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Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern
Duett statt Duell

Eigentlich sollten sich die beiden Spitzenkandidaten der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern etwas duellieren in der "Wahl-Arena" des NDR. Doch Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD) und sein CDU-Herausforderer Lorenz Caffier sitzen zusammen in einer Regierung und beantworteten Fragen aus dem Publikum eher wie ein eingespieltes Duett. Einzig ein Gerücht sorgte für Spannung.

Von Silke Hasselmann | 24.08.2016
    TV-Duell der Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern: Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD, links) und der stellvertretende Ministerpräsident Lorenz Caffier (CDU)
    TV-Duell der Spitzenkandidaten für die Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern: Ministerpräsident Erwin Sellering (SPD, links) und der stellvertretende Ministerpräsident Lorenz Caffier (CDU) (dpa)
    Was sofort auffiel: Obwohl die "Alternative für Deutschland" bei der Landtagswahl am 4. September erstmalig in einem Bundesland stärkste Partei werden will und seit Wochen stabile Umfragewerte von 19 Prozent aufweist, war deren Spitzenkandidat nicht vertreten. Der Grund: Die seit zehn Jahren gemeinsam regierenden Parteien SPD und CDU stehen für ihre Verhältnisse mit 26 Prozent bzw. 23 Prozent nicht besonders gut da, aber gut genug für die NDR-Spielregeln. Sie durften ihre Spitzenkandidaten in das TV-Duell schicken, wo die AfD freilich gleich Gesprächsthema Nummer 1 war:
    "Ich bin Norbert Wienke aus Parchim. Meine Frage richtet sich an Sie beide. Die AfD wird von Protestwählern und Politikverdrossenheit in die Landtage getragen. Welche Fehler haben Sie persönlich und Ihre Parteien in den letzten Jahren gemacht, damit es dazu kommen konnte?"
    Erwin Sellering brachte die hohen Umfragewerte der AfD vor allem mit der Flüchtlingskrise in Verbindung. Lorenz Caffier übte so etwas wie Selbstkritik:
    "Ich glaube, es war auch ein grundentscheidender Fehler in den letzten Monaten, dass man sich nicht in der Sache mit der AfD auseinandergesetzt hat, sondern dass man versucht hat sie zu stigmatisieren. In der AfD gibt's durchaus eine Reihe von Leuten, die eine Neigung zum Rechtsextremismus haben. Aber es gibt eben auch ganz viele Leute, die sind verunsichert."
    Einigkeit beim Thema Flüchtlinge
    Dann mehrere Publikumsfragen zur Flüchtlings- und Migrationspolitik. Voriges Jahr kamen rund 23.000 Asylbewerber in den Nordosten. In diesem Jahr bislang weitere knapp 4.000. Und siehe: Sellering und Caffier, die seit Jahren ruhig und vertrauensvoll zusammenarbeiten, sind sich auch im Wahlkampf einig; wer schutzbedürftig ist, um den werde man sich kümmern. Alle anderen müssen Deutschland rasch wieder verlassen. Außerdem dürfe man keinesfalls zulassen, dass andere Bevölkerungsgruppen im Vergleich zu den neuen Fremden schlechter gestellt würden.
    Wie bei den späteren Fragen zu Wirtschaft, Kitas und Tourismus klangen die beiden Wahlkämpfer eher wie ein gut eingespieltes Duett. Wohl um daraus zumindest gelegentlich doch noch ein Duell zu machen, zog NDR-Moderator ein Sellering-Zitat aus einem Zeitungsinterview hervor und präsentierte es zunächst Innenminister Caffier:
    "Zitat: Frau Merkel hat vergangenen Herbst den Eindruck erweckt, wir müssten unbegrenzt Flüchtlinge aufnehmen und gleichzeitig so getan, als wäre jeder, der Bedenken äußert, rechtsextrem oder ein Dummkopf. Fanden Sie das gut?"
    Caffier: "Ich fand die Äußerungen von Herrn Sellering nicht angemessen."
    Doch zur Begründung fiel dem CDU-Landeschef nicht viel ein - außer, der Ministerpräsident habe vorigen Herbst selbst stets von einer "gemeinsamen Aufgabe" gesprochen. Und Erwin Sellering?
    "Ich stehe zu dem was, ich gesagt habe, und halte das für eine sanfte Kritik gerechnet an dem, wie die Kanzlerin sich verhalten hat. Und es ist richtig, dass die Flüchtlingsaufgabe eine gemeinsame ist. Da stehe ich auch zu. Aber ich habe der Kanzlerin auf dem ersten Flüchtlingsgipfel - kannst Deine Kollegen fragen - da habe ich gesagt: Es kann nicht sein, dass wir eine Aufgabenverteilung machen in Deutschland, dass die Bundeskanzlerin sagt, wir schaffen das. Und ich muss zu Hause erklären, welche Sachen nicht mehr möglich sind für die Leute, die wir sonst versorgen müssen. Das muss man mal ganz klar sagen." (Beifall)
    Folgt Schwesig auf Sellering?
    Worüber Mecklenburg-Vorpommerns Regierungschef jedoch wieder kein Wort verlor, ist die Haltung der Berliner SPD-Kabinettsmitglieder in dieser Frage, etwa von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig. Sie ist Sellerings politisches Ziehkind und soll ihm angeblich ein, zwei Jahre nach einer Wiederwahl im Amt folgen. So die Schweriner Gerüchtelage, die wenigstens zum Schluss der TV-Wahldebatte noch einmal für ein bisschen Spannung sorgte. Denn das hat große Chancen auf Wiedervorlage:
    Moderator: "Eine Frage an Sie, Herr Sellering - bei allem Respekt, Sie werden 67 in diesem Jahr. Wenn Sie wiedergewählt werden: Machen Sie dann die volle Legislaturperiode durch?
    Sellering: "Selbstverständlich."
    Moderator: "Also die ganzen fünf Jahre durch?"
    Sellering: "Selbstverständlich."