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Wald als Einnahmequelle oder als Natur

Etwa zehn Prozent der Waldflächen sollen die Länder unter besonderen Schutz stellen, so die Vorgabe der Bundesregierung. Nach Ansicht der Umweltschutzorganistion Greenpeace setzen sich mehrere Bundesländer darüber hinweg, darunter auch Niedersachsen.

Von Susanne Schrammar | 12.11.2012
    Es war eine reiche Ernte im vergangenen Jahr: Die niedersächsischen Landesforsten – der größte Waldbewirtschafter im Bundesland – konnten ihren Jahresüberschuss gegenüber dem Vorjahr fast verdoppeln: 25,4 Millionen Euro Gewinn erzielte das Land mit der Forstwirtschaft. Das Holzgeschäft ist lukrativ, nicht nur wegen des Trends zum Heizen mit Holz. Doch geht die Waldnutzung in Niedersachsen auf Kosten des Naturschutzes? Das fürchten Umweltverbände. Greenpeace hat der niedersächsischen Landesregierung heute vorgeworfen, sich nicht an die von der Bundesregierung beschlossene Zielvorgabe zu halten, bis 2020 zehn Prozent des öffentlichen Waldgebietes aus der forstwirtschaftlichen Nutzung herauszunehmen. Gerade mal vier Prozent der Flächen, sagt Gesche Jürgens, Waldexpertin von Greenpeace, seien in Niedersachsen unter Schutz gestellt. Und es sehe nicht danach aus, so Jürgens, als würden die Vorgaben in den noch verbleibenden acht Jahren erreicht werden.

    "Derzeit macht Niedersachsen ja keine Anstrengungen, den Waldschutz zu verbessern. Und das wollen wir eben aufzeigen, denn die Ziele der Bundesregierung müssen eben auch in Niedersachsen umgesetzt werden."

    Dass sich das Land gegen die Vorgaben des Bundes sträubt, daraus macht die Regierung in Hannover gar keinen Hehl. Landwirtschaftsminister Gerd Lindemann, CDU, gibt zwar an, dass entgegen der Greenpeace-Schätzung bereits zwischen sieben bis acht Prozent der niedersächsischen Waldflächen nur noch selbst überlassen würden. Doch dass diese Flächen auf zehn Prozent ohne forstwirtschaftliche Nutzung ansteigen sollen, dagegen wehrt sich die schwarz-gelbe Landesregierung. Minister Lindemann:

    "Wir machen eine behutsame, vernünftige Forstpolitik, die auf Pflege des Waldes, aber auch auf Nutzung der zuwachsenden Bäume angelegt ist. Das ist vernünftig und sichert die Zukunftsfähigkeit unseres Waldes. Da lassen wir uns auch nicht vom Bund uns reinreden, was wir hier zu tun haben."

    Nach Bayern und Hessen gibt es in Niedersachsen den drittgrößten Waldbestand. Bekannt ist, dass hier auch viele alte, schützenswerte Buchen stehen. Doch wie viele es tatsächlich sind und was das Land mit ihnen vorhat, darüber schweigen die niedersächsischen Landesforstbetriebe. Greenpeace und BUND fürchten nun, dass aus wirtschaftlichen Gründen möglicherweise zu viele alte Buchen gefällt werden und der Waldschutz auf der Strecke bleibt. Daher haben die Naturschutzverbände Einsicht in die Bewirtschaftungspläne des Landes verlangt. Doch die niedersächsischen Landesforsten wollen nicht alle Informationen herausgeben. Zum Teil gehe es um Daten, die gar nicht vorlägen und erst zusammengestellt und aufbereitet werden müssten, sagt ein Sprecher des Landwirtschaftsministeriums in Hannover. Dafür sollen die Umweltschützer bezahlen. Knapp 2000 Euro, obwohl Umweltinformationen laut Gesetz eigentlich nicht mehr als 500 Euro kosten dürfen. Gesche Jürgens von Greenpeace.

    "Wir fragen uns auch, warum die niedersächsischen Landesforsten diese Daten nicht herausgeben, weil es im Endeffekt ja um Wälder geht, die allen Bürgerinnen und Bürgern Niedersachsens gehören und die Daten dazu eigentlich auch öffentlich zugänglich gemacht werden sollten. Vor dem Hintergrund, dass die meisten anderen Bundesländer uns diese Daten gegeben haben, können wir uns das natürlich noch weniger erklären, warum sich Niedersachsen jetzt dagegen sperrt."

    Wie bereits in Bayern und Hessen hat Greenpeace auch in Niedersachsen auf die Herausgabe dieser Informationen geklagt. Auch der BUND will gerichtlich erwirken, dass Holznutzung und Schutzmaßnahmen in den niedersächsischen Wäldern offen gelegt werden müssen. Darüber hinaus klagt der BUND auf ein Beteiligungsrecht an den sogenannten Erhaltungs- und Entwicklungsplänen des Landes. Doch das Land stellt auf stur, sieht weder im Bundes- noch im Landesnaturschutzgesetz eine Verpflichtung, die Verbände zu beteiligen und pocht auf das Betriebsgeheimnis. Landwirtschaftsminister Gerd Lindemann:

    "Einblick in die internen Betriebswerke, was zu welchem Preis, mit welcher Strategie in den Landesforsten passieren soll, das sind Geschäftsgeheimnisse und da haben wir nicht die Absicht, die an Dritte herauszugeben."

    Greenpeace hat heute angekündigt, wie bereits in Bayern, eigene Waldcamps auch in Niedersachsen zu errichten. Unter anderem im Solling sollen eigene Teams die Waldbestände kartieren, um den Waldschutz zu bewerten. Knapp zwei Monate vor der niedersächsischen Landtagswahl hat dies auch einen politischen Hintergrund.

    "Wir sehen zum Beispiel, dass in den Ländern, die rot-grün geführt sind, dass dort eben die Ziele zum Waldschutz vorangetrieben werden."