Samstag, 20. April 2024

Wahlen in den Niederlanden
Geert Wilders – Europas nächster rechtspopulistischer Regierungschef?

Am 15. März wird in den Niederlanden ein neues Parlament gewählt. Rechtspopulist Geert Wilders liegt in den Umfragen mit 20 Prozent klar vorne und könnte mit seiner Partei PVV stärkste Kraft im Land werden. Politikwissenschaftler und Wilders-Experte Koen Vossen über die politische Stimmung in den Niederlanden und die Strategie Wilders.

dbate-Video | 13.03.2017
    Der PVV-Politiker Geert Wilders EPA/MARTIJN BEEKMAN |
    Der PVV-Politiker Geert Wilders (picture-alliance / dpa / ANP/ Martijn Beekman)
    Geert Wilders und seine Ein-Mann-Partei PVV könnten bei den anstehenden Wahlen stärkste Kraft werden. Trotzdem wird "Wilders kein Premier, weil eigentlich keine andere Partei mit ihm zusammen arbeiten will", so der Politikwissenschaftler Koen Vossen. Ein Problem für die PVV. Die rechtsliberale Partei VVD von Regierungschef Mark Rutte bleibt wohl zweistärkste Kraft. Aber eine Partei, die gegen die PVV regieren will, braucht mindestens drei weitere Koalitionspartner für eine Mehrheit im Parlament. Holland erwartet somit ein zersplittertes Parlament. Dabei verfolgt der Spitzenkandidat der VVD, Mark Rutte, eine Doppelstrategie: Einerseits lehnt er die Koalition mit der PVV ab, andererseits radikalisiert er sich in seinen Aussagen um PVV-Wähler für sich zu gewinnen. Politikwissenschaftler Koen Vossen stellt fest: "Er versucht natürlich, PVV-Wähler zurückzugewinnen und dafür benutzt er eine Sprache, die für PVV-Wähler attraktiv ist. Und die wichtigsten Themen für PVV-Wähler sind Immigration, Integration und die holländische Identität."
    Das Parteiprogramm von Geert Wilders lässt sich auf einer DIN A4-Seite zusammenfassen: Schließung aller Moscheen im Land, Grenzen dichtmachen, Ausstieg aus der EU. Aber auch: Senkung der Mieten und der Einkommenssteuer, Rente mit 65. Populistische Forderungen, die beim Volk ankommen. "Man sieht eigentlich in Holland wie in ganz Europa und auch den Vereinigten Staaten, dass es Wähler gibt, die unzufrieden sind mit der Elite und der Politik", so Vossen. Zu Wilders Wählern gehören "niedrig gebildete Leute – universitätsgebildete Leute sind unterrepräsentiert. Ein bisschen mehr Männer als Frauen." Eine Gemengelage, die auch zum Brexit und zur Wahl von Donald Trump führte.
    Für Geert Wilders befindet sich Europa in einem "Eroberungskrieg durch den Islam". Mit diesem Schreckensszenario hetzt er gegen die muslimische Bevölkerung im Land. "Für ihn ist der Islam zu einem Regenschirmbegriff geworden, womit er viele verschiedene Probleme erklären kann", so Vossen. Islamhass als Schablone – Common Sense bei Europas Rechtspopulisten?
    Noch bei der Europawahl 2014 agierten die rechtspopulistischen Parteien Europas recht isoliert. Nun suchen Sie den Schulterschluss, zuletzt bei einer Veranstaltung in Koblenz, zu der die rechte Fraktion "Europa der Nationen und der Freiheit" (ENF) im Europaparlament geladen hat. "Es gibt eine sehr mächtige politische Familie mit Wilders, mit Le Pen, mit der FPÖ, mit der Alternative für Deutschland", so Vossen. Ihr gemeinsames Ziel: Den Islam aus Europa verbannen und den Austritt aus der EU forcieren. Und Wilders hat noch einen Bruder im Geiste – Donald Trump. Der Wahlsieg des Republikaners wurde von Geert Wilders gefeiert. Auf Twitter fordert er selbst als Reaktion #MakeTheNetherlandsGreatAgain.
    Bis zu den Wahlen am 15. März bleibt es spannend. 80 Prozent der Niederländer gelten als Wechselwähler.

    Das Interview in voller Länge:
    Herr Vossen, am 15.März wird ja in den Niederlanden gewählt und Geert Wilders mit seiner PVV liegt ja gerade in den Umfragen mit 20 Prozent vorne. Werden die Niederlande das erste Land Europas mit einem Rechtspopulisten an der Spitze?
    Geert Wilders, der erste rechtspopulistische Regierungschef Westeuropas
    Vossen: Nein, das glaube ich nicht. Wilders wird kein Premier, weil eigentlich keine andere Partei mit ihm zusammen arbeiten will und in Holland braucht man immer eine Koalition, denn mit 20 Prozent braucht er noch 31 Prozent mindestens und es gibt keine Partei, die mit ihm zusammen arbeiten will, also es gibt fast keine Chance.
    Wilders und seine PVV haben ein Problem: Niemand will mit ihnen koalieren. Die VVD würde ja am besten dazu passen, rechtsliberale Partei mit dem Regierungschef Mark Rutte, die haben aber auch eine Koalition auch strikt abgelehnt. Wie gefährlich wäre eine Koalition mit der PVV, was würde das bedeuten?
    Vossen: Das ist schwer zu sagen. Wir haben schon eine Minderheitskoalition gehabt, die unterstützt wurde von der PVV und die PVV hat damals auch Einfluss gehabt und das Gefährliche… Es war damals strikter mit Immigration und so, aber jetzt hat die PVV ziemlich extreme Maßnahmen befürwortet, die PVV. Das wird für den Rechtstaat natürlich problematisch sein wird. Zum Beispiel die Freiheit von Religion. Die PVV ist gegen islamische Schulen und will auch keine Moscheen aufschließen. Das sind alles Sachen, die gegen die Freiheit von Religion gehen.
    Der Spitzenkandidat der VVD, Mark Rutte, der fährt ja so eine Art Doppelstrategie. Einerseits sagt er, wir lehnen eine Koalition mit der PVV ganz strikt ab, andererseits wird er in seinen Aussagen ja auch immer radikaler. Vermutlich , um Wähler der PVV zu gewinnen. Kann er damit gewinnen?
    Wieso radikalisiert sich die VVD?
    Vossen: ! Er versucht natürlich, PVV-Wähler zurückzugewinnen und dafür benutzt er eine Sprache/einen Stil, wie für PVV-Wähler attraktiv ist. Und die wichtigsten Themen für PVV-Wähler sind Immigration und Integration und die holländische Identität. Man kann nicht wirklich sagen, Rutte hätte die gleiche Sprache und gleichen Themen wie Wilders, aber er geht ein bisschen in dessen Richtung. Schon ein bisschen Richtung Wilders kann man schon sagen, aber nicht so weit.
    Welche Strategie verfolgt Rutte?
    Vossen: Die Strategie von Mark Rutte ist eigentlich, ein Signal zu geben an die PVV-Wähler: Es hat keinen Zweck, für die PVV zu stimmen, denn die kommen doch nicht in die Koalition. Also die bekommen doch keinen Einfluss. Dann kann man besser VVD wählen, denn er hat auch gesagt: Ich schließe Wilders aus, aber ich schließe nicht seine Wähler aus. Ich versuche, seine Wähler zu verstehen und ich versuche auch die Themen, die diese Wähler wichtig finden, versuche ich auch anzupacken.
    Eine Partei, die gegen die PVV oder die überhaupt regieren will, braucht mindestens drei weitere Koalitionspartner für eine Mehrheit im Parlament. Das ist natürlich schwierig für das Regierungsgeschäft. Das heißt, Holland erwartet ein zersplittertes Parlament. Wird Holland dadurch regierungsunfähig?
    Wird Holland nach der Wahl regierungsunfähig?
    Vossen: Das glaube ich nicht, denn es gibt viele Parteien, aber die Unterschiede zwischen ihnen sind auch wieder nicht so groß. Der Unterschied zwischen GroenLinks und PvdA zum Beispiel ist ziemlich klein. Dennoch wird es natürlich weniger stabil sein, wenn man viele Parteien braucht. Jede Partei will ja seine "unique sellingpoint" drin kriegen, das macht es natürlich schwieriger. Jede Partei kann auch in eine Krise kommen und wenn sie in die Krise kommt, hat es auch einen Einfluss auf die Regierung. Und je mehr Parteien, desto höher die Chance, dass es irgendwo eine Krise gibt. Also ja, es ist weniger stabil.
    Würden Sie sagen, dass Holland dann vielleicht nicht regierungsunfähig ist, aber wichtige Entscheidungen viel Zeit brauchen werden, das Land also gelähmt sein wird?
    Vossen: Das kann gut sein. Aber die holländische Politik, es gibt eine Tradition von Konsenssuchen und Kompromisse machen. Also die Tradition ist schon da, die Politiker sind das gewöhnt, außer Wilders, und darum glaube ich, dass es doch nicht so ganz viele Probleme geben wird. Es wird schwieriger als vorher, aber Holland bleibt, denke ich, relativ stabil.
    Das Parteiprogramm von Wilders‘ PVV, er personifiziert ja die Partei, lässt sich ja einfach auf einer Seite zusammenfassen: Moscheen schließen, Grenzen dichtmachen, überhaupt keine Muslime mehr im Land haben, aus der EU aussteigen. Aber auch eher linkere Parteipunkte wie Einkommenssteuer senken und Rente mit 75. Also populistische Forderungen, das kann man sicherlich sagen. Wieso kommt das beim Volk gut an?
    Worauf stützt sich der Rechtspopulismus von Geert Wilders?
    Vossen: Man sieht eigentlich in Holland wie in ganz Europa und auch den Vereinigten Staaten, dass es Wähler gibt, die unzufrieden sind mit der Elite, Politik, Immigration. Das gibt es auch in Holland, vor allem seit 2001/2002, damals hat Pim Fortuyn einen Aufstieg gemacht und ist dann ermordet und das hat große Konsequenzen gehabt für das politische Klima in Holland. Und Immigration ist noch immer für viele Wähler in Holland ein ganz wichtiges Thema. Darum hat Wilders Erfolg. Wilders ist auch, das muss man auch sagen, ein sehr schlauer Politiker und auch das ist ein Grund glaube ich.
    Welche Rolle spielt die Vergangenheit der Niederlande als Kolonialmacht?
    Vossen: Das ist schwierig zu sagen. Es gibt in Holland Stimmen, die sagen, wir sollen kritischer sein, wir sollen unsere eigenen schwarzen Seiten aus unserer Geschichte mehr bewältigen. Aber auf der anderen Seite gibt es auch wieder Leute, die sagen, dieser ganze Quatsch über schwarze Seiten und Sklavenhandel und so… Wir sollen stolz sein auf unser Land. Das gibt es schon, aber nicht so dominant. Aber es ist auch da.
    Und die marokkanische Community? Welche Rolle spielt sie in den Niederlanden und weshalb hängt sich Wilders gerade an ihr so auf?
    Vossen: Die marokkanische Community, ja. Es gibt in Holland zwei große Gruppen von Immigranten: Türken und Marokkaner. Und auf beide hat er viel Kritik geübt. Bei den Marokkanern gibt es viele Probleme mit jugendlichen Kriminellen und das hat er gemacht zu einem allgemeinen marokkanischen Problem, das "Marokkaner-Problem" sagt er immer. Wie marokkanische Community reagiert hat? Zum Beispiel kann man sagen, dass es jetzt eine neue Partei gibt, Denk. Denk ist eine Partei, die wurde gegründet von zwei türkischen Sozialdemokraten oder Sozialdemokraten türkischer Herkunft soll man eigentlich sagen. Die haben eine Partei gegründet, die sich richtet an Immigranten und da sieht man so eine Art Gegenreaktion kann man sagen, gegen Wilders. Vielleicht wird diese Partei zwei Sitze bekommen.
    Geert Wilders hat ja nicht unbedingt ein Problem mit den Türken oder den Marokkanern. Sein erklärtes Feindbild ist der Islam, Zitat: "Islamische Ideologie ist möglicherweise noch gefährlicher als der Nationalsozialismus." Worin gründet sich dieser Islamhass?
    Feindbild Islam – Welche Strategie verfolgt Wilders?
    Vossen: Diese bestimmte Idee vom Islam kommt eigentlich aus den 90er Jahren, als Samuel Huntington, der hat gesagt, es gibt einen "Clash of Civilizations" zwischen vor allem der westlichen, christlichen und der islamischen Kultur. Diese Idee ist ganz populär geworden und es gab Leute, die diese Gedanken auch radikalisiert haben und dann im Islam eine ganz gefährliche Ideologie, nicht Religion, aber Ideologie gefunden. Es gibt Leute, Oriana Fallaci, eine Journalisten, die hat darüber geschrieben, es gibt weltweit verschiedene Autoren, die über Islam geschrieben haben als eine totalitäre Ideologie. Wilders hat das auch gesagt und er glaubt, dass Islam darauf ausgerichtet ist, die Welt zu dominieren und jetzt wieder beschäftigt ist mit einem Eroberungskrieg eigentlich. Und das natürlich eine Idee…
    Für ihn ist der Islam zu einem Regenschirmbegriff geworden, womit er viele verschiedene Probleme erklären kann. Also wenn es geht um marokkanische Jugendgangs oder somalische Piraten oder terroristische Attacken – alles hat mit Islam zu tun. Damit kann man ganz viel erklären und macht es ganz einfach. Und für viele Leute ist das ganz attraktiv.
    Die Abstimmung zum Brexit, die Wahl von Donald Trump zum US-Präsidenten. Man weiß, dass die meisten die für diese Abstimmungen waren, die weiße frustrierte Mittelschicht war. Was weiß man über die Unterstützer von Wilders und der PVV?
    Wer wählt Geert Wilders?
    Vossen: Erstens ist das eine ganz große Gruppe, also es gibt ganz verschiedene Leute darin, aber es gibt eine Überrepräsentation von verschiedenen Gruppen. Niedrig gebildete Leute sind überrepräsentiert, universitätsgebildete Leute sind unterrepräsentiert. Ein bisschen mehr Männer als Frauen, auch Jugendliche auch ein bisschen mehr. Aber ja, der "böse weiße Mann" wie man es oft sagt in Holland, der ist, kann man sagen, ein bisschen überrepräsentiert innerhalb seiner Wählerschaft.
    Geert Wilders gibt es jetzt seit über zehn Jahren, er hat 2016 quasi sein Jubiläum gefeiert. Wie hat sich die Partei verändert und wie hat sie die niederländische Bevölkerung verändert? Wie sehr spaltet die Partei die Niederländer?
    Rückblick – Wie hat sich die PVV entwickelt?
    Vossen: Was eigentlich ganz merkwürdig ist, dass sich seine Partei eigentlich kaum weiterentwickelt hat. Es ist noch immer eine Ein-Mann-Partei ohne Mitglieder, er ist das einzige Mitglied, es ist noch immer amateurhaft und arm. Es hat verschiedene Konflikte gegeben und es gab auch Leute, die weggegangen sind aus seiner Partei. Aber im Großen und Ganzen kann man sagen, es ist noch immer eine stabile Ein-Mann-Partei.
    Die Partei hat viel Einfluss gehabt in Holland. Man kann sagen, dass das Land ein bisschen gespalten ist über die Frage, wie steht man gegenüber der PVV. Ja, das ist eine Partei. Wenn man in den Familien-Ferien Konflikte haben möchte, dann soll man über die PVV reden. Das kann gut Konflikte geben zwischen Leuten. So ist es in Holland.
    Geert Wilders sieht sich als Freund Israels und spricht immer wieder von christlich-jüdischer Tradition. Man vermutet schon lange, dass er von der jüdischen Community aus dem Ausland finanziert wird. Kann man spitz formuliert sagen, dass Israel einen Rassisten unterstützt? Wie passt das ins Bild?
    Israel-Freund Wilders?
    Vossen: Eigentlich kann man sagen: Über Geert Wilders und seine Finanzen weiß man nicht so ganz viel. Es gibt Unterstützung aus den Vereinigten Staaten, das wissen wir. Aber wie viel? Wahrscheinlich nicht so ganz viel. Aus Israel wissen wir überhaupt nicht, ob da auch wirklich Geld aus Israel kommt. Aber: Wir wissen, dass Wilders hat ein großes Netzwerk in Israel. Er kommt da seit 1981 oder so, er hat da ganz viele Freunde und er hat vor allem auf der sehr rechten Seite von der israelischen Politik hat er viele Freunde. Also Kolonisten und so. Lieberman ist ein Freund von ihm.
    Wie passt das zusammen?
    Vossen: Er betrachtet Israel als eine Art Westberlin. Wie Westberlin im kalten Krieg ein Vorpfosten war, so ist Israel in diesem "Clash of Civilizations" jetzt ein Vorpfosten westlicher Zivilisation, so betrachtet er das. So kriegt der Konflikt zwischen Israel und den Palästinenser auch eine andere Dimension, kann man sagen.
    Der Wahlsieg von Donald Trump wird bei Rechtspopulisten in ganz Europa gefeiert, auch von Wilders. (#makethenetherlandsgreatagain) Trump und Wilders: Sind das Brüder im Geiste?
    Trump und Wilders – Brüder im Geiste?
    Vossen: Das kann man schon sagen, denke ich. Wilders war schon viel länger natürlich in der Politik aktiv, also seit den 90er Jahren schon und Trump ziemlich kurz eigentlich. Aber dieses Misstrauen gegenüber dem Islam, safety first und diesem Nativismus, das eigene Volk immer zuerst stellen, darin sind sie Brüder im Geiste, ich glaube schon.
    Wie gefährlich kann so eine Entwicklung sein?
    Vossen: Das werden wir sehen. Was wir wissen, ist, dass es im Weißen Haus gibt es jetzt viele Mitarbeiter von Trump, die auch gute Bekannte von Wilders sind. Also er kennt Trump nicht gut, aber seine Umgebung.
    Bei der Europawahl 2014 haben die Rechtspopulisten eher isoliert für sich gekämpft. Aber zuletzt suchten sie in Koblenz den Schulterschluss bei einer Veranstaltung des Europas der Nationen und der Freiheit. Was hat sich in den letzten drei Jahren verändert?
    Schulterschluss von Europas Rechtspopulisten realistisch?
    Vossen: Man kann sagen, dass Marine Le Pen versucht, den Front National zu entdämonisieren, ist also mehr in Richtung Mitte gegangen. Wilders kam mehr aus der Mitte und hat ein Rechtsruck gemacht. Irgendwo in diesem Prozess haben die einander begegnet und haben sich gedacht, vielleicht können wir gut zusammen arbeiten denn wir brauchen auch mehr Zusammenarbeit für das Europäische Parlament. denn ohne diese können wir es im Europäischen Parlament nicht schaffen. So haben sie also eine Fraktion gebildet. Später hat die Alternative für Deutschland auch einen klaren Rechtsruck gemacht und fühlt sich jetzt auch mehr in dieser politischen Familie, kann man sagen. Also es gibt jetzt eine politische Familie mit Wilders, mit Le Pen, mit der FPÖ, mit der Alternative für Deutschland, UKIP-Großbritannien ist noch nicht so wirklich dabei, aber vielleicht kommen sie noch. So wird das eine mächtige Familie.
    2019 stehen wieder Europa-Wahlen an. Meinen Sie, die Rechtspopulisten werden sich selbst ein Grab schaufeln oder kriegen sie noch mehr Aufwind?
    Vossen: Das ist sehr schwer zu sagen. Man hat oft gedacht, Populisten, die kriegen immer Konflikte, können keine gute Partei bilden, das ist immer kurzfristig. Aber man sieht jetzt doch, dass Front National und FPÖ und Wilders schon ziemlich lang da sind. Ich denke, man sollte damit rechnen, dass sie dableiben. Man kann ja da nicht weiter als zehn Jahre denken, aber ich glaube schon, dass sie in den nächsten 5-10 Jahren sind sie noch da.
    FN, AfD, PVV. Vor allem bei den Themen Homosexualität oder der Beziehung zum russischen Präsidenten gehen ihre Meinungen auseinander. Was sie allerdings alle eint: Der Islam-Hass. Wie lässt sich diese Entwicklung auch vor allem vor einem historischen Rückblick betrachten?
    Vossen: Der Islam ist ein sehr attraktiver Regenschirmbegriff geworden und Wilders hat das introduziert als einer der ersten und es erklärt ganz viel für viele Leute. Es bringt zusammen: Terrorismus, Immigration, Probleme mit Integration. Alles kommt da zusammen in diesem Begriff Islam. Außerdem kann man sagen: Wir bekämpfen keine Rasse, wir sind gar nicht rassistisch, aber wir bekämpfen eine Religion, oder eine Ideologie. Also, da kommt es auch auf eine andere Ebene. Und es ist für viele von diesen Parteien ein ganz attraktives Thema, das kann man schon sagen.
    Geert Wilders folgen auf Twitter über 770.000 Menschen. Welche Rolle spielt Social Media bei diesem Wahlkampf?
    Vossen: Das ist ganz wichtig. Geert Wilders hat fast kein Geld für eine teure Kampagne. Also braucht er viel Publicity in den Medien und Social Media. Twitter ist für ihn natürlich perfekt. Er kann wie Trump sofort reagieren, klare Dinge sagen, ohne "einerseits, andererseits", richtig stark. Und er kann viel Publizität damit erlangen. Twitter und Facebook sind ganz wichtig für Wilders.
    Wie kann man damit umgehen?
    Vossen: Mehr ignorieren. Ich denke, dass man oft zu viel mit ihm diskutiert und das ist immer sein Vorteil. Also, mehr ignorieren.