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Wagner feiern ohne Heiterkeit

In der Akademie der Künste in Berlin präsentiert die Ausstellung "Wagner 2013. Künstlerpositionen" ein Panorama persönlicher Lesarten des Werks von Richard Wagner. Vertreten sind Künstler wie Anna Viebrock, Achim Freyer und Hans Neuenfels.

Von Uwe Friedrich | 07.12.2012
    Nur ein kleiner Sehschlitz gibt den Blick frei auf die Rauminstallation von Christian Boltanski. Kunstvoll vernebelte Stuhlreihen eines Konzertsaals sind von Spinnweben überzogen, irgendjemand hat wohl den aufgeklappten Konzertflügel vergessen, wie eine ferne Erinnerung erklingt dazu Richard Wagners As-Dur-Elegie.

    "The Day After" heißt das abschließende Kunstwerk in der Wagner-Ausstellung der Berliner Akademie der Künste am Hanseatenweg. Ein ruhiger, ein bruchstückhafter Wagner. Das genaue Gegenteil des Jubiläumsrauschs, der nun beginnt, und in dem die Akademie schon mal mächtig mitrauscht.

    Kritisch natürlich und reflektiert, fragmentiert und wieder übereinander geschichtet, wie es sich gehört für unsere Künstlerelite von der Sektion Darstellende Kunst. Anna Viebrock hat ihr Bayreuther "Tristan"-Bühnenbild wiederverwertet, Achim Freyer warf ein paar Stühle und Videomonitore um, auf denen Bilder seiner Nibelungen-Ring-Inszenierung aus Los Angeles flimmern, die Künstlergruppe "Hold Your Horses" verlegte auf großformatigen Fotos die Rheintöchter ins Berliner Olympiabad sowie Siegfried und Brünnhilde in den Friedrichshainer Märchenbrunnen.

    Egal ob Bilder von Kunstmarkt-Darling Jonathan Meese, dessen "Parsifal"-Inszenierung in Bayreuth für 2016 ansteht, oder Bühnenbildmodelle von Sebastian Baumgartens aktuell bei den Festspielen gefloppter "Tannhäuser"-Interpretation, alles kommt mit heiligem Ernst daher. Keine Spur von Ironie, keine Heiterkeit in der Auseinandersetzung mit dem großen Mythenerfinder und Überwältigungskünstler Wagner.

    Außer natürlich beim unvergleichlichen Hans Neuenfels, dessen niedliche "Lohengrin"-Ratten prominent vertreten sind. Zur Ausstellungseröffnung las er aus seiner hinreißenden, 30 Jahre alten Fantasmagorie "Wagner in Altaussee".

    "Das Altausseer Festival versucht, Wagners unerhörte Geschichten reich und direkt zu erzählen, eingedenk aller Missverständnisse und alles der Durchsichtigkeit dienendem Lächerlichen. Denn wie wunderbar komisch, frech, aufmüpfig, provozierend großkotzig sind dieser Wagner und seine Musik. Wie clever und geschmacklos. Wir sind wohl alle einer Meinung, wenn ich formuliere, dass es keinem Komponisten je gelang, dem Geschmacklosen eine so gültige Form zu geben."

    Unter dem Motto "Wagner feiern?" zauste dann auch Nike Wagner heftig die Vermarkter ihres Urältervaters.

    "Es gibt Wagner anekdotisch, Wagner nach Stichworten, Wagner-Faksimiles, Wagner-Handbücher und Wagner-Lexika. Es spricht und plappert und rauscht. Das Wagner Unser erklingt in allen Varianten, auf allen Ebenen. Als hätten Nietzsche, Thomas Mann, Ernst Bloch, Carl Dahlhaus und einige andere umsonst gelebt."

    Die Tochter des Bayreuth-Erneuerers Wieland Wagner plädierte schließlich für einen freien Umgang mit dem Gesamtkunstwerk.

    "Mythen funktionieren wie die Stille Post. Was wir von Wagner gesagt bekamen, sagen wir weiter. Am Ende, bei der jeweils neuen Theaterarbeit, kommt etwas ganz anderes dabei heraus."

    Hoffentlich findet diese Auseinandersetzung mit dem Gesamtkunstwerker Wagner dann im umfangreichen Rahmenprogramm mit Podiumsdiskussionen und öffentlichen Opernproben statt. Die eigentliche Ausstellung im Hanseatenweg ist nämlich vor allem dekorativ. Da wird installiert, was die Versatzstücke hergeben, das flimmert und schwirrt und webt und wabert wie einst in Mimes Waldhütte.

    Website zur Ausstellung "Wagner 2013. Künstlerpositionen"