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Wahlkampf in Mecklenburg-Vorpommern
Viel Platz rechts von der Mitte

Die AfD erhebt in Mecklenburg-Vorpommern den Anspruch, stärkste Kraft im Landtag zu werden, und könnte durch ihren Erfolg den Einzug der NPD in den Landtag verhindern. Die Linkspartei hat als Protestpartei ausgedient.

Von Silke Hasselmann | 31.08.2016
    Wahlplakate verschiedener Parteien hängen in Mecklenburg-Vorpommern nebeneinander an einem Zaun.
    In Mecklenburg-Vorpommern bewerben sich 19 Parteien um den Einzug in den Schweriner Landtag. (Deutschlandfunk / Silke Hasselmann)
    Als die "Alternative für Deutschland" es Mitte März in drei weitere Landtage geschafft hatte und in Sachsen-Anhalt sogar auf 24 Prozent gekommen war, hoffte Helmut Holter noch, dass das Phänomen "Protestwahl" nun seinen Höhepunkt erreicht haben würde. Schließlich hatten die Anrainer-Staaten gerade die Balkan-Route geschlossen. Der seit Monaten andauernde Flüchtlingsstrom versiegte. Auch in Mecklenburg-Vorpommern. Zudem zerlegte sich die frisch gewählte AfD-Fraktion im Stuttgarter Parlament in Windeseile; die Bundesspitze der Partei - zerstritten.
    Doch mittlerweile hat auch der Spitzenkandidat der Linkspartei für Mecklenburg-Vorpommern eingesehen: Die AfD wird nicht so schnell verschwinden wie etwa die Schill-Partei, denn:
    "Wir haben jetzt rechts eine Partei, die sich national-konservativ gibt, weil die CDU auch bestimmte Felder rechts aufgegeben hat. Die AfD ist eine Partei, die quer durch Bevölkerung Wählerinnen und Wähler hat und auch Mitglieder."
    Protest ist für viele Bürger das Gebot der Stunde
    Und zwar auch unter früheren Linke-Anhängern. Doch die Linke, die in Mecklenburg-Vorpommern schon einmal für acht Jahre an der Macht beteiligt war, hat als Protestpartei längst ausgedient. Doch Protest ist derzeit auch im Nordosten für viele Bürger das Gebot der Stunde.
    Das zeigt sich auch auf dieser AfD-Wahlveranstaltung im Ostseebad Binz. Spitzenkandidat Leif-Erik Holm sagt, die AfD sei die einzige Partei in Deutschland, die klar anspreche, was in der Flüchtlings- und Migrationspolitik falsch laufe, und die auf die Einhaltung des Grundgesetzes ohne Wenn und Aber bestehe. Beispiel: Artikel 16 a, der das Recht auf Asylverfahren in Deutschland regelt, aber auch den Umgang mit jenen, die abgelehnt werden.
    Anhänger der Partei "Alternative für Deutschland" am 20.7.2016 in Rostock (Mecklenburg-Vorpommern) auf einer Wahlkampfveranstaltung der AfD mit Parteichefin Frauke Petry
    AfD-Anhänger am 20.7.2016 in Rostock auf einer Wahlkampfveranstaltung der Partei (dpa / picture alliance / Stefan Sauer)
    Der gebürtige Schweriner erwähnt die mehr als eine Million Menschen, die von "Kanzlerin Merkel unkontrolliert ins Land gelassen" worden seien. Die teure, vielleicht gar "selbstzerstörerische Illusion", man könne so viele Menschen aus fremden Kulturkreisen und mit problematischen religiösen Ansichten integrieren:
    "Also wir müssen dafür sorgen, dass wir endlich zu einem kontrollierten System der Einwanderung kommen. Die AfD sagt von Anfang an: Ja, eine maßvolle Einwanderung nach unseren Interessen ist ja möglich. Aber in diesen Massen und unkontrolliert - das kann nicht die Zukunft Deutschlands sein. Und das müssen wir Frau Merkel immer wieder in ihr Poesiealbum schreiben, damit sie es irgendwann kapiert. Ich gehe zwar davon aus, dass es nicht passieren wird. Aber sie wird dann wachgerüttelt durch die Wahlergebnisse hoffentlich bald auch hier in Mecklenburg-Vorpommern."
    AfD-Kandidat Holm: Wollen stärkste Kraft werden
    Die AfD liegt nach jüngsten Umfragen mit etwa 21 Prozent knapp hinter den regierenden Koalitionsparteien SPD (27 Prozent) und CDU (22 Prozent). Am kommenden Sonntag wolle sie sogar die stärkste Kraft werden, erklärt Spitzenkandidat Holm das wichtigste Ziel seiner Partei.
    "Dafür müssen wir bei ungefähr 25 Prozent liegen. Dann werden wir auf jeden Fall linke Mehrheiten verhindern. Es wird keine rot-rote-Regierung geben, und es wird dann voraussichtlich auch keine rot-rot-grüne Regierung geben. Das wäre schon mal ein wichtiger Schritt."
    Dass keine der etablierten Parteien mit der rechts-konservativen AfD im Parlament regieren oder sonst wie zusammenarbeiten wolle - geschenkt, sagt Landeschef Leif-Erik Holm. Doch über den sonstigen Umgang wundert er sich: Bürgermeister wie in Anklam versuchen angemeldete AfD-Veranstaltungen in ihren Städten zu verhindern. Die IHK zu Schwerin wie auch der DGB-Nord laden die AfD nicht zu ihren Spitzenkandidaten-Debatten ein:
    "Wir sind eben der Meinung, die Freiheit sollte für alle gleich gelten. Das gilt auch für die Andersdenkenden, und da kann es nicht sein, dass zum Beispiel die Landtagspräsidentin Sylvia Bretschneider öffentlich versucht, unsere Parteitage zu verhindern, indem sie die Gastwirte aufruft zu sagen: 'Nee, lasst die da mal nicht rein!' Das kann nicht sein. Da können wir als Partei nicht unseren Rechten und Pflichten nachkommen. Das finde ich schon ein krasses Beispiel von undemokratischem Verhalten."
    NPD konzentriert sich auf Zweitstimmen
    Zumal der Aufstieg der AfD verhindern könnte, dass die rechtsextreme NPD ein drittes Mal in den Schweriner Landtag zieht. Die hat zugunsten der AfD auf Direktkandidaten verzichtet und konzentriert sich vollends auf die Zweitstimmenkampagne mit Sprüchen wie "Für Volk und Heimat" sowie "Gegen Asylantenflut", "Asylbetrüger" und "Rapefugees" - eine Verballhornung der englischen Begriffe für "Vergewaltigung" und "Flüchtling".
    Derzeit hat die NPD fünf Landtagssitze inne. In den Umfragen lag sie zuletzt stets bei 3 Prozent. Die würden nicht reichen, doch Landeschef Stefan Köster gibt sich gelassen:
    "Also auch 2006 wurde schon vorausgesagt, dass die NPD nicht in den Landtag kommt. 2001 das Gleiche. Aber ich bin mir sicher, dass die NPD auch 2016 wieder in den Landtag einziehen wird, weil wir eine breit gefächerte Arbeit hier leisten und auch sehr nah bei den Bürgern sind, dadurch viele Stimmungslagen mitbekommen und versuchen, über unsere sogenannte Kümmer-Kompetenz - ein Zitat aus den Medien - den Bürgern natürlich auch zu helfen. Da sehen wir unseren Auftrag drin."
    Sollte die NPD es abermals in den Schweriner Landtag schaffen, werde man sich mit ihren Anträgen auseinandersetzen. Eine Zusammenarbeit aber werde es mit den Rechtsextremen nicht geben, so der AfD-Landesverband.
    Wohl keine Entscheidung über NPD-Verbotsantrag vor der Wahl
    Unterdessen rechnet in Mecklenburg-Vorpommern niemand mehr damit, dass das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe noch vor der Landtagswahl am 4. September über den NPD-Verbotsantrag der Länder entscheidet. Dazu meint der Schweriner Innenminister und CDU-Spitzenkandidat Lorenz Caffier, der das Verfahren wesentlich mit angestoßen hatte:
    "Ich selbst bin nicht sehr glücklich über die Situation, weil es natürlich auch in der Außenwirkung nicht sehr angenehm ist, dass man jetzt in die Wahlen tritt und möglicherweise im Herbst das Verfassungsgericht zu einer Entscheidung kommt, wo die Wähler sagen: Das hätte man uns ja vielleicht auch schon mal vorher sagen können!"