Dienstag, 19. März 2024

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Wagners Walküre in Budapest
Klangrausch und Sterngefunkel

Musikalisch eine wahre Wucht - und auch bildlich ein Erlebnis: Regisseur und Videokünstler Géza M. Tóth lässt die "Walküre" an der Staatsoper Budapest kräftig leuchten, flimmern und flackern. Und Dirigent Péter Halász sorgt dafür, dass jedes Detail der Partitur sitzt.

Von Jörn Florian Fuchs | 05.03.2016
    Szenenbild: "Die Walküre" an der Budapester Staatsoper in der Regie von Géza M. Tóth; 4. März 2016
    Szenenbild: "Die Walküre" an der Budapester Staatsoper in der Regie von Géza M. Tóth (Zsófia Pályi)
    Was gleißt dort hell im Glimmerschein? Siegmunds berühmte Frage wird im Stück mit den Worten "Nothung, das Schwert" beantwortet. In der Budapester Inszenierung lautet die korrekte Antwort jedoch: alles und jedes.
    Regisseur und Videokünstler Géza M. Tóth lässt nach dem letztjährigen Rheingold auch die Walküre kräftig leuchten, flimmern, flackern. Wenn Obergott Wotan trübe Gedanken plagen, ziehen Hochhausfassaden, Straßenschluchten oder Namen einschlägiger Firmen vorbei, zu den romantischen Momenten gibt es ein wahres Feuerwerk von Sternen. An anderer Stelle wird das Modell einer monogamen Beziehung, wie sie Siegmund und Sieglinde zweifellos planen, durch hartnäckige Projektionen von girls, girls, girls-Schriftzügen konterkariert.
    Gesamtkunstwerk mit Videos und Gazevorhängen
    Etwas platter als im Rheingold ist das Videoambiente diesmal, doch nach wie vor funktioniert die Kombination aus klarer Personenführung und sanft mäandernden Bildwelten. Zeitweise sorgen gleich mehrere Gazevorhänge für stupende mehrdimensionale Effekte. Géza M. Tóths Grundidee ist, dem Gesamtkunstwerk Richard Wagners etwas technisch sehr Elaboriertes gegenüberzustellen:
    "Ich wollte soviel visuelle Elemente wie möglich einsetzen, um den Reichtum von Wagners Ideen zu zeigen. Und ich denke, wir haben etwas manchmal auch recht Merkwürdiges, insgesamt aber sehr Eigenständiges geschaffen."
    Nur einmal bricht der Videostrom ab, beim Tod Siegmunds. Der böse Hunding macht ihm gemeinsam mit Wotan den Garaus. Nach der Bluttat muss auch Hunding dran glauben – eigentlich. Doch die Macht Wotans ist da bereits beschnitten, auf das Tod bringende Wort "Geh!" macht sich der düstere Geselle lächelnd vom Acker, Wotan bleibt verzweifelt zurück.
    Gespannt folgt man dem Niedergang des macht- und selbstverliebten Gottes, der auch Vertreter eines aufgeheizten Neoliberalismus sein könnte, was die Regie recht zaghaft andeutet. Zentraler ist für Géza M. Tóth die Grundidee Wagners für seinen gesamten Ring:
    "Die Frage ist, ob Wotan, der das ganze System geschaffen hat und seine von ihm selbst aufgestellten Regeln verletzt, scheitert."
    Tolle, Wagner-affine Stimmen
    Tomasz Konieczny mimt diesen tragischen Herrscher würdevoll gebrochen, mit hoher Präsenz.
    Auch Wotans Mitstreiter überzeugen. Es ist ganz erstaunlich, welche tollen, Wagner-affinen Stimmen die Budapester Staatsoper im Repertoire hat. Lediglich Linda Watsons Brünnhilde enttäuscht durch schrilles Timbre und mangelnde Textverständlichkeit. Eine Klasse für sich ist, trotz leichtem Näseln, István Kovácsházi als Siegmund.
    Die langen und zahlreichen Rückblenden werden in Budapest vertanzt, Marianna Venekei choreographiert auf der Schnittstelle von traditioneller Formsprache und modernen Stilen wie Hip-Hop. Seltsam wirkt das nur beim Finale, als ein Rudel dünn bekleideter Jungs um Wotan herumwuselt und sich dann in einen Abgrund vor Brünnhildes Flammenfelsen stürzt.
    Wagner-Puristen dürften freilich an dieser bildgewaltigen Aufführung keine ungetrübte Freude finden. Und auch die Kostüme sind wie schon beim Rheingold wieder sehr bunt – eine Art Hippie-Science-Fiction-Couture sieht man da.
    Am Pult des Opernorchesters sorgt Péter Halász für einen vielschichtigen, farbig aufgefächerten Klang. Jedes Detail der Partitur sitzt, an ein paar Stellen wird auch mal bewusst spröde musiziert. Szenisch bleibt das Ganze letztlich ein bisschen zu dekorativ, musikalisch ist diese Walküre jedoch eine Wucht.