Freitag, 19. April 2024

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Waldbrände in den USA
Bestsellerautor Wohlleben: "Der Klimawandel trifft auf ramponierte Wälder"

Der Klimwawandel sei der Auslöser der Waldbrände in den USA, sagte der Wald-Experte Peter Wohlleben im Dlf. Man könne die Wälder allerdings schützen, indem man sie stärker sich selbst überlasse. Denn Forstgebiete mit viel Biomasse könnten viel besser Wasser speichern.

Peter Wohlleben im Gespräch mit Christiane Kaess | 15.09.2020
Das Foto zeigt den Förster und Bestseller-Autor Peter Wohlleben, wie er zwischen zwei Bäumen steht.
Donald Trump ist überzeugt, dass schlechtes Waldmanagement an den Bränden schuld sei (picture alliance / dpa / Christian Charisius)
In diesem Sommer haben die Feuer an der Westküste der USA ein Ausmaß angenommen, das man so noch nicht kannte. Die Flammen haben vielerorts ganze Straßenzüge niedergebrannt. Rauch- und Aschewolken bedecken weite Teile der Bundesstaaten Kalifornien, Oregon und Washington.
Die Waldbrände sorgen auch für politischen Streit: Auf der einen Seite die Demokraten, die die Ursache der Brände im Voranschreiten des Klimawandels sehen. Auf der anderen Seite glaubt US-Präsident Trump, die betroffenen Bundesstaaten seien an den verheerenden Bränden selbst schuld. Man halte dort nämlich die Wälder nicht richtig instand.
Wir haben darüber mit Peter Wohlleben gesprochen. Er ist bekannt geworden durch sein Engagement für die ökologische Waldwirtschaft. Und er ist Bestseller-Autor unter anderem des Buches "Das geheime Leben der Bäume".
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Christiane Kaess: Hat Donald Trump recht? Hätten die betroffenen US-Bundesstaaten ihre Wälder einfach besser aufräumen müssen?
Peter Wohlleben: Da ist es mit Fegen, was er ja schon mal meinte, natürlich nicht getan. Nein, jetzt mal im Ernst: Es ist natürlich der Klimawandel, aber der Klimawandel ist der Auslöser. Wir sehen das Phänomen weltweit bei den Bränden. Der Klimawandel trifft auf ramponierte Wälder und diese ramponierten Wälder, durch Holzeinschlag, durch Rodungen der vergangenen Jahrhunderte, das ist kein neues Phänomen, sind so klein und zerstückelt und mit geringer Biomasse ausgestattet, dass die nicht mehr richtig funktionieren in Bezug auf die Wasserkreisläufe, und das ist ganz entscheidend.
Kaess: Also hat aber das Aufräumen durchaus doch was damit zu tun, oder ein gutes Forstmanagement, wie Experten das eher nennen?
Wohlleben: Na ja. Es wäre eher das Nicht-Management, dass man große Wälder sich selber überlässt. Es ist natürlich jetzt ganz schwer, wieder den Weg dahin zurück zu finden. Es bräuchte alte Wälder mit viel Biomasse, mit viel Totholz, was nämlich Wasser speichert, was Regenwolken übrigens erzeugt. Das ist eine Forschung ganz aktuell aus Deutschland, aber auch aus Russland, dass Wälder für diese Luftflüsse, für die Wolkenverteilung, für den Regen in der Landschaft eine ganz, ganz maßgebliche Rolle spielen. Und wenn ich Wälder ramponiere, ausräume, dann heizt sich das Lokalklima auf, unabhängig vom Klimawandel. Es wird trockener. Und wenn dann der Klimawandel noch dazu kommt – die meisten Feuer sind ja menschengemacht, in dem Fall waren es, glaube ich, überwiegend Blitzeinschläge –, dann findet das Feuer natürlich ganz leicht Nahrung in diesen ausgetrockneten ehemaligen intakten Ökosystemen.
Kaess: Sie, wenn ich Sie richtig verstehe, plädieren genau für das Gegenteil von dem, was US-Präsident Trump sagt?
Wohlleben: Ich plädiere auf jeden Fall für das Gegenteil. Das kann man ja eigentlich fast überall unterschreiben bei ihm, davon mal abgesehen. – Wir müssen natürlich unseren CO2-Ausstoß erst mal drastisch reduzieren, gar keine Frage. Aber gleichzeitig brauchen wir große intakte Naturräume, die das selber regeln. Wir sehen das überall dort, wo Wälder großräumig noch intakt sind. Da regelt sich dieses System. Und überall dort, wo der Mensch massiv eingreift, wo wir Jungwälder haben, wo wir auch große Kahlschläge zwischendrin haben mit in der Sonne trocknendem Reisig, überall da treten große Brände auf.
"Bisher haben wir das ingenieursmäßig versucht"
Kaess: Aber das, was Sie jetzt als "massiv eingreifen" beschreiben, das würde auch heißen, der Mensch darf die Wälder nicht nutzen?
Wohlleben: Doch, das darf er schon. Aber wir müssen uns jetzt gerade die neue Frage stellen, wieviel. Bisher haben wir das ingenieursmäßig versucht, dass wir gesagt haben, okay, es wächst jedes Jahr so viel nach, dann ernten wir so viel, und dort, wo was gefällt wurde, da wird wieder was gepflanzt. Wir sind ein bisschen im Plantagensystem, im landwirtschaftlichen System unterwegs. So funktionieren Wälder aber nicht. Wälder sind wie gesagt Temperaturregulatoren. Es gibt aktuelle Forschungen aus Deutschland, dass intakte alte Laubwälder hier durchschnittlich sich acht Grad stärker herunterkühlen im Sommer als eine Kiefernplantage – acht Grad! Wenn es 40 Grad sind in einer Kiefernplantage, sind es in einem alten Buchenwald nur 32.
Dazu muss er aber machen dürfen und in dem Augenblick, wo ich sehr viel Holz raushole, heizt er sich auch auf – klar, weil Sonne reinscheint –, er trocknet aus, es regnet dort weniger. Diese ganzen Phänomene haben wir auch bei uns in Deutschland und die Frage ist einfach – und jetzt kommt es mit dem Holzeinschlag –, wieviel kann ich rausnehmen, ohne dass dieses System nicht mehr funktioniert, und das weiß man leider nicht. Das ist noch nicht erforscht, auch nicht in Deutschland.
Kaess: Haben Sie eine Ahnung, was eine angemessene Nutzung wäre? Wo müsste man sich beschränken? Auf wieviel Holz, sage ich mal, müsste man verzichten? Denn dieses Holz wird ja nicht zum Spaß rausgenommen. Das wird ja irgendwo verwendet.
Wohlleben: Genau. Dazu gibt es erste Anhaltspunkte in der Stadt Lübeck, in der Stadt Göttingen. Da kann man sagen, man macht in den ersten Jahrzehnten nichts, und wenn die Bäume dick geworden sind, dann holt man einzelne raus. In Summe wird das etwas weniger sein pro Quadratkilometer, aber wir erleben gerade in Deutschland, dass die Plantagen zusammenbrechen, und meine persönliche Prognose ist, dass wir in den nächsten fünf bis zehn Jahren 50 Prozent der Waldfläche verlieren werden. Das sind nämlich die ganzen Nadelplantagen. Das geht ja rasant weiter aktuell. Überall dort kommt kein Holz mehr raus, das ist sicher.
Das heißt, wir müssen diese Frage eigentlich an die konventionelle Forstwirtschaft stellen: Wo kommt denn in Zukunft das Holz her? Und wenn wir diese Flächen ökologisch bewirtschaften würden, dann käme zwar pro Flächeneinheit etwas weniger raus, aber wenn die ganze Fläche produktiv bleibt, in Summe mehr, als das die konventionelle Forstwirtschaft in Zukunft kann.
Kaess: Lassen Sie uns gerade noch mal, bevor wir vielleicht noch ein bisschen weiter auf die Situation in Deutschland eingehen, kurz bei den USA bleiben. Was könnten die betroffenen Bundesstaaten an der Westküste jetzt tun, um schnell zu handeln?
Wohlleben: Schnell geht leider nicht. Das ist die schlechte Botschaft. Schnell geht leider nicht. Aber die könnten vielleicht ihren Kollegen im Südosten der USA einen Ratschlag geben, denn die USA ist ja momentan von einer der größten Kahlschlagswellen ihrer Geschichte betroffen, und zwar für Pellet-Anlagen, die diese kleinen Holzwürmchen produzieren für den Export nach Europa, für europäische Kraftwerke. Da werden gerade wirklich riesige Gebiete kahlgeschlagen, Sumpfwälder, die auch sehr, sehr viel Wasser speichern, wirklich in einem Ausmaß, das ist unvorstellbar. Das passiert gerade im Südosten. Das heißt, der Südosten bereitet sich gerade auf eine Situation vor, wie sie der Westen gerade erlebt.
Wald ist leider ein sehr, sehr langlebiges, aber auch sehr langsames Gebilde. Man kann nur jetzt damit anfangen. Das heißt, Kalifornien, Oregon und so weiter, die werden damit noch Jahrzehnte zu tun haben. Aber immerhin könnte der Südosten das noch verhindern, aber es sieht momentan leider nicht so aus.
"Wasserkreisläufe sind über Wälder verbunden"
Kaess: Jetzt haben Sie beschrieben, wieviel da abgeholzt wird, und in den vergangenen Wochen, wenn wir mal bei den Bränden bleiben, ist allein durch die Brände eine Fläche von mehr als 20.000 Quadratkilometer Wald vernichtet worden. Das entspricht in der Fläche einem Bundesland wie zum Beispiel Rheinland-Pfalz. Wir kennen alle die Diskussion um den Einfluss des tropischen Regenwaldes auf das Weltklima. Wie wichtig sind denn die Wälder, die jetzt in den USA abbrennen, für den Rest der Welt?
Wohlleben: Das weiß man nicht so genau. Ich sage Ihnen mal ein Beispiel, das ist alles noch in der Erforschung. Wir konzentrieren uns bei Wald immer auf CO2 und in Wirklichkeit ist Wald ganz wichtig für die Wasserkreisläufe. Es läuft gerade eine Forschung russischer Forscher, die untersuchen, woher der Regen in China kommt. China liegt am Pazifik. Normalerweise kommt der Regen aus dem nächstgelegenen Ozean. Nein, das ist in China offenbar nicht der Fall. China bekommt einen Großteil seines Regens von uns aus dem Atlantik. Dieser Regen wird durchgereicht über Waldökosysteme. Das ist eine ganz neue Forschung. Das heißt, wenn Deutschland weiter Wald verliert, was wir aktuell ja tun durch die absterbenden Fichten und Kiefern, dann wird es in China weniger regnen. Das sind ganz aktuelle Forschungen. Das weiß man alles nicht so genau. Wie weit das alles trägt, das sieht man allein schon am Rauch. Ich glaube, gestern ist über Leipzig eine große Rauchwolke aus den USA aufgetaucht. Dort, wo Rauch ist, da kommt auch Wasser hin. Die Wasserkreisläufe global, mal mindestens auf der Nordhalbkugel, sind alle verbunden und alle über Wälder verbunden. Auch wir werden unter dem Verlust der Wälder im Westen der USA leiden.
Kaess: Jetzt fragen sich, Herr Wohlleben, wahrscheinlich viele: Wenn man diese Bilder aus den USA sieht, kann so etwas in Deutschland passieren? Denn auch hier haben wir ja mit Trockenheit zu kämpfen.
Wohlleben: In Deutschland passiert das ja mittlerweile fast schon regelmäßig, kann man sagen. Wir haben in den letzten Jahren jeweils mehrfach Waldbrände von mehreren Quadratkilometern Größe gehabt. Unsere Wälder sind natürlich so zerstückelt, dass es jetzt keine so großen zusammenhängenden Brände geben wird. Dazu kommt, dass wir sehr dicht besiedelt sind, sehr gut ausgestattet auch mit Feuerwehren. Aber Waldbrände werden wir sehr viel häufiger erleben als bisher, zumindest solange wir diese großen Nadelplantagen haben. Laubwälder brennen ja von Natur aus nicht. Unsere heimischen Wälder haben das nicht gemacht, aber wir haben über die Hälfte Nadelwälder und die brennen im Prinzip wie gefüllte Benzinfässer. Und solange es die noch gibt – und die wird es schon noch eine Reihe von Jahren geben -, werden wir das in dem zunehmend wärmeren Klima erleben, ja.
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.