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Wahlkampf-Aufwärmtraining
Es geht zur Sache

Der Ton wird rauer: Ein "besoffener" CDU-Generalsekretär, der "Interviews unter Drogen" gibt. Oder: Die "buckelige Verwandtschaft von der CSU", die sich nicht wegwünschen lässt. Populismus-Vorwürfe in alle Richtungen - und das neun Monate vor der Bundestagswahl.

Von Falk Steiner | 08.01.2017
    Abgeordnete währen der letzten Sondersitzung des Deutschen Bundestages zu Griechenland-Hilfspaketen in Berlin
    Neun Monate vor der Bundestagwahl herrscht bereits ein rauer Ton zwischen den Parteien. Hier die letzte Sondersitzung des Deutschen Bundestages zu den Griechenland-Hilfspaketen. (picture-alliance / dpa/Wolfgang Kumm)
    Die Bundestagswahl soll nach dem Willen der großen Koalition am 24. September stattfinden, heißt es aus Koalitionskreisen. Doch der Ton im politischen Berlin wird schon ein Dreivierteljahr vor dem möglichen Wahltermin rauer. Der CDU-Generalsekretär Peter Tauber sagt in einem Interview mit "Bild am Sonntag", dass er bezweifle, dass es Christian Lindner und die FDP in den Bundestag schafften.
    Vergleich von Christian Lindner (FDP) mit Alexander Gauland (AfD)
    "Er redet teilweise wie Herr Gauland von der AfD. Der einzige Unterschied besteht darin, dass er statt eines abgewetzten Tweed-Sakkos einen überteuerten Maßanzug trägt", so Tauber. Eine Koalition mit FDP und Grünen nach der Wahl hält Tauber dennoch für möglich.
    Für seine Äußerungen zum FDP-Chef Lindner erhält Tauber umgehend Kritik – von SPD, Linken und FDP. Der Landesvorsitzende der Liberalen in Schleswig-Holstein, Wolfgang Kubicki, schießt scharf zurück:
    "Mit seinen unverschämten Äußerungen hat sich Herr Tauber als ernstzunehmender Gesprächspartner endgültig disqualifiziert", erklärt Kubicki am frühen Sonntagmorgen. "Der CDU-Generalsekretär ist und bleibt eine Taubernuss." Der SPD-Abgeordnete Johannes Kahrs fragt auf Twitter, ob, so Kahrs, Tauber "besoffen" sei. "Der kann doch Lindner nicht mit Gauland vergleichen", schreibt er. Der Linken-Fraktions-Ko-Vorsitzende Dietmar Bartsch warnt Tauber vor, so Bartsch "Interviews unter Drogen und irren Vergleichen". Tauber greift auch die andere Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag an: Sahra Wagenknecht und Frauke Petry seien das doppelte Lottchen des Populismus.
    Linke-Chefin Wagenknecht will zweistelliges Ergebnis für die Linkspartei
    Die so gescholtene Linken-Spitzenkandidatin Wagenknecht selbst hat mit Populismus derweil kein grundsätzliches Problem, so lange die Wahrheit ausgesprochen würde. Im Deutschlandfunk-Interview der Woche sagt sie, dass es für sie ein Ziel sei, von der Politik Enttäuschte nicht die AfD wählen zu lassen. Sie hoffe,
    "... dass wir auch viele von denen erreichen, die zurzeit aus Frust, aus Verärgerung über die bisherige Politik darüber nachdenken, AfD zu wählen, aber nicht, weil sie deren Parolen unbedingt gut finden, sondern wirklich nur, weil sie sagen: 'Ich will deutlich machen, dass sich was ändern muss'."
    Wagenknecht hofft auf eine rot-rot-grüne Koalition im Bund und ein gut zweistelliges Ergebnis für die Linkspartei. Für diese, aber auch alle anderen Koalitionsoptionen jenseits der großen Koalition würden jedoch die Grünen benötigt. Deren Parteivorsitzender Cem Özdemir sagte gestern in Berlin:
    "Ich weiß nicht, ob Sahra Wagenknecht mit ihrer ganzen Bewunderung für Trump und diese ganzen Dinge, und mit ihrer Kritik an der Politik von Merkel, ob die sich durchsetzt dort oder eher, was ich mir wünschen würde, der Kurs der Linkspartei in Berlin oder der Linkspartei in Thüringen, dann weiß ich, dann gibt’s eine Option, da sind wir uns ja auch einig. Und bei der CDU/CSU ist es ja auch ähnlich. Natürlich, jeder von uns kennt Christdemokraten, mit denen man sich gut einigen könnte. Aber dann gibt’s halt auch noch die bucklige Verwandtschaft von der CSU, die kann ich ja nicht wegzaubern oder wegwünschen!"
    Obergrenze von maximal 200.000 Menschen soll ins CSU-Wahlprogramm
    Die angesprochene CSU hat sich laut einem Zeitungsbericht derweil dafür entschieden, ihre Forderung nach einer starren Obergrenze für Asylantragsteller von maximal 200.000 Menschen in ihr Wahlprogramm zu schreiben. Das lehnt die CDU bislang ab – Generalsekretär Tauber hält ein gemeinsames Wahlprogramm der beiden Unionsparteien jedoch weiter für möglich.
    Unterdessen streiten sich Vertreter der großen Koalition weiter über die Frage, wer bei der Inneren Sicherheit einer effizienteren Gestaltung stärker im Wege stehe: Innenminister Thomas de Maizière äußerte in der Bild am Sonntag Zweifel, ob, so de Maiziere, "alle in der SPD bereit sind, harte Maßnahmen wirklich mitzutragen", bei den konkreten Verbesserungen der Abschiebungen könne man bereits weiter sein.
    Bundesinnenminister mache keinen Gebrauch von seinen Möglichkeiten
    62 islamistische Gefährder müssten einem Bericht der Welt am Sonntag zufolge derzeit abgeschoben werden, ihre Asylanträge seien abgelehnt worden, berichtet das Blatt unter Berufung auf Zahlen des Bundesinnenministeriums. Thomas Oppermann warf dem Innenminister im Gegenzug vor, von seinen Möglichkeiten keinen Gebrauch zu machen:
    "Auch Thomas de Maizière kann Gefährder bei Terrorismusverdacht mit einer Abschiebungsanordnung sofort abschieben. Er hat es aber noch nie getan."
    Das eine solche noch nie von ihm angeordnet wurde, hatte das Bundesinnenministerium bereits am Freitag bestätigt. Anfang der Woche will Bundesinnenminister Thomas de Maiziere, CDU, nun mit Bundesjustizminister Heiko Maas, SPD, über konkrete Schritte sprechen.