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Wahlkampf in Polen
Mit unverbrauchten Kräften zurück an die Macht

Recht überraschend haben die Polen den rechtsnationalen Andrzej Duda zu ihrem Präsidenten gewählt. Jetzt will seine Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) ihre Macht weiter ausbauen und nach der Präsidentschafts- auch die Parlamentswahl im Herbst gewinnen. Die Kandidatin für das Amt der Ministerpräsidentin ist ebenso unbekannt wie es Duda war - und sie hat gute Chancen.

Von Sabine Adler | 14.08.2015
    Beata Szydlo ist Kandidatin der Partei Recht und Rechtigkeit (PiS) in Polen für das Amt der Ministerpräsidentin.
    Beata Szydlo ist Kandidatin der Partei Recht und Rechtigkeit (PiS) in Polen für das Amt der Ministerpräsidentin. (imago / ZUMA Press)
    Beata Szydlo hat auf Dauer-Wahlkampf geschaltet. Ihre Mission war mit Andrzej Dudas Eroberung des Präsidentenamtes eigentlich erfüllt, doch den Kampfmodus konnte die ehemalige Kampagnenchefin noch immer nicht beenden, schließlich ist sie jetzt Spitzenkandidatin der Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), soll den Schwung von der Präsidentschafts- in die Parlamentswahl retten. Somit machen Duda und Szydlo einfach weiter.

    "Diesen Bus übergebe ich Beata Szydlo, die meine Kampagne geführt hat, ich wünsche ihr Glück für ihren Wahlkampf." Wie beim Tapetenwechsel wurde das überdimensionale Porträt des neuen polnischen Präsidenten Duda abgezogen, zum Vorschein kam das von Beata Szydlo. Mit dem Bus tourt nun sie durch Polen. Ihre Partei PIS möchte jetzt überall Zeichen setzen, auch beim anstehenden Referendum am 6. September. Die Volksbefragung wurde noch von dem inzwischen Ex-Präsidenten Bronislaw Komorowski initiiert. Die Polen sollen sagen, ob sie für eine staatliche Parteienfinanzierung sind, für ein Mehrheitswahlrecht und ob in politischen Zweifelsfällen immer zugunsten des Steuerzahlers entschieden werden soll. Beata Szydlo möchte den Fragen-Katalog erweitern. Dafür sucht die Tochter eines Grubenarbeiters auf Kundgebungen trotz brütender Hitze Verbündete.

    "Die Polen haben das Recht, über die Rente mit 65, nicht 67 zu entscheiden, darüber, ob schon Sechsjährige zur Schule gehen sollen, ob Wälder in Polen Staatsbesitz sein müssen. Ich werde mich an Präsident Andrzej Duda wenden mit der Bitte, auch diese Fragen in dem Referendum zu stellen."
    Mit dem Wahlsieg des neuen polnischen Präsidenten hat die resolute Spitzenfrau der PiS einen überzeugenden Beweis ihrer Durchsetzungsfähigkeit erbracht. In allen Umfragen liegt Szydlo derzeit vorn. Die 52-Jährige ist robust, aber keine Scharfmacherin, eine Frau der Mitte, die ursprünglich in die rechtsliberale Bürgerplattform von Donald Tusk eintreten wollte, bevor sie zur PiS ging und dort seit fünf Jahren Partei-Vize ist. Jetzt umwirbt die stets ernst, fast finster blickende Frau alle und jeden. "Meine Reise wird die größte Diskussion mit den Bürgern, ich möchte reisen, um Leute zu treffen, mit Leuten zu sprechen, mit jedem."
    Duda wirbt für Szydlo
    Die größte Wahlkampfhilfe für Beata Szydlo kommt geradewegs aus dem Präsidentenpalast. Offiziell hat Duda die Parteimitgliedschaft bei PiS aufgegeben, de facto reist er seit seiner Inauguration schon wieder wie im Wahlkampf durch das Land, für Frau Szydlo. Er verspricht sich einzusetzen für die Erhöhung des Kindergeldes, die Rente mit 65, die Anhebung des Steuerfreibetrags. Anreize, die nicht nur die bisherigen PiS-Wähler locken dürften. Die Botschaft: Die PiS kümmert sich und kann das noch besser, wenn Präsident und Regierung auf einer Linie liegen. So wie einst, als die PiS-Zwillingsbrüder Kaczynski das Land regierten - und spalteten. Die Gefahr sieht man auch bei PiS. Wohl deswegen fiel die Wahl der Spitzenkandidaten auf Andrzej Duda und Beata Szydlo. Beide wurden zwar von Jaroslaw Kaczynski ins Rennen geschickt, doch sie waren kaum bekannt und politisch unverbraucht.

    Beata Szydlos Wahlversprechen wird eine von ihr geführte Regierung kaum bezahlen können, doch noch wollen die Wähler offenbar glauben, was sie verheißt, konstatiert auch der SDL-Abgeordnete Wincenty Elsner. "Recht und Gerechtigkeit hat auf jeden Fall sehr gute Werbeleute. Beata Szydlo ist Premierministerin Ewa Kopacz heute mindestens zwei Schritte voraus."
    Polen, die die aufgeladene Atmosphäre der Kaczynski-Ära in unguter Erinnerung haben, dürften sich fragen, wie groß der Einfluss von Jaroslaw Kaczynski heute noch ist. Wenn das ganze Land gerade über die Aufnahme von 2.000 Flüchtlingen spricht, redet Szydlo von den Arbeitsemigranten und dann klingt sie wie Kaczynski: Polen solle erst an die Polen denken, die ins Land zurückkehren wollten.