Donnerstag, 28. März 2024

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Wahl in Großbritannien
Vieles hängt von den Jungen ab

In Großbritannien haben mehr als 40.000 Wahllokale geöffnet, fast ein Jahr nach dem Brexit-Refendum wählen die Briten vorzeitig ein neues Parlament. Nach den letzten Umfragen wird es knapp im Rennen zwischen Theresa Mays konservativen Tories und der Labour-Partei. Wenn viele junge Menschen zur Wahl gingen, wäre das gut für Labour, meinen Experten.

Von Friedbert Meurer | 08.06.2017
    Eine Frau betritt ein Wahllokal in London. An der Seite hängt ein Schild mit der Aufschrift "Polling Station".
    Viel hängt von der Wahlbeteiligung der Jungen ab, sagen Experten. (AFP / Justin Tallis)
    Schon wieder ein Wahltag in Großbritannien. Erst vor zwei Jahren wählten die Briten ein neues Unterhaus, ein Jahr später wurden sie dann zum Volksentscheid über die Mitgliedschaft in der EU aufgerufen. Die Liberaldemokraten, eine der kleineren Parteien, fordern jetzt sogar noch einen zusätzlichen Wahlgang: Ein zweites Referendum über den Brexit, wenn die Verhandlungen mit der EU abgeschlossen sind.
    "Ich bin schon etwas müde von all den Referenden, die Entscheidung ist gefallen."
    "Nein, eine zweite Abstimmung ergibt für viele Leute Sinn."
    Das Thema EU bewegte nicht alle im Wahlkampf
    Ausgelöst wurde die heutige Wahl durch die Entscheidung von Premierministerin Theresa May vorgezogenen Neuwahlen zu beantragen. Dabei hatte May Neuwahlen eigentlich lange Zeit ausgeschlossen.
    "Das stimmt, ich wollte erst eine Periode der Stabilisierung, nachdem ich Premierministerin geworden war. Aber dann wurde mir klar, als wir den Antrag auf Austritt aus der EU stellten: Andere Parteien wollen den Brexit-Zug aufhalten und damit den Willen des Volkes vom Tag des Referendums aushebeln."
    Viele Beobachter glauben, dass diese Begründung vorgeschoben war: Labour hat in beiden Kammern allen Gesetzen zum Brexit zugestimmt. May wolle in Wahrheit ihre Mehrheit im Parlament ausbauen, um nicht von den Hardlinern in ihrer eigenen Fraktion abhängig zu sein. Jeremy Corbyn von Labour wirbt nämlich auch dafür, das Ergebnis des EU-Referendums zu respektieren.
    "Es gab ein Referendum und eine Entscheidung: Wir verlassen die Europäische Union. Wir wollen aber die Rechte der EU-Bürger sofort schon garantieren. Wir wollen auch einen garantierten Zugang zum EU-Binnenmarkt erreichen, das ist entscheidend für unsere Industrie."
    Harter Brexit oder weicher Brexit – im Wahlkampf zeigte sich, dass das Thema EU nicht alleine die Bürgerinnen und Bürger bewegt. Sozialthemen drängten sich in den Vordergrund. Theresa May wirkte hier unvorbereitet. Hastig schlug sie vor, die Pflege ältere Menschen dadurch zu finanzieren, dass auch ihr Haus für die Kosten der Pflege angerechnet wird – bis auf 100.000 Pfund. Ein Aufschrei folgte und ein Rückzieher der Premierministerin. Der Vorfall hat ihre Glaubwürdigkeit und ihren Ruf, sicher das Land durch schwierige Zeiten zu führen, beschädigt.
    Wie sich der Terror auf das Wahlergebnis auswirkt, ist offen
    Dann kam ein drittes Thema hinzu: der islamistische Terror. Drei Anschläge binnen drei Monaten haben das Land erschüttert – und die Parteien heftig gegeneinander in Stellung gebracht. Kurz vor der Wahl gab es ein Wortgefecht zwischen zwei Londoner Unterhaus-Kandidaten, der Tory-Kandidat schimpfte, Corbyn sei doch selbst ein Extremist.
    "Wie können Sie es wagen? Hören Sie auf damit!" Wie sich der Terror wirklich auf das Wahlergebnis auswirkt, ist offen. Theresa May musste sich Vorwürfe anhören lassen, in ihrer Zeit als Innenministerin seien 20.000 Polizeibeamte eingespart worden.
    Die Umfragen lagen 2015 komplett daneben, Sie sahen ein Patt voraus, die Konservativen holten aber die absolute Mehrheit. Jetzt sehen letzte Umfragen die Konservativen mit sechs Prozent vorne, auch weil viele Wähler der Anti-EU-Partei UKIP wohl Theresa May wählen werden.
    Aber einige Meinungsinstitute weichen erheblich ab: Die Tories würden ihre absolute Mehrheit verlieren. Viel hängt von der Wahlbeteiligung der Jungen ab, sagen Experten. Wenn sie in Scharen wählen gehen, wäre das gut für Labour. Aber beim EU-Referendum lag die Wahlbeteiligung der Jungwähler, die überwiegend Pro-EU waren, deutlich hinter dem allgemeinen Durchschnitt zurück.