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Waffenrecht wird nicht vehement genug umgesetzt

Wenn Gesetzesberatung unter dem Eindruck eines so tragischen Ereignisses wie dem in Winnenden erfolgt, führt das immer zu Hektik und relativen Schnellschüssen, meint der SPD-Politiker Fritz Rudolf Körper. Er hätte sich eine noch deutlichere Verschärfung des Waffenrechts bei den großkalibrigen Waffen gewünscht.

Fritz Rudolf Körper im Gespräch mit Silvia Engels | 11.03.2010
    Silvia Engels: Im baden-württembergischen Winnenden wird heute Bundespräsident Horst Köhler zu einer Gedenkstunde erwartet. Gemeinsam mit Angehörigen will er an die Opfer des Amoklaufs an der Realschule des Ortes genau heute vor einem Jahr erinnern. Ein 17-Jähriger hatte damals eine Waffe seines Vaters entwendet, 15 Menschen und sich selbst erschossen.
    Am Dienstag hatte ein Sonderausschuss im baden-württembergischen Landtag empfohlen, als eine Lehre nach den Schüssen von Winnenden deutlich mehr Stellen für Beratungslehrer und Schulpsychologen zu schaffen. Als weitere Folge wird nach wie vor über das Waffenrecht gestritten. Die Rechtsprofessorin und Kriminologin Professor Britta Bannenberg hat nach der Bluttat an der Schule von Winnenden ein Buch über die Ursachen von Amokläufen geschrieben. Im "Wochenendjournal" des Deutschlandfunks am vergangenen Samstag sagte sie:

    O-Ton Britta Bannenberg: Es kommt schon darauf an, dass die Gesellschaft begreift, dass die Verfügbarkeit von Schusswaffen, Schusswaffen in falscher Hand ein enormer Risikofaktor für diese Taten, aber auch für Familienauslöschungen etwa darstellt, auch für Suizide, die begangen werden. Wenn sehr emotional argumentiert wird, insbesondere von Schützen, oder auch manchmal von Jägern, obwohl auch diese natürlich Kinder und Enkel haben, in deren Gehirne sie nicht immer genau hineinschauen können, dann wird das Potenzial deutlich. Es sind mehrere Millionen Waffenbesitzer in Deutschland als legale Waffenbesitzer registriert mit einer Vielzahl von Schusswaffen und die Sicherung dieser Waffen, aber auch die Einschränkung der Waffen im Privatbesitz ist schon ein wichtiges Ziel, um einen präventiven Faktor in diesem ganzen Komplex zu setzen. Das heißt nicht, dass jede Tat verhindert würde, wenn wir schärfere Waffengesetze haben, aber es wird in jedem Fall erschwert.

    Engels: Die Kriminologin Britta Bannenberg. – Nach Winnenden hatte die damals regierende Große Koalition Veränderungen im Waffenrecht beschlossen. Unter anderem wurde die Altersgrenze für das Schießen mit großkalibrigen Waffen auf 18 Jahre angehoben. Zudem sollte die Voraussetzung für den Besitz von Waffen häufiger geprüft werden. – Für die SPD-Fraktion hat damals in der Großen Koalition Fritz Rudolf Körper verhandelt. Er ist nun am Telefon. Guten Morgen, Herr Körper.

    Fritz Rudolf Körper: Guten Morgen!

    Engels: Ihr früherer Verhandlungspartner, der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach, spricht von einem Sicherheitsgewinn durch die Änderung des Waffengesetzes. Sie auch?

    Körper: Das muss man mal zuerst in Frage stellen, denn der Unterschied ist: Das was wir auf dem Papier beschlossen haben an Veränderungen – Sie haben einen Teil erwähnt, einen anderen Teil muss man noch erwähnen -, da stellt sich die Frage, ob das in der Tat auch im Vollzug sich so darstellt, dass es wirkt. Wir wissen beispielsweise, dass das bundesweite Waffenzentralregister und dessen tatsächliche Einführung doch noch etwas hakt. Es ist nicht so, dass man den Eindruck hat, dass das beispielsweise mit Vehemenz hier umgesetzt wird. – Oder bei der Frage: Die Behörden, die Waffenbehörden dürfen ja jetzt unangemeldet im Grunde genommen die sichere Aufbewahrung der Waffen überprüfen. Mein Kenntnisstand ist nach wie vor der, dass es da eine erhebliche Personallücke bei den Waffenbehörden gibt, die im Grunde genommen die praktische Umsetzung doch sehr erschweren.

    Engels: Das ist das, was auch die Polizei bemängelt. Darüber hinaus ist aber auch das Gesetz vielleicht zu schwach, denn der Waffenbesitzer kann nicht dazu gezwungen werden, seinen Waffenschrank herzuzeigen, und außerdem bemängelt der Bund Deutscher Kriminalbeamter heute, dass Stichproben in Baden-Württemberg ergeben hätten, dass mehr als die Hälfte der Waffenbesitzer ihre Pistolen und Munition nicht wie vorgeschrieben unter Verschluss hätten.

    Körper: Das ist ja der entscheidende Punkt, was die Frage der sicheren Aufbewahrung anbelangt, dem wir uns ja auch zugewendet haben. Es sind ja Maßnahmen getroffen worden, beispielsweise eine habe ich hier genannt. Da ist es wichtig, dass die eine richtige Umsetzung findet, dass also es keine Personallücken, es keinen Personalmangel gibt. Ich kann die Zahl aus Baden-Württemberg jetzt nicht bestätigen, was diese Untersuchungen anbelangt. Wenn das aber tatsächlich so ist, ist das ein Fakt, dem dann verstärkt nachgegangen werden muss, denn es ist richtig: Schusswaffen dürfen auf keinen Fall in falsche Hände kommen, und da ist diese Maßnahme eine dringend notwendige.

    Engels: Die Angehörigen der Opfer von Winnenden beklagen bis heute, dass das ursprünglich geplante Verbot von großkalibrigen Waffen für Privatmenschen und Schützenvereine damals nicht umgesetzt wurde. Warum kam das nicht?

    Körper: Dafür gab es schlichtweg keine politische Mehrheit. Sie wissen, dass wir, wir, die SPD-Bundestagsfraktion, das auf unserem Forderungskatalog hatten, was das Thema großkalibrige Waffen anbelangt. Aber da musste man sich den Mehrheiten beugen.

    Engels: 2,5 Millionen Mitglieder gibt es in Schützen- und Jagdvereinen. War also der Druck der Lobby zu stark?

    Körper: Das kann ich so nicht sagen. Jedenfalls gab es keine Mehrheit dafür im Bundesrat und im Bundestag.

    Engels: Hat man denn da Ihrer Ansicht nach eine Chance verpasst?

    Körper: Wir haben ja das Alter herabgesetzt und ich bin der Auffassung, wir hätten da stärker darüber nachdenken müssen, was das Thema großkalibrige Waffen anbelangt. Das ist aber in dieser doch etwas hektischen Situation nicht so erfolgt, dass es zu einem Verbot geführt hat.

    Engels: Wie haben Sie denn damals die Verhandlungssituation erlebt? Es gab ja danach Berichte, dass in der Tat die Lobby der Schützen- und Jagdvereine sehr stark involviert war.

    Körper: Ich habe schon längere Jahre das Thema Waffenrechte verhandelt. Wir hatten ja auch mal einen Amoklauf in Erfurt, wo wir zum ersten Mal grundsätzlich das Waffenrecht novelliert haben. Es ist immer eine schwierige Situation, wenn Gesetzesberatung unter dem Eindruck eines so tragischen Ereignisses erfolgt, wie dies in Winnenden war. Das führt immer zu Hektik und auch, ich sage jetzt mal, zu relativen Schnellschüssen. Das ist unvermeidlich. Allerdings: Die Waffenlobby hat natürlich versucht, wie immer, wie auch bei anderen Beratungsgängen zum Waffenrecht, Einfluss zu nehmen, und dies zum Teil auch in recht massiver Art.

    Engels: Warum brauchen denn Schützen Waffen, die zum Teil mehr Durchschlagskraft haben als Polizeiwaffen?

    Körper: Sie wissen, es gibt den Schießsport, es gibt auch bestimmte Regelungen, wie viele Waffen ein Schütze haben darf. Die Frage, warum er eine Waffe mit mehr Durchschlagskraft braucht wie eine Polizeiwaffe, diese Frage kann ich Ihnen nicht beantworten. Da, würde ich aus meiner Sicht sagen, wäre das nicht dringend geboten und würde den Schießsport aber auch nicht in Frage stellen.

    Engels: Als eine weitere Regelung der damaligen Verschärfung des Waffenrechtes gab es ja eine Amnestie für diejenigen, die illegale Waffen abliefern. Damals gingen in der Tat viele Waffen zurück. Ist das denn ein echter Erfolg, oder nur ein Tropfen auf den heißen Stein, der zeigt, wie viele auch illegale Waffen in deutschen Häusern liegen?

    Körper: Dazu kann ich zwei Dinge sagen. Einmal schätzt das Bundesinnenministerium, dass bundesweit rund 200.000 Waffen abgegeben worden sind. Ob diese Zahl der Realität entspricht, kann ich im Moment nicht nachvollziehen. Allerdings habe ich ein paar ganz konkrete Zahlen für das Land Rheinland-Pfalz. Da ist im Jahre 2009 der Sachverhalt so, dass 8238 Waffen abgegeben worden sind, 2475 illegale und 5763 legale. Davon Gebrauch gemacht haben 1443 Personen im Lande Rheinland-Pfalz. Das konnte ich auf die Schnelle recherchieren und da zeigt es: Es ist Gebrauch gemacht worden. Die Frage stellt sich für mich, ob man dieses Angebot dieser Amnestieregel nicht noch mal wiederholen sollte.

    Engels: Herr Körper, heute vor einem Jahr geschah der Amoklauf von Winnenden. Haben Sie alles Menschenmögliche im Waffenbereich getan, um eine Wiederholung zu verhindern?

    Körper: Wir haben uns Mühe gegeben, wir haben alles versucht, was möglich ist. Man hat auch immer die Grenze der politischen Mehrheit. Ich habe Ihnen ja dargestellt, das eine oder andere hätten wir gerne noch zusätzlich gemacht, unterlag aber wie gesagt der Grenze der politischen Mehrheit. Einen solchen Vorfall kann man nie ganz ausschließen, aber wir haben schon ein sehr strenges Waffenrecht und ich würde mir wünschen, dass insbesondere dort, wo der Vollzug Lücken aufweist in der Umsetzung, dass das möglichst schnell geschlossen wird, und dass insbesondere auch darüber hinaus nachgedacht wird und entschieden wird, was man tun kann, um solche Vorfälle zu vermeiden. Ich weiß beispielsweise, dass die Polizei sich sehr stark intensiv auch in ihrer Ausbildung mit dem Thema Amoklagen beschäftigt. Das ist beispielsweise auch ein ganz wichtiger Punkt.

    Engels: Ein wichtiger Punkt. – Vielen Dank, Herr Körper. Die SPD-Fraktion, für die Sie damals verhandelten für die Verschärfung des Waffenrechtes. Ich danke für das Gespräch, Fritz Rudolf Körper von der SPD-Fraktion.