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Wahlnacht
Hamburger Party-Hopping

Nicht mehr fünf, sondern sechs Parteien sind in der nächsten Bürgerschaft vertreten. Landeskorrespondent Axel Schröder musste also eine ziemlich lange Tour durch Hamburg hinter sich bringen, um die Stimmungen auf den Partys einzufangen. Erwartungsgemäß war die Stimmung nicht bei allen gut.

Von Axel Schröder | 16.02.2015
    Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz und die Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen für die Hamburger Bürgerschaftswahl, Katharina Fegebank
    Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz und die Spitzenkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen für die Hamburger Bürgerschaftswahl, Katharina Fegebank (dpa / Christian Charisius)
    Sechs Parteien, sechs Wahlpartys. Die Rundfahrt beginnt beim Wahlsieger, bei der Partei, die am meisten Stimmengewinne – 6,1 Prozent - erzielen konnte, bei der AfD.
    AfD mit dem größten Stimmenzuwachs
    Die Partei feiert ihren Einzug in die Bürgerschaft unter dem Hamburger Rathaus, im Restaurant "Das Parlament". Ein Kellergewölbe mit gediegener Atmosphäre, großen Leuchtern unter der Decke. Zwei bullige Türsteher gewähren Eintritt. Für zehn Euro Eintritt gibt es Bockwurst mit Kartoffelsalat. Und jede Menge Aufbruchsstimmung bei den Mitgliedern:
    "Jetzt haben wir die besten Gelegenheiten in der Bürgerschaft, dass das eine seriöse Politik, die wir machen und dass es nicht irgendwelche Rechten, wildgewordenen Irren sind, die da jetzt am Werk sind."
    Auch der AfD-Spitzenkandidat Jörn Kruse ist glückselig mit dem Ergebnis:
    "Sechs Prozent, das ist eigentlich ein Ergebnis, wo ich mit stolzgeschwellter Brust heute nach Hause gehen kann."
    Linke feiert "absoluten Wahnsinn"
    Es geht weiter zum zweiten Sieger der Bürgerschaftswahl. Die Linke legte um 2,1 Prozent zu und feiert im "Vivo", einem etwas seelenlosen Veranstaltungs- und Einkaufszentrum in Hamburg-Altona. Bei Rotwein, selbstgedrehten Zigaretten und Bier sitzen die Genossen zusammen. Und diskutieren schon am Wahlabend über das gute Abschneiden der AfD:
    "Naja. Hamburg hat ja immer ein Herz für überraschende populistische Parteien. Insofern würde ich mal sagen: Der einzige echte Gewinner der Opposition ist die Linke!"
    "Das ist der absolute Wahnsinn! 17,8 Prozent in Altona, 14,3 Prozent in Mitte. Das sind Ergebnisse, die wirklich schon an eine mittelgroße Partei ranreichen. Da ist die Linke ja schon fast Volkspartei."
    Und die AfD wird sich, so die Hoffnung, in der neuen Bürgerschaft schnell in internen Machtkämpfen aufreiben.
    Grüne feiern ausgelassen
    Auf Platz drei – bezogen auf den Stimmenzuwachs - sind die Grünen gelandet. Mit 12,2 Prozent der Stimmen verbessert sich die Partei um einen Prozentpunkt. Feiert aber vor allem, dass sie aller Voraussicht nach als Juniorpartner der SPD die Stadt mitregieren werden.
    Die Stimmung ist prächtig. Der Spitzenkandidat Jens Kerstan tanzt sich im schummrigen Licht im alten Schlachthof auf St. Pauli den Wahlkampfstress vom Leib. Ein junger Mann springt in bunten Leggings über die volle Tanzfläche. Bislang die Wahlparty mit der besten Stimmung.
    Liberale Lichtgestalt Jatja Suding
    Aber was die Grünen können, kann die FDP schon lange. Drei Häuserblocks entfernt, in der neuen, angesagten Party-Location "Altes Mädchen" sind die Liberalen berauscht. Die liberale Lichtgestalt Katja Suding tanzt, reckt einen Arm in die Höhe, ihre dunklen Haare fliegen, ihr Luftgitarren-Einsatz auf der Bühne ist leider schon vorbei. Um 0,7 Prozentpunkte konnte die FDP zulegen und kommt auf – für FDP-Verhältnisse – stolze 7,4 Prozent Stimmenanteil. Begeisterung beim stellvertretenden Landeschef Magnus Graf Lambsdorff:
    "Wenn sie sich die Euphorie heute Abend angucken, ist das eine der Jugend, der JuLis, die enorm viel beigetragen haben."
    Und die eine Party veranstalten, die jedes Interview unmöglich macht.
    Party der Genossen schon früh zu Ende
    Es geht weiter zur SPD. In die "Fabrik" in Hamburg-Altona. Der Wahlkreis von Olaf Scholz. Seine SPD ist mit 45,7 Prozent zwar noch stärkste Partei, hat aber nicht nur 2,7 Prozent der Stimmenanteile, sondern auch die absolute Mehrheit verloren. Und vielleicht ist das auch der Grund, warum die Party der Genossen schon um halb elf längst zu Ende ist. Die Türen sind verschlossen.
    Nur traurige Gesichter bei der CDU
    Schneller als gedacht geht es also zur letzten Station des Wahl-Party-Hoppings, zur traurigsten Party des Abends. Die CDU hat einen Raum in der historischen Speicherstadt angemietet. Historisch ist auch das Wahlergebnis. Sechs Zähler verliert die CDU und landete krachend und schmerzhaft bei 15,9 Prozent. Ihr Spitzenkandidat Dietrich Wersich hat sich schon um zehn Uhr aus dem Staub gemacht. Zwei Dutzend Mitglieder stehen mit ernsten Gesichtern an den weißen Stehtischen. Einer versucht es mit Humor:
    "Vor vier Jahren sind wir als Regierung abgewählt worden. Und dieses Mal sind wir sogar als Opposition abgewählt worden. Das ist schon ein starkes Stück. Das habe ich noch nicht erlebt."
    Und was, fragt man sich, hätte die CDU besser machen können?
    "Hätte, hätte, Fahrradkette. – Ich denke, wir haben sehr viel geleistet. Und die Schuld jetzt in einer Person zu suchen oder in einer Idee, ist glaube ich das falsche. Sondern wir müssen in uns hineingreifen und fragen: Was können wir mehr für die Hamburger tun. Aber ich denke nicht, dass es eine gute Idee ist, einen Schuldigen in den Reihen der CDU zu suchen."
    Das sagt Antonia Niecke, stellvertretende Landesvorsitzende der Jungen Union in Hamburg. Schulterzuckend, ratlos. Hinter ihr, die Scheinwerfer sind längst ausgeschaltet, hängt im Halbdunkel das große Wahlbanner der CDU an der Wand, davor das verwaiste Rednerpult. Wer die Hamburger CDU in Zukunft führen wird, ist noch nicht klar.
    Heute, am Montagmittag, hat Spitzenkandidat Dietrich Wersich seinen Rückzug angekündigt.