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Wahlkampf unter Strom

Die Bundesregierung beharrt auf einer Strompreisbremse, die Opposition fordert ein Einlenken in Richtung erneuerbarer Energien. So wird der kommende Energiegipfel kaum Annäherung bringen. Die Energieversorger schaffen derweil mit neuen Kohlekraftwerken Fakten gegen die Ökoenergien.

Von Sönke Gäthke | 20.03.2013
    Kairos, in der griechischen Mythologie der Gott der Gelegenheit, mit Flügeln, rasch dahin eilend. Wer die Gelegenheit nutzen will, muss sie schnell beim Schopf ergreifen, heißt es in Pierer's Universallexikon, "denn einmal entflohen, bringt sie selbst Jupiter nicht wieder zurück".

    Zum Beispiel die Gelegenheit, zu einem neuen Zeitalter des Stroms aufzubrechen – ohne Öl, ohne Gas, ohne Kohle. Das Feuer hat ausgedient. Alle heizen, kochen, fahren mit Strom aus Wind-, Sonnen-, Wasserkraft. Zu bezahlbaren Preisen. Keiner kann die Menschen mit Öl oder Gas erpressen.

    Möglich ist das im Prinzip schon in 37 Jahren, schreibt etwa der Wissenschaftliche Beirat der Bundesregierung. Das ist fast zum Greifen nahe. Die Gelegenheit zum Zugreifen ist heute günstig wie nie: Die Hälfte aller Kraftwerke in Deutschland ist am Ende. Ebenso viele in ganz Europa. Alt und verbraucht nach 40 Jahren Dienst.

    Das ist die Kairos-Situation: ein Fenster der Gelegenheit von einigen wenigen Jahren. Was diese alten Kraftwerke ersetzt, wird die Energieversorgung der kommenden 40 bis 60 Jahre bestimmen: Ist es Kohle? Oder Wind und Solarenergie? Wenn diese Frage entschieden ist, schließt sich das Fenster wieder.

    Peter Altmaier: "Ich habe vor drei Wochen den Vorschlag einer Strompreisbremse vorgelegt, über den diskutiert wird, über den wir in einer intensiven Diskussion parteiübergreifend sind. Und von der ich hoffe, dass wir bis zur Sommerpause gemeinsam eine gesetzliche Regelung verabschieden können."

    Philipp Rösler: "Ich begrüße die Vorschläge, die mein Kollege Bundesumweltminister Peter Altmaier zur Einführung einer Strompreisbremse gemacht hat."

    Peter Altmaier: "Ich möchte nicht, dass der Ausbau gebremst wird. Ich möchte aber, dass der Ausbau bezahlbarer wird, dass er zu niedrigeren Kosten möglich wird."

    Philipp Rösler: "Der Hauptkostentreiber bleibt das Gesetz zur Förderung Erneuerbarer Energien. Es reicht nicht aus, nur einige wenige Stellschrauben zu ändern, sondern wir müssen das Gesetz grundlegend verbessern und das muss das Ziel der Koalition weiter bleiben."

    Vor einigen Wochen dann dieser Vorstoß von Umweltminister Peter Altmaier, CDU. Er und FDP-Wirtschaftsminister Philipp Rösler haben sich mittlerweile auf eine ganze Reihe von Maßnahmen geeinigt, die helfen sollen, das weitere Ansteigen der Strompreise zu verhindern. Unter anderem sollen neue Windräder und Biomassekraftwerke fünf Monate lang nur den erheblich niedrigeren Strombörsenpreis erhalten. Die Vergütung für Windräder soll von insgesamt möglichen zehn Cent auf acht Cent sinken. Im Gegenzug sollen Ausnahmen für stromintensive Unternehmen gestrichen werden, die bislang von der EEG-Umlage befreit sind.

    Insgesamt soll diese Strompreisbremse 1,8 Milliarden Euro einsparen – 1,1 Milliarden sollen die Erneuerbaren beitragen, 700 Millionen von der Industrie kommen.

    Die Kanzlerin hat die Ministerpräsidenten für Donnerstag zu einem Treffen ins Kanzleramt geladen. Doch was als "Energiegipfel" angekündigt war und eine Entscheidung in Sachen Begrenzung der Strompreise bringen sollte, droht zum Fiasko zu werden: Die von SPD und Grünen regierten Bundesländer sperren sich gegen einen Teil der Altmaier-Vorschläge. Am Dienstag endete ein Vorbereitungstreffen von Bund und Ländern erfolglos. Eine Lösung des Konflikts ist offenbar nicht in Sicht.

    Die Idee der Strompreisbremse ist auch für die Hersteller und Betreiber von regenerativen Kraftwerken, für Verbände, Forscher und Befürworter der Energiewende wie eine kalte Dusche. Denn aus deren Sicht stünden ganz andere Fragen auf der Agenda, wollte man die Gelegenheit beim Schopfe ergreifen.

    Claudia Kemfert: "Es geht praktisch um eine Reform des EEG oder eine Weiterentwicklung oder auch eine Zusammenführung dieses Marktes, auch mit den herkömmlichen Energien."

    Bärbel Höhn: "Das heißt, wir brauchen etwas anderes. Wir brauchen einmal den Markt für die Erneuerbaren, die einspeisen. Und dann brauchen wir einen Markt für die Zeiten, wo es erneuerbare nicht gibt."

    Reinhard Gründwald: "Die Flexibilisierung der Kraftwerke, der Erzeugungsseite ist das zweite. Und das dritte ist eine Flexibilisierung in der Nachfrageseite."

    Ein neuer, besser austarierter Strommarkt, neue Kraftwerke vom richtigen Typ, eine sinnvolle Angleichung von Stromerzeugung und Verbrauch, neue Techniken für die Stromnetze – vier Großbaustellen, die Forscher und Ingenieure auf Jahre hinaus beschäftigen könnten. All das müsste jetzt geplant und koordiniert werden. Genügend Herausforderungen und Probleme für die Politik.

    Claudia Kemfert: "Aber anstelle sie zu benennen und auch anzugehen, stigmatisiert man die Energiewende als Problemfall, um davon abzulenken, dass man tatsächlich Schwierigkeiten hat, die man selbst verursacht hat."

    Die sogenannte Strompreisbremse als großes Ablenkungsmanöver: Nicht nur die Wirtschaftswissenschaftlerin Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in Berlin sieht das so. Ihre Begründung: In diesem Jahr stehe gar keine Erhöhung der EEG-Umlage an – wenn aktuell die Strompreise steigen, dann hat das also mit dem Erneuerbare-Energien-Gesetz überhaupt nichts zu tun.

    Zudem wäre der Spareffekt der geplanten Strompreisbremse nur minimal: Mit Hilfe der Sammlung von insgesamt zwölf Maßnahmen würden die Stromkunden um 1,8 Milliarden Euro entlastet. Das klingt viel – ist es aber nicht:

    "Das hätte jetzt auf eine Umlage gerechnet höchstens einen Effekt von 0,3 Cent pro Kilowattstunde, das ist also im Promillebereich, was man hier ausrechnen kann für Entlastungen. Also hochgerechnet aufs Jahr sind es vielleicht 30 Euro für einen Vier-Personen-Haushalt, aufs ganze Jahr."

    Auch vor dem Hintergrund der Zahlen, die Peter Altmaier als Kosten der Energiewende genannt hat – rund 700 Milliarden Euro für den Zeitraum zwischen 2000 und 2032, plus weitere, unbezifferte Summen – wirken die 1,8 Milliarden wie ein Tropfen auf den heißen Stein.

    Reinhard Grünwald: "Ich habe immer so ein bisschen ein Problem damit, wie mit bestimmten Zahlen in der öffentlichen Diskussion hantiert wird. Zum Beispiel die Kosten, die die Erneuerbaren erzeugen, also Mehrkosten. Wenn man da sozusagen nur die EEG-Umlage heranzieht und sagt: Das ist aber so teuer, können wir uns das überhaupt leisten, als deutschen Sonderweg schon gleich gar nicht, so funktioniert das alles irgendwie nicht."

    Reinhard Grünwald vom Büro für Technikfolgenabschätzung beim Deutschen Bundestag. Er hat für die Abgeordneten analysiert, wie ein sinnvolles Wind- und Sonnenstromsystem aussehen könnte. Und welche Punkte in der aktuellen Diskussion oft übersehen werden:

    "Das ärgert mich manchmal ein bisschen. Weil der erneuerbare Strom auf der anderen Seite auch dazu führt, dass der Börsenstrompreis erheblich sinkt. Und dass das ein Faktor ist, der in die Milliarden Euro gehen kann, der aber dann bei den Mehrkosten, den man dann den Erneuerbaren sozusagen aufbrummt, gar nicht mehr mitdiskutiert wird."

    Doch warum eigentlich wird in der Politik auf einmal so leidenschaftlich über die Strompreise diskutiert?

    "Es soll ein Wahlkampfthema sein, damit will sich die FDP profilieren."

    Davon ist Bärbel Höhn von den Grünen überzeugt:

    "Und der Bundesumweltminister Altmaier wollte das nicht zulassen. Und hat wahrscheinlich einen Auftrag von Angela Merkel, den Punkt abzuräumen."

    Bei all dem Wahlkampfgetöse komme leider auch die Diskussion über die Chancen der Energiewende unter die Räder, meint Claudia Kemfert. Und das, so befürchtet sie, könnte nicht die einzige Auswirkung der aufschäumenden Debatten auf die Energiewende sein.

    "In der Summe, muss man sagen, ist es zwar aus Wahlkampfgründen verständlich, wenn man eine solche Strompreisbremse durchdeklinieren will. Aber sie hat keine großen Auswirkungen, selbst wenn sie in der Konsequenz durchgeführt werden würde, sie bringt eher Verunsicherung. Noch hat sie wirklich einen Effekt, den man braucht für die Energiewende."

    Peter Altmaier: "Nein, ich muss das ganz entschieden korrigieren und zurückweisen."

    Philip Rösler: "Es geht leider nicht weit genug. Wir brauchen den großen Wurf."

    Peter Altmaier: "Die Anreize sind gerade nicht weg, sondern wir schützen den verfassungsrechtlichen Anspruch auf Einspeisevergütungen für diejenigen, die bereits investiert haben."

    Die Signale sind unklar. Nicht erst seit diesem Jahr. Und nicht nur für die Branche der Erneuerbaren, sondern für die gesamte Strombranche.

    Bärbel Höhn: "Man muss sich ja überlegen, wir hatten einen Ausstieg aus der Atomkraft. Und der ging auch so, dass die Anlagen eine nach der anderen abgeschaltet wurden. Dann hat die Bundesregierung, die schwarz-gelbe, überlegt, sie wollen jetzt diese Ausstieg wieder rückgängig machen. Und haben den Atomkraftwerken längere Laufzeiten gegeben. So, das war jetzt gerade zum Ersten des Jahres beschlossen. Und im März, also gut zwei Monate später, kam diese furchtbare Reaktorkatastrophe von Fukushima. Und dann haben sie sich überlegt, ja, jetzt schnell wieder raus aus der Verlängerung. Also praktisch ein Ähnliches, wie vorher, ein Ähnliches, ein Atomausstieg, aber der ist momentan viel rechtsunsicherer."

    Darauf folgte erst einmal ein Hick-Hack um die Fördersätze für Fotovoltaik, dann ein Gezerre um die Haftungsfragen für Offshore-Windräder, eine Debatte um die EEG-Umlage. Aanschließend kündigte der Umweltminister eine weitere Novelle des Erneuerbare-Energien-Gesetzes an, eine grundlegende Reform. Und nun also auch noch die Strompreisbremse.

    Besonders hart würde diese die Windenergie treffen: Die Vergütung für Windräder an Land soll auf acht Cent gesenkt werden. Entschädigungen für den Fall, dass die Anlagen zwangsweise abgeschaltet werden müssen, werden gekürzt. Ab August müssen alle neuen, großen Anlagen ihren Strom direkt vermarkten und sich um das Eintreiben der Umlage selbst kümmern. Für die ersten Monate im Betrieb soll gar keine Umlage mehr gezahlt werden.

    Das könnte die Energieprogramme der Bundesländer empfindlich stören. Länder wie Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Bayern und Baden-Württemberg setzen auf neue Windkraftanlagen, die speziell für den Einsatz im Binnenland konstruiert wurden. Die aber lohnen sich unter den neuen Bedingungen nicht mehr.

    "Für diesen Windpark in Sarbeck würde das eine Reduzierung der Einnahmen um 18 Prozent geben. Und das würde für alle Windräder bedeuten, dass sie nicht mehr finanzierbar wären."

    Erklärt etwa Dieter Ruhe vom Windpool Saerbeck – ein Bioenergiepark mit einer großen Solaranlage und sieben im Bau befindlichen Windrädern in der Region Münster.

    Im Norden warnt daher der Energieminister Mecklenburg-Vorpommerns, Volker Schlotmann, dass die Ausbauziele der Energiewende gefährdet seien. Im Westen, in Rheinland-Pfalz, steht nach einer Umfrage des Wirtschaftsministeriums der Betrieb von 100 Windrädern auf der Kippe. Ministerin Eveline Lemke von den Grünen sieht daher neben der Energiewende auch 7000 Arbeitsplätze im Westen wanken.

    Im Süden, in Baden-Württemberg, warnt inzwischen auch der landeseigene Energiekonzern EnBW davor, dass mit der Strompreisbremse Wind- und Solarkraftwerke nicht mehr finanzierbar seien. Und selbst in Bayern lehnte sich die CSU gegen einen Teil der geplanten Maßnahmen auf.

    SPD und Grüne haben sich auf eine gemeinsame Linie verständigt: Sie schlagen vor, die Belastungen für die Ökostrombranche auf 200 Millionen Euro zu begrenzen. Nach Ansicht der Bundesregierung reicht das allerdings nicht, um den Kostenanstieg bei der Ökostromumlage zu bremsen. SPD und Grüne fordern außerdem, die Stromsteuer um 25 Prozent zu kürzen, was die Verbraucher um bis zu 1,8 Milliarden Euro entlasten könnte. Das allerdings dürfte das Bundesfinanzministerium verhindern. Die Grünen drängen zudem darauf, den Emissionshandel wieder zu beleben - was wiederum der Bundeswirtschaftsminister bisher vehement ablehnt. Eine verfahrene Situation.

    Teilnehmer des Vorbereitungstreffens von Bund und Ländern ließen sich am Dienstag zitieren, eine Einigung sei in weiter Ferne, beim Energiegipfel am Donnerstag werde es wohl keine Lösung geben.

    Doch ob sich die Bundesregierung nun morgen mit den Ländern auf die geplanten Maßnahmen einigt oder nicht, Folgen hat die Strompreisdebatte schon jetzt, davon ist Claudia Kemfert überzeugt:

    "Die Unsicherheiten gehen bis durch zu den Investoren, die sagen, wir verschieben das alles jetzt noch einmal. Und überdenken es jetzt noch einmal. Bis hin zu den Banken, ganz genau, die eben dann auch sagen, wir brauchen höhere Risikoaufschläge, damit wird es noch teurer."

    Dass diese Entwicklung bereits begonnen hat, zeigt ein Bericht des ZDF, in dem sich Guido Braune von der Landesbank Bremen äußert:

    "Es führt aber auch zu einer großen Verunsicherung, die eben dazu führt, dass wir von Bankenseite mehr Eigenkapital verlangen werden. Was wiederum dazu führt, dass eher große Energieversorger bevorteilt werden oder das eher ausgleichen können als kleine, mittelständische oder auch Bürgerwindparks."

    Die Fotovoltaik dagegen kommt bei Altmeiers Strompreismaßnahmen vergleichsweise glimpflich davon: Bei den weit verbreiteten Dach-Anlagen ändert sich nichts.

    Bärbel Höhn: "Natürlich haben wir gerade ein Bundesland mit Bayern, die kurz vor der Wahl stehen und die großen Profiteure der Fotovoltaik sind. Aber auf der anderen Seite ist es auch so, dass die Fotovoltaik mittlerweile einen ganz wichtigen Punkt übersprungen hat."

    Es liegt tatsächlich nahe, dass die Schonung der Solardachbesitzer vor allem der Rücksicht auf den CSU-Wahlkampf in Bayern geschuldet ist. Denn: Der Preis für Fotovoltaik ist inzwischen so weit gesunken, dass es sich unter Umständen auch ohne die Einspeisevergütungen lohnen würde, Solarzellen zu kaufen und aufs Dach zu schrauben.
    So verstreicht die Zeit, in der nutzlos über das EEG herumgestritten wird, anstatt neue Windräder und Solarparks zu bauen, über einen neuen Strommarkt zu diskutieren und vor allem: dringend notwendige neue Techniken für Stromnetze zu entwickeln.

    Doch nicht alle lassen die Zeit nutzlos verstreichen: Kaum bemerkt von der Öffentlichkeit, nutzen Energieversorger wie E.on, RWE, Vattenfall, aber auch die Steag und die Trianel, die Zeit – und bauen neue Kohlekraftwerke.

    "Wenn alte Kohlekraftwerke durch neue Kohlekraftwerke ersetzt werden, dann ist mir das durchaus Recht."

    Meint Bundesumweltminister Peter Altmaier dazu. Das Problem: Für eine sinnvolle Ergänzung zu den Erneuerbaren sind die Kohlekraftwerke viel zu unflexibel, sie können nicht schnell und umfassend genug der Stromerzeugung von Wind und Sonne angepasst werden.

    Und in einem weiteren Punkt irrt der Bundesumweltminister: Es werden bei Weitem nicht nur alte durch neue Kraftwerke ersetzt – in Wahrheit werden viel mehr neue gebaut als alte abgeschaltet. Den Daten der Bundesnetzagentur zufolge gehen in den kommenden zwei Jahren 1640 Megawatt alte Kohleleistung vom Netz – aber 7946 Megawatt werden neu angeschlossen.

    Das entspricht einer Steigerung von rund 400 Prozent – in einem Stromnetz, das ohnehin schon als überlastet gilt, bei Marktpreisen, die als zu niedrig für neue Kraftwerke gelten. Und mit einer Technik, die nicht zur neuen Stromwelt passt.

    Und das alles angesichts von Ausbauplänen für Wind und Solar, die einen rentablen Betrieb dieser Kraftwerke unwahrscheinlich machen, wie Reinhard Grünwald prognostiziert:

    "Solche Grundlastkraftwerke funktionieren ökonomisch auch nur dann, wenn sie wirklich 7000 Stunden im Jahr, sagen wir mal, ein Jahr hat 8760 Stunden – also, die meiste Zeit im Jahr muss das Grundlastkraftwerk laufen, sonst ist es ökonomisch nicht tragbar, weil es sehr hohe Kapitalkosten hat, die sonst nicht erwirtschaftet werden können."

    Wind, Solar und Kohle steuern auf einen Konflikt zu. Ein Konflikt, der die Energiepolitik in den kommenden Jahrzehnten begleiten wird.

    Claudia Kemfert. "Die Kohlekraftwerke, die heute gebaut werden, werden 40 bis 60 Jahre im Einsatz sein. Und wenn man sie baut, will man sie auch so lange laufen lassen, weil es sonst gestrandete Investitionen sind."

    Welches Signal geht also für den Bau neuer Kohlekraftwerke aus? Werden die Betreiber sich geschlagen geben und ihre Investitionen abschreiben? Oder dürfen sie auf Hilfe hoffen – etwa, indem sich durch einen langsameren Ausbau der erneuerbaren Energien ihre Chancen auf dem Strommarkt verbessern? Oder, indem zum Beispiel die Vorfahrt für Ökostrom im Netz aufgeweicht wird?

    Bärbel Höhn: "Das ist in der Tat so, wenn der Bundesminister jetzt seine – er nennt es ja Strompreisbremse, ich sage es, Ausbaubremse - für die erneuerbaren Energien, wenn er das auf den Tisch legt. Dann heißt das, er macht den Weg weiter frei für die Kohlekraftwerke. Weil alles, was nicht ausgebaut wird an Erneuerbaren, ist frei für Kohlekraftwerke. Also insofern ist er eher der Kohleminister als der Minister für die Erneuerbaren Energien."
    Peter Altmaier: "Wir wollen nicht weniger Windräder. Wir wollen aber, dass die neuen Windräder, die gebaut werden, für weniger Geld preiswerter gebaut werden."

    Widerspricht Peter Altmaier. Das klingt zwar gut. Aber es lenkt gleichzeitig ab von der Chance – der Kairos-Situation: Um die beim Schopf zu ergreifen, könnte sich die Bundesregierung zum Beispiel dafür einsetzen, den CO2-Zertifikatehandel wieder zu beleben. Zahlreiche Experten fordern das seit Langem. Das würde einerseits den unerwünschten Kohlestrom verteuern. Und andererseits könnte es eine Reihe von Energieforschungsprojekten retten, die aus den Einnahmen des Emissionshandels finanziert werden sollten, jetzt aber auf der Kippe stehen, weil der Markt zusammengebrochen ist.

    Die Karten auf dem Strommarkt werden wieder neu gemischt in diesen Tagen. Dass sie gerecht verteilt werden im großen Strompoker – davon wird abhängen, ob er vielleicht doch ungenutzt vorbeizieht: Kairos, der Gott der Gelegenheit.