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Wahlkampf
Schulz-Euphorie bei der Saar-SPD

Höhere Einkommen und stabile Renten - diese Themen platzierte der Kanzlerkandidat der SPD, Martin Schulz, bei seinem Besuch im Saarland. Seit Schulz Kanzlerkandidat ist, hat die Saar-SPD 100 neue Parteibücher ausgegeben. Er mobilisiert auch außerhalb der SPD-Basis.

Von Tonia Koch | 09.02.2017
    Ein SPD-Parteianhänger hält ein Plakat mit einem Bild des SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz und der Aufschrift "Mega".
    SPD nominiert Schulz zum Kanzlerkandidaten (dpa)
    Eine Menschentraube schiebt sich durch Saarlouis. Mittendrin Martin Schulz, der Kanzlerkandidat der SPD. Er schüttelt Hände, posiert für Schnappschüsse.
    "Endlich, endlich haben wir eins erwischt, ja, ein Selfie!" Dann übertönt die Stimme von Oberbürgermeister Roland Henz das vielstimmige Gemurmel. "Der Oberbürgermeister regelt das, ich weiß auch, wo er noch hingeht."
    SPD-Mann Henz hat die Frittenbude am großen Markt in den Ablaufplan geschrieben. Nirgendwo sonst lässt sich Volksnähe besser demonstrieren, als bei Pommes und Curry-Wurst. Und Martin Schulz freut sich, dass die Menschen ihm so viel Sympathie entgegen bringen.
    "Wenn sie mit den Menschen hier reden, dann werden sie relativ schnell spüren, dass es einen tief sitzenden Wunsch nach Gemeinsamkeit gibt. In dieser auseinanderdriftenden Gesellschaft wollen die Menschen zusammengehören und ich möchte den Versuch unternehmen, ein Stück dazu beizutragen, dass wir mehr zusammen halten."
    Martin Schulz weckt Interesse
    Schulz mobilisiert. Binnen einer Woche hat die Saar-SPD 100 neue Parteibücher ausgegeben und er weckt Interesse, weit über die SPD-Basis hinaus.
    "Ich bin eigentlich kein SPDler, er wirkt anders, irgendwie näher dran, er ist offener, er sagt auch mal Klartext, nicht immer wie das die Politiker gerne machen, immer drum rum und eigentlich nix sagen. Der spricht einfach die Sachen aus, die vielen Leuten auf der Seele liegen, ob man das alles halten kann, ist eine andere Sache. Er spricht halt die Leute besser an, weil er auf das Thema setzt, das untergegangen ist in den letzten Jahren, auf Gerechtigkeit in der Gesellschaft."
    Auch der saarländische Zweig der Schulz-Familie hat es sich nicht nehmen lassen, nach Saarlouis zu kommen. Mit dem aktuellen Kanzlerkandidaten der SPD teile er viele gemeinsame Kindheitserinnerungen sagt Cousin Klaus Rief. Und: Auf Schulz sei Verlass, ist der Cousin überzeugt.
    "Die Ahnen waren also Bergleute, ehrliche Leute, fleißige und ehrliche Leute."
    Anke Rehlinger profitiert von Martin Schulz
    Martin Schulz ist bereits auf dem Weg zum Programmparteitag der Saar-SPD am gleichen Abend an der Saarschleife, der Heimat von SPD-Frau Anke Rehlinger. Die amtierende Wirtschaftsministerin tritt für das Amt der saarländischen Ministerpräsidentin an. Gut sechs Wochen vor der Landtagswahl am 26. März, konnte Rehlinger nichts Besseres passieren als Martin Schulz.
    "Er ist ein halber Saarländer, er ist ein Europäer, wir sind das europäischste aller Bundesländer und er setzt auf das zentrale Thema soziale Gerechtigkeit und das passt zu unserem Wahlkampf, das passt zu unserem Land."
    Drinnen im Saal ist kein Platz mehr frei. Schulz liefert, wenn auch verhalten. "Unser Konzept lautet: Höhere Einkommen und stabile Renten, das ist , womit wir in den Wahlkampf ziehen." Über weite Strecken bleibt er leise, fast nachdenklich.
    "Liebe Genossinnen und Genossen, was erwarten die Menschen von der sozialdemokratischen Partei Deutschlands? Sie erwarten von uns nicht, dass wir sie zu Millionären machen, das wissen sie, dass wir das nicht können. Aber sie erwarten von uns, dass wir dafür sorgen, dass sie ein Leben in Würde leben können. Ein Leben in Würde ist, ein Arbeitsplatz an dem man als Mensch respektiert wird und nicht als Kostenfaktor mit Ohren. Ein Arbeitsplatz an dem Kollegialität und Gemeinsinn herrscht und ein Gehalt oder ein Einkommen gezahlt wird, das dir ein Leben in Würde ermöglicht."
    Das Parteivolk ist begeistert. "Ich glaube, er hat den meisten aus der Seele gesprochen. War sozialdemokratisches Urprogramm. Ich fand, dass viele Dinge von Herzen kommen. Der Schulz geht auf die alten Werte zurück und das ist der richtige Weg."
    Gute Stimmung auf dem Parteitag
    Den eigentlichen Wahlkampf überlässt Schulz der saarländischen Herausforderin Anke Rehlinger. Sie wirbt für kostenfreie Bildung von der Kita bis zur Uni und für eine sozial gerechte Zukunft.
    "Da haben wir nicht immer und jeden Tag alles richtig gemacht, aber unser Kurs und unser Kompass stimmt, denn der ist auf soziale Gerechtigkeit ausgerichtet und es gilt für uns nach wie vor der Grundsatz: Wer arbeitet, der muss davon leben können und wer arbeitet, der muss am Ende jedes Monats mehr in der Tasche haben als derjenige, der nicht arbeitet, und auch dann, wenn er seine Rente bekommt. Das ist die Aufgabe von Sozialdemokratie."
    Eine solche Stimmung hat es bei Parteitagen der Saar-SPD schon lange nicht mehr gegeben. Und noch etwas ist anders. Ein Gewerkschafter, Ralf Cavelius von der IG-Metall, bittet um die Aufmerksamkeit der Delegierten. Er stellt eine Wählerinitiative vor.
    "Die Aussage ist klar und eindeutig: Anke für uns, wir für Anke." Eine derart eindeutige Geste zugunsten einer SPD-Spitzenkandidatin hat es seit der von Altbundeskanzler Gerhard Schröder umgesetzten Agenda 2010 nicht mehr gegeben. Die Zeichen stünden auf Aussöhnung, sagt Cavelius.
    "Im Grunde genommen sind Martin Schulz und auch Anke Rehlinger unbelastet in diesem Thema und signalisieren klar, ja, da gab es Fehler, die wir korrigieren wollen."