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Walsmann: Mittel zum Kita-Ausbau müssen ab dem kommenden Jahr fließen

Familienministerin Kristina Schröder (CDU) hat den Ländern vorgeworfen, den Kita-Ausbau zu blockieren. Der springende Punkt seien gar nicht die Investitionsmittel, sondern die Finanzierung der Betriebskosten, sagte die Leiterin der Staatskanzlei in Thüringen, Marion Walsmann (CDU).

Marion Walsmann im Gespräch mit Dirk-Oliver Heckmann | 18.10.2012
    Dirk-Oliver Heckmann: Keine zehn Monate sind es mehr, dann tritt der Rechtsanspruch für einen Kitaplatz für unter dreijährige Kinder in Kraft. Noch aber fehlen bundesweit mindestens 160.000 Plätze. Fraglich, ob die Lücke geschlossen werden kann, denn die Länder, die lehnen einen Betrag von sage und schreibe 580 Millionen Euro ab, den der Bund bereits zugesagt hat. Dazu sind wir jetzt verbunden mit Marion Walsmann, sie ist Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chefin der Staatskanzlei in Thüringen. Guten Morgen!

    Marion Walsmann: Ja! Guten Morgen!

    Heckmann: Frau Walsmann, die Länder lehnen einen Geldbetrag in Millionenhöhe ab. Da muss es ihnen ja finanziell bestens gehen?

    Walsmann: Also ich verstehe die ganze Aufregung nicht so richtig und auch das, was Frau Schröder gestern gesagt hat, dass die Länder den Krippenausbau blockieren würden oder eine Blockadehaltung eingenommen haben. Also da rate ich doch mal dringend zur Ruhe und zur Versachlichung. Das entspricht überhaupt nicht den Tatsachen. Und wenn man mal guckt, was passiert ist: Der Bundesrat hat ja am 12. Oktober eine Stellungnahme zum Entwurf eines Bundesgesetzes abgegeben und in diesem Gesetz zur innerstaatlichen Umsetzung des Fiskalvertrages sollte ja auch ein Teil, nämlich der vom Bund gemachten finanziellen Zusagen zum weiteren Ausbau der Kinderbetreuungseinrichtungen, umgesetzt werden.

    Heckmann: Um das noch mal auf Deutsch und verständlich zu formulieren: Es war so, dass der Bund die Zustimmung der Länder für den Fiskalpakt damit auch in einer gewissen Weise erkauft hat, indem er gesagt hat, die Länder bekommen dafür einen ordentlichen Batzen Geld für den Kita-Ausbau.

    Walsmann: Ja gut, der Fiskalpakt belastet die Länder ja auch, mit finanziellen Leistungen entgegenzukommen. Und Grundlage ist jetzt, dass gemeinsam 30.000 zusätzliche Plätze für die öffentlich geförderte Betreuung von unter dreijährigen Kindern geschafft werden sollen. Vollkommen unstreitig ist, dass der Bund für den Bau der zusätzlichen Betreuungsplätze den Ländern 580,5 Millionen Euro an Investitionsmitteln, und zwar in den Jahren 2013 und 2014, bereitstellen will.

    Heckmann: Aber Sie wollen das Geld nicht. Weshalb nicht?

    Walsmann: Na da muss man aufpassen. Diese Mittel sind ja auch bereits im Nachtrag zum Bundeshaushalt eingestellt, und das ist auch vollkommen unstreitig. Thüringen kriegt zum Beispiel davon 14,8 Millionen Euro. Und die Verteilung der Mittel ist auch unstreitig, das erfolgt nämlich auf der Basis der Zahl der unter dreijährigen in den Ländern. Wo wir mit dem Bund auseinander sind, ist etwas ganz anderes. Da geht es gar nicht um die Höhe dieser Investitionskosten, sondern die Finanzierung der Betriebskosten für diese zusätzlichen 30.000 Krippenplätze, und dafür will der Bund den Ländern 37,7 Millionen Euro im Jahr 2014 und ab dem Jahr 2015 jährlich 75 Millionen Euro aus dem Umsatzsteueraufkommen zur Verfügung stellen.

    Heckmann: Und Ihnen reicht das nicht?

    Walsmann: Doch! Die 75 sind die Endsumme, aber nach unserer Auffassung müssen die Mittel ab dem nächsten Jahr schon fließen, nämlich in der vollen Höhe, und nur darum geht die Auseinandersetzung und nur das ist Gegenstand eigentlich der Diskussion mit dem Bund. Ich würde der Frau Bundesministerin dringend raten, einmal direkt den Kontakt mit den Ländern zu suchen. Das wird nämlich bisher immer ein bisschen zu kurz gefasst. Man nimmt die Stellungnahmen im Bundesrat dann als Angriff. Das ist überhaupt nicht so, sondern hier geht es um eine sachliche Auseinandersetzung darüber, wann Betriebskosten in welcher Höhe fließen sollen. Die Investitionsmittel sind gar nicht der springende Punkt.

    Heckmann: Frau Walsmann, darf ich mal kurz einhaken. Der Bund will ja auch wissen, ob die 580 Millionen auch wirklich für den Kita-Ausbau verwendet werden, und er will, dass die Länder den aktuellen Stand ihres Krippenausbaus auch angeben. Was ist daran schlimm?

    Walsmann: Da ist gar nichts dran schlimm. Aber wir haben ja schon ein Kita-Investprogramm der Bundesregierung gehabt, im Zeitraum 2008 bis 2012. Wenn Sie es für Thüringen nehmen, dann stehen da Thüringen 51 Millionen zum Ausbau zur Verfügung, und 92,5 Prozent werden zum Ende des Jahres von uns da fest gebunden sein mit Förderzusagen, und das ist eine Erfüllungsrate von 98 Prozent. Und wir sagen, damit das alles zusammengeht und das auch effektiver wird und die Länder auch von zusätzlichen Bürokratiemaßnahmen etwas befreit sind, müssen da die Fristen der Nachweisprüfung angeglichen werden. Das ist auch gar nichts Dramatisches, sondern etwas ganz Pragmatisches, dass wir sagen, dass die Abwicklung im gleichen Zeitraum dann abzurechnen ist. Auch darüber kann man reden und das hat auch überhaupt nichts mit Blockade zu tun.

    Heckmann: Der Deutsche Städtetag spricht von einem Streit auf Kosten der Kommunen. Ganz kurz noch, Frau Walsmann: Sehen Sie da Ihre Verantwortung?

    Walsmann: Wir sehen gerade unsere Verantwortung für die Kommunen, denn wir stärken ja die Position der Kommunen, dass wir auch ihnen die Möglichkeit geben, Schwierigkeiten bei der Abwicklung der bereits laufenden Kinderbetreuungsfinanzierung zu lösen, und damit greifen wir ja gerade ein Anliegen der Kommunen auf. Und deshalb: Aus diesem Grund sind auch diese Stellungnahmen des Bundesrates an den Bund zustande gekommen, und wir haben ja jetzt Zeit bis zum 2. November, das alles miteinander zu beraten, und ich denke mal, mit einem Gegeneinander kriegen wir das nicht, aber mit dem aufeinander Zugehen und wirklich reden über das, was Schwierigkeiten macht in der Praxis, da haben wir immer gute Erfahrungen in Thüringen. Man muss darüber reden, was wirklich schwierig ist, und das dann wirklich lösen.

    Heckmann: Wir werden das Thema weiter verfolgen – die Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Chefin der Staatskanzlei in Thüringen war das, Marion Walsmann. Ich bedanke mich, Frau Walsmann, dass Sie sich die Zeit genommen haben.

    Walsmann: Ja, ebenso. Danke schön! Schönen Tag noch.

    Heckmann: Ihnen auch.

    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.