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Wahl in Berlin
Die AfD und ihre liebe Not mit dem Personal

Bei der Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus holten fünf AfD-Kandidaten ein Direktmandat, darunter Kay Nerstheimer im Wahlkreis Lichtenberg 1. Für den als gemäßigt auftretenden AfD-Landesverband ist das ein Problem: Nerstheimer hat eine rechte Vergangenheit - seine heutige Haltung dazu ist unklar.

Von Michael Borgers | 19.09.2016
    "Mut zu Deutschland" forderte die AfD auf ihren Wahlplakaten in Berlin.
    "Mut zu Deutschland" forderte die AfD auf ihren Wahlplakaten in Berlin. (picture alliance / dpa / Michael Kappeler)
    Wer den Namen Kay Nerstheimer in Internetsuchmaschinen eingibt, findet wenig Persönliches. Überwiegend Presseartikel der vergangenen Monate über die Vergangenheit des AfD-Politikers: Berichte über Nerstheimers Mitgliedschaft in der von Experten als rechtsextremistisch eingestuften Gruppe "German Defence League" (GDL).
    Die AfD bestätigt bestätigt gegenüber dem Deutschlandfunk: Nerstheimer habe bis 2012 der GDL angehört. Doch da die Beobachtung durch den Bremer Verfassungsschutz erst später begonnen habe, betont Ronald Gläser, Sprecher des Berliner Landesverbandes der Partei, sei ein Parteiausschlussverfahren nicht gerechtfertigt. "Wo ist der Schaden, der angerichtet wurde?", fragt Gläser - kündigt aber im nächsten Satz an, man werde in den "kommenden 48 Stunden" über Nerstheimer beraten.
    2014 taucht die Germand Defence League, deren Symbol eine abgewandelte Form der auch von "Pegida" eingesetzten Wirmer-Flagge ist, im Bericht des Bremer Verfassungsschutzes auf. In dem Papier heißt es, die Bekräftigung der GDL, "sich bei Angriffen von politischen Gegnern körperlich zur Wehr zu setzen, steht im Widerspruch zur betonten rechtsstaatlichen Ausrichtung und dem ausschließlich beim Staat liegenden Gewaltmonopol".
    Die GDL selbst bestreitet eine Mitgliedschaft Kay Nerstheimers:
    Die GDL entsteht 2010 aus der englischen Organisation Defence League - einer "rassistischen" und "rechtsextremistischen" Organisation, wie der Düsseldorfer Rechtsextremismusforscher Alexander Häusler dem Deutschlandfunk sagte. Der deutsche Ableger arbeite eng mit Gruppierungen wie den "Hoologans gegen Salafisten" (HoGeSA) zusammen. Und auch einige AfD-Mitglieder "tummelten" sich im GDL-Umfeld, betont Häusler. Mitgliedschaften zu belegen, sei allerdings schwierig, wegen der "informellen Strukturen der Organisation".
    Und Nerstheimer selbst? Es gibt ein Facebook-Profil unter seinem Namen. Ob er dieses tatsächlich verantwortet, ist allerdings unklar. Es besteht jedenfalls seit 2012 und dort findet sich ein "Gefällt mir" im selben Jahr für GDL - und im islamfeindlichen Blog blu-News ein Eintrag unter Nerstheimers Namen, in dem der Autor erklärt, man befinde sich seit 9/11 im Krieg und die GDL werde als Miliz aufgebaut, um allen "islamkritischen Parteien zur Seite zu stehen".
    Auch andere - zumeist geteilte - Inhalte Nerstheimers geben Aufschluss über die Einstellungen des 1964 geborenen Neupolitikers, der dem "Tagesspiegel" zufolge bislang als Sicherheitskraft arbeitete: Wie das Video, das den ehemaligen Generalmajor der Bundeswehr Gerd Schultze-Rhondorf bei einer Rede zeigt, in der dieser über die mutmaßlich wahren Ursachen des Zweiten Weltkrieges spricht. Oder ein Video des "Bündnis deutscher Patrioten"; eine Gruppe, die auf Facebook gegen Flüchtlinge hetzt und Rechtsnationales postet.
    Partei-Ausschlussverfahren
    Gegen einen weiteren, bereits im Vorfeld der Berliner Wahlen umstrittenen Lichtenfelder Bezirkskandidaten hat die AfD ein Ausschlussverfahren begonnen: Heribert Eisenhardt stand als Redner bei "Bärgida"-Demonstrationen auf der Bühne und soll laut RBB an rechten Demonstrationen unter anderem in Marzahn teilgenommen haben.
    Die Berliner AfD präsentierte sich im Wahlkampf betont gemäßigt. So distanzierte sich Spitzenkandidat Georg Pazderski in der Debatte um den Begriff "völkisch" von der Bundesvorsitzenden Frauke Petry, die sich eine positivere Deutung der Formulierung gewünscht hatte.