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Wahlen in Spanien
Kampf um Madrid

Neben der Europawahl finden in Spanien auch Kommunal- und Regionalwahlen statt. Ein gutes Ergebnis des linken Lagers würde das Wahlergebnis der Parlamentswahl bestätigen und das rechte Lager in eine tiefere Krise stürzen. Besonders heiß umkämpft ist die Hauptstadt Madrid.

Von Hans-Günter Kellner | 24.05.2019
    Sozialdemokrat und der amtierende spanische Regierungschef Pedro Sánchez lässt sich am Wahlabend in Madrid von seinen Anhängern feiern.
    Ende April feierten die Sozialisten in Madrid. Wer gewinnt diesmal? (imago/Xinhua/Guo Qiuda)
    Stadtfeste sind für Politiker immer eine gute Gelegenheit, sich volksnah zu zeigen, gerade in Wahlkampfzeiten. Ignacio Aguado von der liberalen Partei Ciudadanos tanzt bei den Fiestas von Madrid den traditionellen Chotis.
    Seine Anhänger feiern den 36-jährigen schon als kommenden Chef der Regierung der Region Madrid. Eine begeisterte Erstwählerin sagt, Ciudadanos sei das Beste für Spanien und macht ein Selfie mit dem Kandidaten. Der gefeierte Aguado findet:
    "Nach 24 Jahren mit Regierungen der Volkspartei in der Region haben wir endlich die Chance auf einen Wandel. Ich werde Tag und Nacht arbeiten, um aus Madrid endlich ein großes liberales Zentrum zu machen. Auch um zu verhindern, dass die spanische Regierung von Pedro Sánchez dem Steuerzahler immer tiefer in die Tasche greift. Und um die Populisten zu bremsen, mit denen Madrid entgleisen würde."
    Der Anspruch ist klar: Die Partei Ciudadanos, die vor vier Jahren zum ersten Mal in Madrid angetreten war, will die Volkspartei ablösen – und zwar nicht nur als Regierungspartei in der Region Madrid, sondern auch als Oppositionsführerin im spanischen Parlament.
    Dossier: Europawahlen
    Europawahlen (picture alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    Wichtige Richtungswahl in doppelter Hinsicht
    Die Auftritte von Ciudadanos werden in Madrid aber oft von Protesten begleitet, so auch hier beim Stadtfest. Vielen ist die junge Partei zu wirtschaftsfreundlich, sie befürchten von ihr einen sozialen Kahlschlag.
    "Alle Umfragen weißen darauf hin: Wenn sich unsere Stimmen wieder aufspalten, gewinnen die Linken – wie schon bei den Parlamentswahlen im April", verteidigt Pablo Casado, Chef der Volkspartei, seinen Anspruch, der Taktgeber im konservativen Lager und Oppositionschef zu sein.
    "Ich bitte darum, dass sich die Stimmen bei der Volkspartei bündeln. Das beste Gegengewicht zu einer schlechten Regierung in Spanien sind so viele Regionen und Kommunen in den Händen der Volkspartei wie nur möglich."
    Bislang gab es rechts der Mitte allein die Volkspartei, nun machen ihr nicht nur Ciudadanos, sondern auch die ultranationalistische Vox im eigenen Lager Konkurrenz.
    Eine wichtige Richtungswahl in doppelter Hinsicht also: Bestätigt sich der Linkstrend in Spanien, der sich bei den landesweiten Parlamentswahlen vor vier Wochen abgezeichnet hat, nun auch bei den Regional- und Kommunalwahlen? Und: Wer wird künftig im konservativen Lager den Ton angeben? Am Brunnen des Heiligen Isidor von Madrid, dessen Wasser ein ganzes Jahr Gesundheit verspricht, wünscht sich dieser Wähler:
    "Die Stabilität, die wir mit einem klaren Wahlsieger und klaren Mehrheiten früher hatten, gibt es nicht mehr. Mit mindestens sechs Parteien in vielen Parlamenten werden die Regionen nur dann regierbar sein, wenn die Politiker kooperieren. Aber unsere politische Kultur scheint auf eine solche Situation nicht vorbereitet zu sein."
    Am lautesten wird auf der Straße Manuela Carmena gefeiert. Vor vier Jahren wurde die 75-jährige parteilose Richterin im Ruhestand Bürgermeisterin der spanischen Hauptstadt, und der Heilige Isidor werde sie auch auffordern, im Amt zu bleiben, scherzt sie. Im Gegenzug werde sie ihn um gute Taten für die Stadt bitten.
    Zersplitterung des Parteienspektrums
    Mit Carmena, die von den linken Gruppen unterstützt wird, konnte die Stadt ihre Schulden zwar um die Hälfte auf knapp zweieinhalb Milliarden Euro senken und dabei gleichzeitig die Sozialausgaben erhöhen. Eine Frau in einem leichten Sommerkleid, Fächer in der Hand und einer roten Nelke im Haar will Carmena auch erneut wählen, aber Probleme sieht sie weiterhin:
    "Wir haben jetzt auch wieder Drogenabhängige im Viertel, das gab es seit Jahren nicht mehr. Und die vielen Spielhallen stören mich, die eröffnen sogar in der Nähe der Schulen. Es müsste mehr in Gesundheit und Bildung investiert werden. Aber gut, viele dieser Probleme übersteigen die Kompetenzen der Stadtverwaltung und sind Angelegenheit der Regionalregierung oder des Zentralstaats."
    Die Zersplitterung des Parteienspektrums macht es auch Meinungsforschern schwer. Sie sehen sowohl in der Stadt wie in der Region Madrid eine äußerst knappe linke Mehrheit, ein Trend, der sich im ganzen Land fortsetzen könnte. Auch bei der Europawahl, die im harten Kommunal- und Regionalwahlkampf ein wenig untergegangen ist, sehen die Demoskopen in Spanien eine linke Mehrheit.