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Wahlplakate entsorgen
Nach der Wahl ist vor dem Recyceln

Am Tag nach der Bundestagswahl erwacht Deutschland mit Blick auf überholte Wahlplakate. Die meisten landen in der Verbrennung, obwohl sie überwiegend aus Polypropylen bestehen. Eine Bonner Firma hat aber eine bessere Idee.

Von Stephan Beuting | 25.09.2017
    Wahlkämpfer von SPD, CDU, FDP und Bündnis 90/Die Grünen bereiten in Stuttgart Wahlkampfplakate ihrer Partei für das Aufhängen vor.
    Nach dem Wahlkampf sind sie Müll: Wahlplakate. Oft werden sie verbrannt, obwohl sie aus Kunststoff sind. Eine Firma in Bonn will es besser machen. (dpa / Sebastian Gollnow)
    "Eigentlich müsste man es so machen, ich habe hier in der Aufbereitung 200 Euro."
    Andreas Henn vor seiner Excel-Tabelle. Darin verrechnet er gerade die Kosten für Abholung, Transport und Verarbeitung; und mögliche Erlöse, eigentlich ganz normales Tagesgeschäft für den Recycling-Fachmann der Bonner Firma Ascon. Nur dass es sich in dieser Tabelle hier nicht um irgendeinen Müll handelt, sondern um Wahlplakate. Oft werden sie verbrannt. Andreas Henn recycelt sie.
    "Im Moment hoffen wir, dass wir so viel Zuspruch bekommen, dass wir die Logistik-Kosten mit den Verwertungs-Erlösen tragen können."
    Plakatentsorgung eher Neben- als Hauptgeschäft
    Alles rund um den Grünen Punkt, das ist das Kerngeschäft der Entsorgungsfirma Ascon. Wahlplakate sind da eher die Ausnahme.
    "Im Jahresabschluss dieses Unternehmens wird dieses Projekt nicht erkennbar sein."
    Andreas Henn liegt das Thema am Herzen. Neben seinem Job ist er nämlich politisch aktiv, für die CDU, Wahlkreis Rath-Heumar, einfaches Mitglied, und weil er da selbst rund um die Plakate mit eingespannt war, kam die Frage auf, auch von Leuten auf der Straße: Was passiert eigentlich mit den Dingern wenn die Wahl vorbei ist?
    "'Ihr produziert hier so viel Müll. Früher habt ihr das hier so schön auf Pappe gemacht, das ist ja jetzt viel umweltschädlicher.' Und im Prinzip konnte ich dem nicht viel entgegensetzen, weil ich wusste. Das Material wird hinterher verbrannt."
    Plakate zurückzuschicken, sei eher die Ausnahme
    Die Idee die Plakate zu recyclen, haben auch andere Unternehmen. Etwa Prop-Plakat und Braun und Klein – dort erklärt man auf Nachfrage: Ja, in den Plakaten kann auch recyceltes Polypropylen drin sein, und ja: Wenn die jemand zurückschickt, dann werden auch aus alten neue. Nur sei das mit dem Zurückschicken eher die Ausnahme.
    Andreas Henn will nun gerne den Kreislauf vollständig schließen, indem er den Parteien die Rückgabe so leicht wie möglich macht. So dass die gar nicht Nein sagen können. Im Frühjahr hat er schon einmal die Parteien angeschrieben, schlägt ihnen eine Arbeitsteilung vor: Ihr sammelt, wir kümmern uns um den Rest.
    Der Testlauf war die NRW-Landtagswahl 2017. Und jetzt sollen bundesweit die Wahlhelfer nur abknipsen, sammeln und die Plakate auf Paletten stapeln, "und uns Bescheid sagen und dann werden wir mehrere LKW durch Deutschland schicken, die diese Paletten dann aufnehmen und zu unserem Verwerter fahren", sagt Andreas Henn.
    Recycelbar etwa für Shampooflaschen oder Trinkbecher
    Das Wahlplakat besteht aus Polypropylen, vorne Folie, hinten Folie, dazwischen eine Wellenstruktur, die das ganze stabil macht. Um es zu recyceln, wird es gereinigt, zerkleinert, und dann kann daraus eine Shampooflasche werden, ein Trinkbecher oder eben ein neues Wahlplakat.
    "Wenn Sie einen so reinen Wertstoff haben, da ist wirklich ein sehr hochwertiges Recycling möglich."
    Im Wahlkampf behaupten alle Partien, sie würden sich ganz besonders um die Inhalte kümmern und Verantwortung übernehmen. Wer sich um Polypropylen kümmert, weiß, Verbrennen ist eben nicht verantwortungsvoll, findet Henn.
    "Wir sind nun mal ein Recycling-Unternehmen, und weil wir der Meinung waren, wenn wir es nicht probieren, probiert's keiner, und weil das einfach das Richtige ist."
    Fünf Parteien sagen zu - die Grünen nicht
    CDU und Linke, SPD und FDP alle haben gesagt: Da machen wir mit. Nur die Grünen nicht. Weil die nicht mit Polypropylen arbeiten, sondern mit beschichteter Pappe, das sieht zwar auf den ersten Blick ökologischer aus als Polypropylen, lässt sich aber später nur mit deutlichem Mehraufwand trennen und recyceln.
    Und der nächste Schritt wäre dann, dass man nach Sortenreinheit schaut, dass man nicht hinterher einer Linkspartei ein CDU-Plakat andreht oder CDU-Propylen-Schrott? Andreas Henn:
    "Naja, sagen wir mal so. Ich bin ja der Meinung, dass man unter Demokraten für den richtigen Zweck zusammenarbeiten muss. Und das Recycling ist zweifellos ein guter Grund, das auch zu tun."
    Verlustgeschäft oder nicht - Firma wird das noch mal machen
    In einigen Wochen wird Andreas Henn ein paar Zahlen haben, die er in seine Excel-Tabelle eintragen kann und dann wissen, ob sich das Recycling der Wahlplakate rein wirtschaftlich gerechnet hat.
    "Wenn das nicht so ist, werden wir das trotzdem noch mal machen."