Ein Berg für den Frieden

Vier Weltreligionen treffen sich auf dem "Adam's Peak" in Sri Lanka

Ein buddistischer Tempel an der Route zum Adam's Peak, Sri Lanka
Ein buddistischer Tempel an der Route zum Adam's Peak, Sri Lanka © imago stock&people
Von Ursula Reinsch · 26.08.2018
Auf dem "Adam's Peak" ist viel los: Am Wochenende besteigt bis zu einer halben Million Pilger den Berg in Sri Lanka. Er ist der einzige religiöse Ort weltweit, der von Buddhisten, Muslimen, Christen und Hindus gleichermaßen verehrt wird.
Buddhistische Gebete. Nachts um zwei Uhr. Am Fuß des Adam’s Peak. Dieser Berg ist der heiligste Berg Sri Lankas und weltweit der einzige heilige Berg, der von vier Weltreligionen gleichermaßen verehrt wird. Von Buddhisten, Hindus, Muslimen und Christen.

"Mein Gefühl ist: Ich bin dem Buddha sehr nahe. Wenn ich auf dem Gipfel stehe, kann ich Buddhas Fußabdruck sehen."

Tarindu Geishan, 27, ist einer von bis zu 500.000 Pilgern, die an Wochenenden den Adam‘s Peak besteigen. Der Sri Lanker ist – wie 70 Prozent der Bevölkerung – Buddhist.

"Es ist ein Platz des Friedens, wenn wir oben sind, sehe ich die Schönheit um mich herum: die anderen Berge, den Morgen, den Sonnenaufgang. Es ist eine religiöse Atmosphäre, alle beten. Und manche Menschen weinen, weil sie es nicht fassen können, dass sie hier oben angekommen sind."

Wer auf dem Gipfel des Adam’s Peak angekommen ist, hat den anstrengenden Aufstieg auf 2200 Meter Höhe hinter sich, hat knapp 5500 ungleichmäßig in den Fels gehauene Stufen überwunden. Manch einer pilgert sogar barfuß auf den "Sri Pada", wie die Buddhisten den Berg nennen. Sri Pada kommt aus dem Sanksrit und bedeutet "heiliger Fußabdruck". Drei Mal soll Buddha der Überlieferung nach Sri Lanka besucht haben. Beim letzten Besuch habe er mit seinem linken Fuß einen Abdruck hinterlassen.

Was die Pilger an dem Berg so fasziniert, erklärt der 81-jährige Mönch Njanapal, Leiter eines buddhistischen Klosters in Colombo, Sri Lankas Hauptstadt: "Die Verehrung des Fußabdrucks auf dem Sri Pada führt zu einem großen Verdienst für ein gutes Karma. Da ist Vertrauen in die Lehre Buddhas. Dazu gehört Meditation und die Reinigung des Verstandes, des Bewusstseins. Man muss sich nur selbst beobachten und analysieren. Das ist die Reinigung des Geistes. Christen denken an den Fußabdruck Adams, Muslime denken an den Fußabdruck ihres Gottes."

Adams Fußabdruck auf der Spitze des Berges

Bei den Muslimen – rund neun Prozent der Bevölkerung Sri Lankas gehören diesem Glauben an – ist der Berg seit dem 14. Jahrhundert unter dem Namen "Al Rohun" bekannt. Sie glauben, Adam, der Urvater der Menschheit, habe hier seinen Fuß erstmalig auf die Erde gesetzt, weil Sri Lanka dem Paradies am ähnlichsten sei. Hier habe er seine Vertreibung aus dem Paradies beweint. Adam ist auch die Figur, der die sechs Prozent sri-lankischen Christen auf dem Berg huldigen: "Die Christen erzählen sich die Geschichte, dass Adam quasi, als er von dem verbotenen Apfel gegessen hat, aus dem Paradies vertrieben wurde", sagt Walter Keller. Er ist seit 35 Jahren in Sri Lanka in der Entwicklungszusammenarbeit tätig und einer der erfahrensten Kenner der Insel:

"Die Geschichte ist uns ja auch als Europäer geläufig. Aber nur bis hier hin. In der sri-lankischen Version sei also Adam aus dem Himmel gefallen, sei auf der Spitze dieses Sri Padas, dieses Adam‘s Peaks, gelandet und habe dort etwa zehn Jahre auf einem Bein gestanden. Und das hat dann darin resultiert, dass Adam eben diesen riesigen Fußabdruck, der ja verehrt wird, auf der Spitze dieses Adams Peaks hinterlassen haben soll."


Heilig ist der Berg auch für die Hindus, die 15 Prozent der Bevölkerung stellen. Ihrem Glauben zufolge verfügt der Berg über mystische Kräfte. Der 67-jährige hinduistische Geistliche Ramalingam Virapam war schon über 100 Mal auf dem Berg: "Ich bin Hindu, und deshalb habe ich natürlich einen starken Glauben an diesen Berg. Er hat so viele Wunder gewirkt - in meinem Leben, in meiner Familie. Deshalb sage ich es immer wieder: Das ist ein kraftvoller Berg."

Ramalingam Virapam berichtet von den Wundern, die der Berg bewirkt habe. Das für den Sri Lanker wichtigste Wunder, für den der Berg schon fast Symbolcharakter hat, ist dieses: "Dieser Platz bietet allen Menschen Frieden, alle können hier friedlich anwesend sein: Alle Religionen. Buddhisten, Hindus, Muslime, Christen – alle."

Die friedliche Koexistenz der Religionen: auf dem Adam‘s Peak hat sie Überlieferungen zufolge eine mehr als 500-jährige Geschichte. Insbesondere in Vollmondnächten drängeln sich die Pilger den Berg hinauf. Denn in einer Vollmondnacht sei Buddha erleuchtet worden. Alle wollen beim Sonnenaufgang auf dem Gipfel sein und den wunderbaren Blick über Sri Lankas grüne Berglandschaft genießen.
Blick auf den wolkenverhangenen Adam's Peak
Blick auf den wolkenverhangenen Adam's Peak© dpa / R3507_APA_Publications

Gedrängter Aufstieg, friedlicher Abstieg

Je höher man kommt, desto stärker wird das Gefühl, Teil eines großen Ganzen zu sein. Desto schmaler werden die Stufen. Schulter an Schulter sind die Menschen gedrängt. Dicke Eisengeländer säumen die letzten der immer steiler werdenden Treppen. Müde ziehen sich Alt und Jung die Stufen hinauf.

Kurz vor dem Gipfel gibt es manchmal kaum noch ein Vor und Zurück. Man muss geduldig warten, manchmal drei Stunden und mehr, bis man die Wohnung so vieler Götter betreten darf. Den kleinen Tempel, der den heiligen Fußabdruck beherbergt: 150 cm lang und 70 cm breit ist er. Kurz nur, ganz kurz kann man knien, den Fußabdruck mit der Stirn berühren, Opfergaben wie Kokosnüsse oder Kerzen ablegen, schnell muss alles gehen, die Masse drängt nach.

Der Abstieg kann dauern. Müde sind die Beine. Und die kontemplative Stimmung der Nacht muss beim Abstieg den kreischenden Stimmen von Radio Sri Pada weichen. Ab Tagesanbruch sendet der Sender, der sich ganz dem Berg verschrieben hat, Musik, Mantras und mehr aus riesigen Lautsprechern.

Der Krach scheint die Sri Lanker in ihrer Kontemplation nicht zu stören. Und so gehen die Buddhisten, Hindus, Muslime und Christen gelassen und glücklich den Berg hinunter, betend, singend, lachend – und friedlich. Dieser religiöse Frieden, der in Sri Lanka auch andernorts spürbar wird, könnte helfen, das Land zu stabilisieren und den Frieden zu finden, der vielerorts noch fehlt.
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