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Wahlwerbung im Radio
Eine Chance für die kleinen Parteien

Der Wahlkampf findet nicht nur auf Plakaten oder im Fernsehen statt, sondern auch im Radio. Bis zur Bundestagswahl dürfen die Parteien mit Radiospots auf sich aufmerksam machen - auch im Deutschlandfunk, der eigentlich werbefrei ist. Warum eigentlich?

Von Stefan Fries | 28.08.2017
    Der Kabarettist und Spitzenkandidat der Partei "Die PARTEI", Serdar Somuncu (l), und der Satiriker, Mitglied des Europäischen Parlamentes und Bundesvorsitzende der Partei "Die PARTEI", Martin Sonneborn.
    Der Kabarettist und Spitzenkandidat der Partei "Die PARTEI", Serdar Somuncu (l), und der Satiriker, Mitglied des Europäischen Parlamentes und Bundesvorsitzende der Partei "Die PARTEI", Martin Sonneborn. (picture alliance / Gregor Fischer/dpa)
    Wahlwerbespot "Die Partei":
    "Mark holt dir die Sterne vom Himmel, die glitzern so schön. Mir hat er schon mal eine Sternschnuppe geschenkt; ich glaube, die war aus Diamanten, und dir schenkt er eine Nacht mit Glitzer und Elfenwasser."
    Die satirische "Die Partei" verspricht ihren Wählern das Blaue vom Himmel – fast wortwörtlich macht sie das in ihrem Wahlwerbespot, der von heute bis zur Bundestagswahl deutschlandweit in vielen Radiosendern laufen wird, heute Mittag zum Beispiel hier im Deutschlandfunk. Auch wenn diese Werbung nicht so wirkt – dass die Spots in den Sendern laufen müssen, ist doch ernst gemeint.
    Ansage:
    "Sie hören einen Wahlwerbespot. Für dessen Inhalt ist ausschließlich die jeweilige Partei verantwortlich."
    Andreas-Peter Weber: "Wahlwerbespots laufen grundsätzlich außerhalb der redaktionellen Verantwortung des Senders. Verantwortlich ist derjenige, dem die Sendezeit eingeräumt wird."
    …sagt Andreas-Peter Weber, Programmdirektor des Deutschlandradios, zu dem auch der Deutschlandfunk gehört. Die öffentlich-rechtlichen Sender sind genauso wie die großen Privatsender dazu verpflichtet, den Parteien, die bei der Bundestagswahl antreten, Sendezeit einzuräumen – abgestuft nach ihrer Bedeutung den größeren mehr, den kleineren weniger.
    "Das ist im Grundgesetz geregelt über das sogenannte Parteienprinzip. Aber auch in unserem Staatsvertrag steht, dass wir Parteien dann Sendezeiten für einen solchen Werbespot zur Bundestagswahl einräumen müssen, wenn mindestens eine Landesliste für sie zugelassen wurde. Wir sind auch verpflichtet, die Wahlwerbespots kostenfrei auszustrahlen, wir bekommen also dafür kein Geld."
    Besonders zugute kommt das den kleineren Parteien wie etwa "Die Partei", der "V-Partei hoch drei", der "Bergpartei" oder der "Bürgerrechtsbewegung Solidarität", die in der üblichen Medienberichterstattung kaum vorkommen. Für sie ist der Anspruch auf kostenlose Werbezeit deshalb wichtiger als für die großen Parteien, sagt Wahlforscher Thorsten Faas von der Universität Mainz – zumal sich immer mehr Wähler immer kürzer vor einer Wahl überhaupt erst für eine Partei entscheiden:
    "Insofern ist es natürlich für die Parteien wichtiger denn je, mit ihren parteiwerblichen Bemühungen auf der Zielgerade bei den Menschen auch anzukommen. Das gilt für die großen Parteien wie auch für die kleinen Parteien. Aber da die großen Parteien in der Regel auch mehr Ressourcen zur Verfügung haben, fällt es ihnen wahrscheinlich am Ende des Tages leichter durchzudringen als es bei den kleineren Parteien der Fall ist. Aber wichtig ist es für alle unabhängig von der Größe."
    Radiospots sind ein unterschätztes Wahlkampfmittel. Schließlich hat das Radio in Deutschland eine hohe Reichweite. Jeden Tag schalten fast 80 Prozent der Bürger ein und hören im Schnitt vier Stunden, beim Fernsehen sind es "nur" 70 Prozent. Und vor allem: Beim Radio zappt man nicht so schnell weg und wird daher auch mal mit Radiospots konfrontiert, die man woanders vielleicht weggeschaltet hätte.
    Wahlwerbespot "Magdeburger Gartenpartei":
    "Mit Ihrem Kreuz bei der Magdeburger Gartenpartei setzen Sie ein Zeichen für eine neue Politik. Das Bundeskleingartengesetz ist den Bedingungen der heutigen Gesellschaft anzupassen."
    So bekommt etwa auch die "Magdeburger Gartenpartei" bundesweite Aufmerksamkeit, auch wenn sie nur in Sachsen-Anhalt gewählt werden kann. Während kleinere Parteien ihre Spots meistens selbst produzieren und eher die direkte Ansprache wählen, lassen sich die großen in der Regel von Werbeagenturen unterstützen, die dabei auch auf Methoden von kommerziellen Radiospots zurückgreifen – wie etwa die CDU im Jahr 2005.
    CDU-Spot 2005
    Kunde betritt den Laden: "Guten Tag."
    Verkäufer: "Schönen guten Tag. Was suchen Sie?"
    Kunde: "Ich suche…"
    Verkäufer: "Nein, sagen Sie nichts. Sie suchen was für Ihren Garten, hä? Wir haben alles für den Garten: Gartenblumen, Gartenpflanzen, Gartenmöbel, Gartenschläuche und natürlich Gartenzwerge. Was darf's denn sein?"
    Auch wenn Deutschlandfunk und Deutschlandfunk Kultur normalerweise keine Werbung senden, glaubt Programmdirektor Andreas-Peter Weber nicht, dass die Hörer die Werbung für redaktionelle Beiträge halten:
    "Deutschlandradio hat keine Kontrolle über die Wahlwerbespots. Ein Intendant darf die Spots nur dann zurückweisen, wenn der Inhalt offensichtlich und schwerwiegend gegen die allgemeinen Gesetze verstoßen, insbesondere gegen Strafvorschriften. Oder wenn es sich inhaltlich nicht um Wahlwerbung handelt."
    Von der Verpflichtung, die Spots zu senden, ist auch die Rundfunkfreiheit betroffen. Thorsten Faas von der Uni Mainz hält es aber für legitim, dass sich die Parteien auf diesem Weg Mittel und Wege offen halten, um im Wahlkampf zu den Menschen vordringen zu können. Schließlich hätten die Parteien laut Grundgesetz den Auftrag, an der politischen Willensbildung des Volkes mitzuwirken:
    "Und der nächste Schritt wäre dann eigentlich zu sagen: Hey, auch Facebook. Warum wenden wir da diese Logik nicht an und zwingen Facebook, im Wahlkampf bestimmte Postings von Parteien prioritär den Menschen in ihre Timelines zu spielen? Das wäre eigentlich nur eine konsequente Fortsetzung dieser Logik, die wir aus öffentlich-rechtlichem, aber durchaus auch privaten Rundfunk kennen."