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Wahlkampf in Polen
Tusk-Partei wirbt um Wählerstimmen

Künstliche Befruchtung, Frauenrechte, mehr Rechte für Homosexuelle: Donald Tusks regierende Partei "Bürgerplattform" PO präsentiert sich im Wahlkampf als mutige Partei der Freiheit. Bei den Wählern kommt das bisher kaum an. Im Gegenteil: Die rechtskonservative Oppositionspartei PiS legt in Umfragen weiter zu.

Von Florian Kellermann | 25.08.2015
    EU-Ratspräsident Donald Tusk
    Donald Tusk ist zurzeit EU-Ratspräsident (dpa)
    Als polnischer Ministerpräsident war Donald Tusk nicht eben bescheiden. "Es gibt ja keinen, gegen den wir verlieren könnten", tönte er vor der Parlamentswahl vor vier Jahren. Tusk, heute EU-Ratspräsident, nutzte die Schwäche der Opposition dazu, seine Partei umzubauen.
    Die "Bürgerplattform", kurz PO, die als liberale Formation begonnen hatte, sollte sich viel breiter aufstellen. Tusk band einerseits linke Politiker an die Partei, wie zum Beispiel Bartosz Arlukowicz, dem er das Amt des Gesundheitsministers übertrug. Andererseits durfte der nationalkatholische Flügel der PO mit Jaroslaw Gowin das Justizministerium stellen.
    Gescheitertes Projekt
    Doch dieses Projekt einer großen Volkspartei, beinahe einer Partei der nationalen Einheit, scheiterte. Die "Bürgerplattform" sei zu einer Formation ohne Profil geworden, sagt der Warschauer Soziologe Andrzej Rychard.
    "Keine eigene Meinung zu haben, wurde sogar zur unausgesprochenen Ideologie der Bürgerplattform. Ihre Anführer haben das nicht als Fehler betrachtet. Wir werden uns nicht über Themen streiten, die etwas mit Werten zu tun haben, haben sie sich gesagt. Da kommt man schwer zu Kompromissen.
    Die "Bürgerplattform" hat sich auf die Modernisierung des Landes konzentriert, die ja die allermeisten Menschen unterstützen."
    Erst jetzt, kurz vor der Parlamentswahl, besinnt sich die "Bürgerplattform" wieder auf ihre einstigen Stammwähler. Sie hat zumindest einige der liberalen Versprechen, mit denen sie vor acht Jahren an die Macht gekommen ist, erfüllt.
    Ende Juli zum Beispiel wurde das Gesetz zur künstlichen Befruchtung unterzeichnet. Bisher waren solche Eingriffe in Polen zwar nicht verboten, aber auch nicht gesetzlich geregelt. Nun dürfen Kliniken ganz offiziell Embryos einfrieren, um bei einem Fehlversuch weitere Eizellen einzupflanzen. Nicht benötigte Embryos können sie vernichten.
    Proteste der Kirche
    Die Entrüstung der katholischen Kirche ließ nicht lang auf sich warten. Denn für sie sind Embryos bereits Menschen. Hochstehende Geistliche gehen seitdem hart ins Gericht mit der Regierung, so Erzbischof Andrzej Dziega, Vorsitzender des Rechtsausschusses in der Bischofskonferenz.
    "Wenn ihr nur ein niederträchtiges Gesetz verabschiedet hättet, dann wäre die Frage, wie Gläubige es beurteilen sollen, eine Sache des Gewissens. Aber Ihr habt ein verbrecherisches Gesetz beschlossen. Es spricht dem Menschen das Menschsein ab. Man darf ein Kind ungestraft töten, nur weil es einem Professor im Labor nicht gelungen ist. Das ist ein Verbrechen."
    Andrzej Dziega ist der Ansicht, dass die gläubigen Abgeordneten der Bürgerplattform eine schwere Sünde begangen haben. Sie sollten nicht mehr am Abendmahl teilnehmen, erklärte er.
    Schon zuvor hatte die Regierung eine Konvention des Europarats angenommen, die Gewalt gegen Frauen bekämpft. Auch dagegen stellte sich die katholische Kirche, unter anderem, weil die Konvention die traditionelle Rollenverteilung in der Familie kritisiert.
    Doch die Regierung ging zuletzt noch einen Schritt weiter: Sie berief einen neuen Ombudsmann für Menschenrechte, der für eingetragene gleichgeschlechtliche Partnerschaften eintritt. Adam Bodnar, bisher Vize-Vorsitzender der Helsinki-Stiftung, hat auch kein Problem damit, sich als Atheist zu bezeichnen.
    Starker Gegenwind
    Ministerpräsidentin Ewa Kopacz von der Bürgerplattform nutzt die Empörung der rechtskonservativen Opposition, um die liberalen Wähler zu warnen.
    "Diese Politiker wollen den Menschen vorschreiben, wie sie leben sollen. Wenn sie die Wahl im Oktober gewinnen, dann werden wir ihr Diktat spüren. Ich finde das entsetzlich."
    Die "Bürgerplattform" präsentiert sich also wieder als mutige Partei der Freiheit. Bei den Wählern kommt das bisher kaum an. Im Gegenteil: Die rechtskonservative Oppositionspartei PiS legt in Umfragen weiter zu, für sie würden derzeit über 40 Prozent der Wähler stimmen. Der Soziologe Rychard erklärt das so:
    "Der Kandidat der PiS hat die Präsidentenwahl gewonnen - das war ein schwerer Schlag für die Bürgerplattform. Die PiS hat seitdem den Nimbus einer neuen politischen Kraft. Dagegen kommt die PO kaum an, wie sehr sie sich auch bemüht."
    Viel Zeit bleibt der "Bürgerplattform" nicht mehr: Noch genau zwei Monate sind es bis zur Wahl.