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Wahlen in Italien
Die neuen Kreuzritter

Der Vatikan mischt sich nicht mehr mit Empfehlungen in den italienischen Wahlkampf ein. Aber im Namen des Christentums melden sich Fundamentalisten zu Wort, darunter auch Geistliche. Sie kämpfen gegen den Islam und halten Papst Franziskus für einen Protestanten.

Von Thomas Migge | 01.03.2018
    Ein junger Mann im Kapuzenpulli, ein Aktivist der rechtspopulistischen Partei Lega, hält bei einer Demonstration eine Rauchfackel in die Höhe. Im Hintgergrund Flaggen, Rauch und weitere Demonstranten.
    Vertreter der rechtspopulistischen Partei Lega inszenieren sich als Kämpfer "für die wahren christlichen Werte unseres christlichen Europas" (PA / AP / Antonio Calanni)
    "Wenn die Päpste, die Heiligen, unsere Kirchenväter Europa nicht verteidigt hätten, dann wären wir heute alle Moslems. Wir verteidigen deshalb die Kreuzzüge!"
    Pietro Caroli ist fest davon überzeugt, dass die katholische Kirche eine präzise Aufgabe in unserer Gesellschaft hat: die Verteidigung des einzig wahren Glaubens, so der Geistliche aus dem norditalienischen Bergamo. Das bedeutet, dass man für diesen Glauben kämpfen muss - vor allem wenn Wahlen anstehen und, so Don Caroli, es darum geht, denjenigen Parteien zum Wahlsieg zu verhelfen, die auch tatsächlich christliche Werte verteidigen:
    "Das Problem liegt auch im italienischen Parlament, auch im Europäischen Parlament. Da brauchen wir verstärkt Politiker von Parteien, die die Kirche und ihre Werte in der Gesellschaft verteidigen."
    Der katholische Geistliche beklagt aber nicht nur den Mangel an aufrichtig christlichen Politikern und Parteien. Er findet es skandalös, dass sich seine Kirche seit einiger Zeit viel zu wenig für die Verteidigung christlicher Werte stark mache, viel zu wenig präsent ist, wie etwa derzeit im italienischen Wahlkampf:
    "Die Verantwortlichen unserer Kirche sind Modernisten und Liberale geworden. Stattdessen brauchen wir Vorbilder für echte Glaubenskämpfer."
    Die Kirchenführung schweigt
    Der Geistliche aus Norditalien steht nicht allein. Auch andere katholische Geistliche verurteilen die ihrer Meinung nach viel zu liberalen Gesinnungen von Gläubigen, Mitbrüdern, Bischöfen und Kardinälen, wenn es um die Themen Islam, Homosexualität, Eucharistie für wiederverheiratet Geschiedene etc. geht. Papst Franziskus steht im Zentrum ihrer Kritik - für seine Kritiker in den eigenen Reihen sei er, heißt es immer wieder, fast schon ein Protestant.
    Dass die Amtskirche von Papst Franziskus während des italienischen Wahlkampfes so gut wie gar nicht präsent ist - für Hardliner ist das ein Unding. Tatsache ist: Zum ersten Mal seit 1948 mischt Italiens Kirche nicht mit beim Wahlkampf, unterstützt weder die eine noch die andere Partei. Inoffiziell heißt es, der Papst höchstpersönlich habe seinen Bischöfen und Kardinälen aufgetragen, während des Wahlkampfes keine politische Position zu beziehen.
    Mario Adinolfi, Spitzenkandidat seiner politischen Bewegung "Popolo della Famiglia" bei der Kundgebung zum Family Day 2016
    Mario Adinolfi, Spitzenkandidat seiner politischen Bewegung "Popolo della Famiglia" (imago stock&people/ Insidefoto)
    Während die Kirchenführung zum Wahlkampf schweigt - ungewöhnlich in der italienischen Nachkriegsgeschichte - treten neben entschieden konservativen Geistlichen verschiedene politische Gruppierungen und dezidiert rechte Parteien umso lauter als katholische Kreuzritter auf. Wie etwa der Rechtskatholik Mario Adinolfi, Spitzenkandidat seiner politischen Bewegung "Popolo della Famiglia":
    "Am 4. März müssen wir diejenigen Parteien wählen, die die Rolle der traditionellen christlichen Familie aufwerten wollen. In die von Gott gewollte Familie muss der Staat investieren, viel mehr als bisher. Schluss mit der Nekrophilie der Abtreibungen, der Euthanasie und der Schwulenehe! Nur wer in die christliche Familie investiert gibt Italien eine Zukunft."
    In Italien existiert keine einflussreiche Partei mehr, die entschieden christliche Werte vertritt. Ende der 1990er-Jahre löste sich die einst allmächtige und fast vier Jahrzehnte lang allein regierende Partei Democrazia Cristiana in Folge einer Vielzahl von Skandalen auf. Es entstanden verschiedene kleinere christdemokratische Nachfolgeparteien, die aber allesamt nur über sehr geringen politischen Einfluss verfügen und politisch eher unbedeutend sind.
    Partei Lega: Schweineblut auf Moscheegrundstücken
    Die einzige wichtige Partei Italiens, die sich "für die wahren christlichen Werte unseres christlichen Europas" stark macht, ist die ausländerfeindliche Lega, die der französischen Rechtsaußenpartei Front National nicht unähnlich ist. Eine Partei, die, als sie bis noch vor wenigen Jahren Lega Nord hieß, einen skurril heidnischen Glauben propagierte: der Fluss Po wurde als Gottheit verehrt.
    Unter dem aktuellen Parteichef Matteo Salvini hingegen gibt sich die neue Lega erzkatholisch und kreuzritterhaft. Wie zum Beispiel bei einer Wahlkampfveranstaltung vor wenigen Tagen in Mailand, der Hochburg der Partei Lega:
    "Ich schwöre meinem Volk, dass ich treu für unsere Werte kämpfen werde, und ich schwöre hier mit dem heiligen Evangelium in der Hand!"
    Matteo Salvini ist Chef der rechtsextremen Lega Nord in Italien und Spitzenkandidat seiner Partei bei den Parlamentswahlen am 4. März 2018
    Matteo Salvini ist Chef der rechtsextremen Lega in Italien und Spitzenkandidat seiner Partei bei den Parlamentswahlen am 4. März 2018 (AFP/ Alberto Pizzoli)
    Matteo Salvini versteht sich seit einigen Jahren als einziger aufrechter christdemokratischer Politiker Italiens. In diesem Sinn wettert er gegen den Vormarsch des Islam im katholischen Italien, gegen Moscheen und spricht sich für den Einsatz von Schweineblut auf Grundstücken aus, auf denen Moscheen errichtet werden sollen.
    "Die Bischöfe sollen Ihren Job ausüben"
    Die katholische Kirche sei Salvini zufolge viel zu liberal und islamfreundlich. Als sich Papst Franziskus vor Kurzem erneut gegen die Beschränkung der Einwanderung nach Italien aussprach und Italiens Bürgermeister dazu aufforderte, möglichst viele dieser Menschen bei sich aufzunehmen, reagierte Salvini umgehend:
    "Die Bischöfe sollen doch bitteschön ihren Job ausüben und den Bürgermeister nicht vorschreiben, wen sie in ihren Kommunen aufzunehmen haben!"
    Dem Papst wirft Italiens neuer Chefkreuzritter gegen den Islam und für ein wehrhaft katholisches Europa Heuchlerei vor: solange Franziskus, so Salvini, nicht selbst einige hundert Einwanderer in seinen vatikanischen Gärten aufnehme, solange solle er doch bitte in Sachen Einwanderung den Mund halten.
    Das Vakuum, das in Italien aufgrund des Fehlens einer christdemokratischen Partei wie der deutschen CDU entstanden ist, und dass durch das Schweigen der katholischen Kirche während des Wahlkampfes verstärkt wird, hat Folgen: katholisch-christliche Themen werden nun vor allem von ultrarechten und ausländerfeindlichen Parteien und Gruppierungen besetzt. Auf sie sollte die Kirche reagieren, sie in ihre Schranken weisen - aber genau das ist nicht der Fall. Der Papst und seine Bischöfe schweigen zu den neuen Kreuzrittern Italiens.