Samstag, 20. April 2024

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Wahrheit und Lüge in der Politik
"Glaubwürdigkeit ist das Kapital eines Politikers"

Die Opposition bezichtigt die Union in der Debatte über ein No-Spy-Abkommen der Lüge. Das Kanzleramt will nach "bestem Wissen und Gewissen" gehandelt haben. Wahrheit, das sei nicht immer die Entsprechung von Aussage und Realität, meint dazu der Moraltheologe Eberhard Schockenhoff.

Eberhard Schockenhoff im Gespräch mit Petra Ensminger | 17.05.2015
    Bundeskanzlerin Merkel spricht vor dem Plenum des Bundestags in der Haushaltsdebatte für 2015.
    "Manifeste Lügen werden nicht als Kavaliersdelikt angesehen", sagt der Freiburger Moraltheologe Eberhard Schockenhoff (Clemens Bilan / AFP)
    "Es gibt auch unterschiedliche Sprechsituationen, von denen man weiß, dass man sie nicht hundertprozentig ernstnehmen darf", sagte Schockenhoff im DLF. Beispielsweise sei die Redesituation vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss von einer Rede im Wahlkampf fundamental zu unterscheiden. Sage ein Politiker in Ersterem nachweislich die Unwahrheit, sei er nicht mehr zu halten.
    "Eine manifeste Lüge wird nicht als Kavaliersdelikt angesehen. Das zerstört die Glaubwürdigkeit eines Politikers, und das ist das wichtigste Kapital, das er in einer Demokratie hat", so der in Freiburg lehrende Moraltheologe, der seit 2001 auch Mitglied des Deutschen Ethikrates ist.
    "Ein Dementi hat keinen Wahrheitsgehalt"
    Demgegenüber habe der Wahlkampf "seine eigenen Regeln". Auch gesteht Schockenhoff einem Politiker unter Umständen zu, den Zeitpunkt einer Aussage selbst bestimmen zu wollen. Daher bediene sich die Politik bisweilen "Verlegenheitsfloskeln" wie etwas "nach bestem Wissen und Gewissen".
    Auch die Diplomatie habe hierfür Instrumentarien entwickelt. So habe etwa ein Dementi keinen Wahrheitswert. Etwas Dementieren bedeute nicht, dass etwas nicht gesagt worden sei. Sondern hierbei gehe es, so Schockenhoff, darum, eine Situation zu entschärfen und "eine Kuh vom Eis zu schaffen".

    Das vollständige Interview können Sie sechs Monate in unserem Audio-Archiv nachhören.