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Wahlkampf in Duisburg

In Duisburg wird bald ein neuer Oberbürgermeister gewählt. Der Wahlkampf läuft schleppend - ähnlich wie zuvor die Kandidatensuche. Die Loveparade macht keiner der Kandidaten zum Wahlkampf-Thema.

Von Barbara Schmidt-Mattern | 14.06.2012
    "Darf ich die anderen Oberbürgermeister-Kandidatinnen und -Kandidaten bitte auch nach vorne bitten zu einem gemeinsamen Foto? Danke sehr, bitte kommen Sie nach vorne."

    Emsiges Treiben im fahlen Neonlicht des Versammlungsraums in der Duisburger Merkez-Moschee. Die Kandidaten posieren vor der deutschen und der türkischen Flagge für das Gruppenfoto. Ein klassischer Wahlkampftermin, eine knappe Woche vor der Oberbürgermeister-Wahl in Duisburg am kommenden Sonntag. Gleich wollen sie hier über Integration diskutieren. Zunächst aber erklärt Gastgeber Sevket Avci in gebrochenem Deutsch die Spielregeln. Per Stoppuhr wird er sicherstellen, dass keiner der zwei Damen und vier Herren länger als drei Minuten redet:

    "Wir wollen unseren Kandidaten Zeit geben, dass wir alles besprechen. Es gibt eine Stoppuhr heute Abend. Wenn die "Klick" sagt, ist Feierabend. (Lachen) Dankeschön. Herzlich willkommen! Applaus weg."

    Vier Monate ist es jetzt her, dass Adolf Sauerland bei einem Bürgerentscheid mit deutlicher Mehrheit abgewählt wurde. Seit dem Loveparade-Unglück im Juli 2010 hatte sich der CDU-Oberbürgermeister immer wieder gegen einen Rücktritt gewehrt und erklärt, er werde sein Amt nur gegen den Nachweis juristischer Fehler freigeben. Eine Bürgerinitiative hatte daraufhin Unterschriften für das Abwahlverfahren gesammelt. Sauerlands Gegner zündeten an jenem Abend im Februar Feuerwerks-Raketen vor dem Duisburger Rathaus, während Sauerland drinnen schwer atmend vor die Mikrofone trat:

    "Wie ich es im Vorfeld gesagt habe, akzeptiere ich natürlich das Votum, was die Duisburger Bürgerinnen und Bürger abgeben."

    Sauerland räumte noch seinen Schreibtisch und ward seitdem nicht mehr gesehen. Er habe jetzt viel Zeit für die Familie, heißt es. Für die Medien ist er nicht mehr erreichbar, und mit ihm sind auch die Stadt und ihre Katastrophe aus den Schlagzeilen verschwunden. Selbst im Rennen um den OB-Sessel spielt die Loveparade kaum eine Rolle. Dieser Tage, bei der Kandidaten-Diskussion in der Merkez-Moschee, kommt das Thema nicht einmal zur Sprache:

    "Das habe ich abgelehnt. Also, ich wollte diese Tragödie jetzt nicht noch in den Wahlkampf hineinbringen."

    Erklärt Richard Wittsiepe kurz vor Beginn der Diskussionsveranstaltung, als er im prasselnden Regen draußen vor der Moschee steht. Wittsiepe ist von Haus aus Steuerberater und war bis vor kurzem FDP-Mitglied. Aus Protest gegen den Kurs der Liberalen verließ er die Partei Anfang des Jahres und tritt nun für jene Bürgerinitiative an, die Sauerlands Abwahl initiierte. Die Stadt müsse jetzt nach vorne schauen, erklärt Wittsiepe:

    "Wir haben uns ganz bewusst entschieden, mit aktuellen Sachthemen reinzugehen. Und das Thema Loveparade aus dem Wahlkampf rauszuhalten."

    Ähnlich argumentieren auch die Kandidaten der etablierten Parteien. Die desolaten Finanzen und die Kulturpolitik seien jetzt viel wichtiger. Das sieht auch Christdemokrat Benno Lensdorf so, der bis zuletzt loyal zu Adolf Sauerland stand und ihn seit der Abwahl im Rathaus offiziell vertritt. Lensdorf will sich jetzt um Duisburgs Wirtschaft kümmern, die unter dem Imageverlust seit der Loveparade und dem politischen Stillstand im Rathaus, arg gelitten hat. Aber auch Lensdorf hütet sich, diesen Zusammenhang auszusprechen. Er verlegt sich lieber auf kommunalpolitische Allgemeinplätze, und dann meldet sich auch schon die Stoppuhr:

    "Ich denke, Ansiedeln von mittelständischen Unternehmen ist die beste Sozialpolitik, und deswegen sehe ich meine Hauptaufgabe als Oberbürgermeister dieses Element der Stärke in Duisburg weiter voranzutreiben, und ich freue mich, dieses, was zu tun ist, mit Ihnen gemeinsam vornehmen zu dürfen."

    Die ganze Stadt befindet sich in einem kollektiven Verdrängungszustand. Dabei war die Wahl eines neuen Stadtoberhauptes eigentlich als Neuanfang gedacht. Ein parteiübergreifender Konsens-Kandidat sollte her, so hieß es noch im Februar. Ein naiver Wunsch, findet Kandidat Wittsiepe von der Bürgerinitiative:

    "Wer tut sich das an? Also, wer kann alle diese Anforderungen erfüllen, so ein zweiter Bundespräsident jetzt für Duisburg."

    Es kam alles anders als erhofft. Die Bürgerinitiative ist mittlerweile in zwei verfeindete Lager zerfallen, man war sich nicht einig über die Zusammenarbeit mit anderen Parteien, vor allem mit der SPD. Die Sozialdemokraten hatten die Bürgerinitiative während des Abwahlverfahrens noch finanziell unterstützt. Doch seit Sauerland abgesetzt ist, besinnt sich die SPD ganz auf sich selbst und wittert Morgenluft. Als Kandidaten schickt sie den bisherigen Duisburger Landtagsabgeordneten Sören Link ins Rennen. Auch Link redet im Wahlkampf einzig über Finanzen, Bildung und den Arbeitsmarkt. Erst auf Nachfrage geht er auf die Loveparade ein:

    "Ich persönlich als hoffentlich neuer Oberbürgermeister werde mich dieser Verantwortung stellen und dann den Prozess zum Beispiel in Bezug auf die Gedenkstätte moderieren und zeigen, Duisburg ist eine Stadt, die sich würdig dieser Verantwortung auch stellt."

    Sören Link, als Politiker ein eher hölzerner Typ, bemüht sich um ein selbstbewusstes Auftreten. Er darf sich am kommenden Sonntag gute Chancen ausrechnen, zumal Duisburg über Jahrzehnte hinweg eine SPD-Hochburg war. Dass vor acht Jahren der Christdemokrat Sauerland das Rathaus eroberte, sehen die Genossen in der Stadt immer noch als Betriebsunfall. Bei der Wahl am Sonntag ist aber bislang noch alles offen, denn ganze 13 Kandidaten treten an. Möglicherweise ist deshalb eine Stichwahl nötig, am 1. Juli.