Freitag, 29. März 2024

Archiv


Wahlkampf mit NSA

Mit sogenannten Kryptopartys, auf denen erklärt wird, wie man möglichst wenig Spuren beim Surfen im Netz hinterlässt, versucht die Piraten-Partei zurzeit aus dem Umfragetief zu kommen. Denn aufgrund des NSA-Abhörskandals ist die Diskussion um den Datenschutz im Internet aktueller denn je.

Von Sophia Naim | 11.07.2013
    Erst mal muss jeder seinen Computer hochfahren. Die Tische stehen zusammengeschoben in der Mitte eines kleinen Raums. Daran sitzen zehn Leute, auch zwei Frauen, ihre Laptops sind aufgeklappt. Gekommen sind junge Studenten wie Ältere mit langen, grauen Haaren samt Zopf und Bart. Alle, das wird schnell klar, kennen sich halbwegs aus mit der Thematik. Trotzdem wollen sie ihr Krypto-Wissen auffrischen und hoffen auf Tipps, wie sie ihre elektronische Kommunikation Geheimdienst-sicher verschlüsseln können.

    "Dann begrüß ich euch zur ersten Kryptoparty hier in Aachen."

    Michael Sahm – 44 mit Brille und Glatze - eröffnet die Party. Er leitet bei den Piraten den Arbeitskreis "digitales Aachen":

    "Sinn und Zweck soll heute sein, dass an Kryptografie interessierte Leute sich unter Anweisung die entsprechende Software auf ihrem Laptop installieren können, dass sie ein bisschen Grundlagen erfahren zum Thema Kryptografie, E-Mails verschlüsseln, wie das so funktioniert mit öffentlichen und privaten Schlüsseln, ähm, und dann würd ich sagen fangen wir einfach mal an."
    Ein Beamer projiziert den Bildschirm von Sahms Computer an die weiße Wand, sodass alle die einzelnen Schritte, die er erklärt, verfolgen können. Er zeigt den Anwesenden beispielsweise, wie man elektronische Nachrichten mit einem sogenannten Schlüssel – also einer x-beliebigen Zahlen– und Buchstabenkombination - versehen kann. Öffnen Unbefugte – wie etwa der US-amerikanische Geheimdienst – eine solche E-Mail erscheint nicht mehr als Datensalat. Der NSA-Abhörskandal zeige, findet Sahm, wie wichtig es ist, im World Wide Web verschlüsselt zu arbeiten.

    "Der Traum wäre, dass tatsächlich jeder, der sich in irgendeiner Form im Internet bewegt, keine Spuren hinterlässt, seine Sachen verschlüsselt, also quasi so ein Bewusstsein dafür, was er macht und was passieren kann, das wird vermutlich die Überwacher, die Geheimdienste fuchsig machen, aber je schwerer wir es ihnen machen umso eher ist es ein aussichtsloser Kampf von ihnen gegen die Bevölkerung. "

    Es scheint fast s, als hätten die Piraten endlich ihr Thema gefunden – wenige Wochen vor der Bundestagswahl. Freiheit und Sicherheit im Internet, dafür kämpft die junge Partei schon lange. Und jetzt, da sich alle Welt über die Bespitzelung im Netz aufregt, erkennen vielleicht auch die Bürger die Bedeutung dieses Kampfes. Und da Bürger gleich Wähler – haben sich pfiffige Strategen bei den Piraten die Kryptoparty ausgedacht. Ein Selbstläufer – bundesweit laden Ortsgruppen zu diesen Partys ein, um Internetnutzern zu zeigen, wie sie sich im Netz vor Schnüfflern von der NSA schützen können.

    "Die sind nicht demokratisch gewählt, bestimmen aber wesentlich das politische und wirtschaftliche Leben. Und werden selber nicht überwacht. Die Überwachung trifft im Prinzip die Unschuldigen, also den Normalbürger trifft es und den schränkt es in seinen Grundrechten ein. Das heißt, so ne Kryptoparty wie heute hilft Vielleich, das ein kleines Stückchen besser zu machen."

    Die Kryptoparty als Alternative zur klassischen Wahlkampfveranstaltung. Oder anders gesagt: für die Piratenpartei eine Chance, mit potenziellen Wählern ins Gespräch zu kommen. Denn vielleicht ist der Internetnutzer, der Angst vor unbefugten Mitlesern hat, bereit, bei der Bundestagswahl am 22. September seine Stimme doch der Internet-Partei zu geben. Zumal - in einem Punkt sind sich alle Anwesenden in Aachen einig: Die Skepsis gegenüber der Bundesregierung ist gewachsen. Eindeutig ist dann auch die Reaktion auf die Erklärung von Schwarz-Gelb, von der NSA-Überwachung nichts gewusst haben zu wollen.

    "Wie sag ich das jetzt, ohne morgen abgeholt zu werden? Also ich geh davon aus, die Bundesregierung hat es gewusst, auch die deutschen Geheimdienste. Ich kann es nicht belegen, aber die Bundesregierung hat bei mir sämtliches Vertrauen verspielt. Jetzt muss man sagen der BND ist in ner schwachen Situation, weil entweder sie haben es nicht gewusst, dann haben die ihre Arbeit nicht getan oder sie haben es gewusst, dann haben sie uns ins Messer laufen lassen. Ja also, sie kommen aus der Geschichte so ohne Weiteres nicht raus."

    Und dann beugen sich die Computerfreaks wieder über ihre Laptops. Jetzt geht es um das richtige Passwort. Das A und O jeder Verschlüsselung. Das verhindert, dass sich ein Fremder unerlaubt ins eigene Netz einhackt. Pascal Alexi kennt sich da aus und empfiehlt ein Passwort zu nehmen, das total zufällig und maximal sinnlos ist:

    "Ich bin dann zum Beispiel hingegangen und hab mir einen Fantasiesatz ausgedacht, ein Fantasiesatz wäre zum Beispiel: Die Kleine Hexe Picabu reitet gerne im Schatten des roten Mondes. Totaler sinnfreier Satz eigentlich ... und wenn ich dann noch Zahlen da rein setzte, die mir was bedeuten, dann hab ich ein relativ sicheres Passwort."

    Es sind einfache, anschauliche und ganz konkrete Dinge, die man auf den Krytopartys der Piraten lernen kann.

    Es ist ruhig geworden um die junge Partei. Mit bedingungslosem Grundeinkommen oder kostenlosem öffentlichen Personennahverkehr können die Piraten in Zeiten der Finanzkrise nicht punkten. Nun hat die Internet-Partei vielleicht Gelegenheit, mit ihrem eigentlichen Thema zurück ins politische Rampenlicht zu finden – dem Abhörskandal sei Dank.