die große Beträge angelegt haben, die also ein Interesse an den Banken dort in Zypern haben, und die sollten sich dann auch an der Sanierung des Bankenplatzes Zypern mit beteiligen.

    Heinemann: Konkret noch mal genau wie?

    Ferber: Das heißt ganz konkret: der technische Begriff nennt sich Buy In Verfahren. Das ist eine Beteiligung von Kapital, das in Banken vorhanden ist, wo auch Großanleger in die Bankenrettung mit einbezogen werden, indem sie entsprechende Sicherheiten aus ihrem angelegten Kapital für die Bank abgeben.

    Heinemann: Es geht, wenn ich es richtig verstanden habe, einmal mehr um Bankenrettung. Das heißt, die Menschen auf Zypern sehen von dem Geld keinen Cent?

    Ferber: Es geht um Bankenrettung, wenn man es am Ende durchdekliniert. Das heißt, der Bankenrettungsschirm, den die Zyprioten auch aufgespannt haben, genauso wie wir Deutsche, bräuchte jetzt noch mal zusätzliches Geld. Am Anfang waren es 17 Milliarden, jetzt sind zehn Milliarden im Gespräch. Sie haben es ja schon gesagt, Herr Heinemann. Und das müsste vom Staat zugeschossen werden. Der Staat kann sich das Geld aber nicht mehr leihen. Sie müssen ja wissen, dass die wirtschaftliche Leistungskraft Zyperns in einem Jahr 17 Milliarden Euro ist. Das wäre also eine Neuverschuldung um 100 Prozent. Das können sie auf den Kapitalmärkten nicht mehr aufnehmen und deswegen erbeten sie die Solidarität der Europäer. Und Solidarität darf keine Einbahnstraße sein, man muss auch seinen eigenen Beitrag dazu leisten, dass man die Solidarität der anderen verdient hat.

    Heinemann: Der CSU-Europapolitiker Markus Ferber. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören!

    Ferber: Gerne, Herr Heinemann.


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