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Walter Isaacson: "Leonardo da Vinci"
Genie in Rosa

Er ist einer der berühmtesten Universalgelehrten und Künstler aller Zeiten: Leonardo da Vinci. In seiner Biografie versucht der Historiker Walter Isaacson ein Bild des Menschen dahinter zu zeichnen. Demnach war der Meister ein bewunderter Außenseiter, der sich gerne in rosa Gewänder hüllte.

Rezension von Michael Lange | 17.12.2018
    Im Vordergrund das Buchcover von Walter Isaacsons "Leonardo da Vinci", im Hintergrund unscharf eine Landschaft in der Toskana.
    Walter Isaacsons Biografie zeigt detailliert, was den Menschen Leornardo da Vinci und seine Arbeit auszeichnet. (Ullstein Verlag/ Imago/ Tom McShane)
    Leonardo da Vinci war ein Genie. Keiner verkörperte wie er die Verbindung von Kunst und Naturwissenschaft. Dabei lebte er in einer Zeit, in der die Kunst erblühte, aber in der es die Naturwissenschaft, wie wir sie heute kennen, noch gar nicht gab.
    Der Journalist, Historiker und Schriftsteller Walter Isaacson versucht in seiner neuen Biografie von Leonardo da Vinci anhand der Spuren des Meisters ein Bild des Menschen zu zeichnen, der er war.
    Unehelich geboren, homosexuell, Vegetarier, Linkshänder
    "Ein Außenseiter zu sein, war für ihn vielleicht sogar von Vorteil: Er war unehelich geboren, homosexuell, Vegetarier, Linkshänder, leicht abgelenkt und zuweilen Häretiker."
    Er trug gerne rosa Gewänder, liebte fantasievolle Theaterinszenierungen und war von Jugend an äußerst neugierig. Im Florenz der frühen Renaissance im 15. Jahrhundert wurde Leonardo da Vinci zwar zuweilen belächelt, aber auch bewundert, so wie die Nerds von heute. Eine Karriere in Politik, Armee oder Kirche kam für ihn nicht in Frage. Er ging bei einem anerkannten Kunstmaler in die Lehre und galt schnell als äußerst talentiert, wenn auch wenig zielstrebig.
    Was ihm fehlte, war die klassische Gelehrsamkeit. Erst spät lernte er Latein. Aber auch das sieht Biograf Walter Isaacson als Vorteil.
    "Ein Mann ohne Gelehrsamkeit"
    "Der Umstand, 'ein Mann ohne Gelehrsamkeit' zu sein, wie er selbst mit gewisser Ironie formulierte, schien ihm häufig Unbehagen zu bereiten. Andererseits war er stolz darauf, dass das Fehlen einer formalen Schulausbildung es ihm erlaubte, aus Versuch und Praxis zu lernen."
    Leonardo beließ es nicht bei der Malerei. Er schuf Bühnenbilder, Apparaturen und Kostüme für das Theater. Immer wieder konzipierte er Unterhaltungsprogramme an den Höfen der Mächtigen. Bunte Shows mit Tänzern, Akrobaten, aber auch Spielautomaten und beweglichen Maschinen. Außerdem erdachte er Stadtpläne, Bewässerungsanlagen, Waffensysteme und die bekannten Flugapparate.
    Mit zunehmendem Alter versuchte er mehr und mehr hinter die Fassaden des Sichtbaren zu schauen. Er beobachtete die Natur und sezierte Leichen. Von all diesen "Nebenbeschäftigungen" profitierte auch seine Malerei, ist Walter Isaacson überzeugt.
    Erkenntnissuche in der Leichenhalle
    "Zu der Zeit als er das Lächeln der Mona Lisa vervollkommnete, verbrachte Leonardo seine Nächte in der Leichenhalle des Hospitals Santa Maria Nuova. Er zog Toten die Haut ab, um die darunter liegenden Muskeln und Nerven zu untersuchen. Er war angetrieben von der Frage, wie ein Lächeln entsteht."
    Ein Gemälde, das einfach nur schön ist, war ihm nicht genug. Immer wollte Leonardo wissen, was dahinter steckt. Er interessierte sich für Bewegungen und wollte verstehen, wie wir sehen, was wir sehen. In der Biografie von Walter Isaacson wird Leonardos ständige Suche nach Erkenntnis lebendig.
    Zielgruppe:
    Wer Biografien liebt, wird diese unterhaltsame, gut recherchierte Lebensgeschichte des berühmten Genies genießen.
    Erkenntnisgewinn:
    Leonardo da Vinci war ein Mensch mit Fehlern, Ecken und Kanten, ein bunter Vogel, der kaum etwas zu Ende brachte – gleichzeitig so genial, dass er bis heute unsere Bewunderung verdient.
    Spaßfaktor:
    Den Menschen und nicht nur den Universalgelehrten in all seinen Schattierungen besser kennen zu lernen, ist auf jeder Seite ein Vergnügen.
    "Leonardo da Vinci – Die Biografie"
    Von Walter Isaacson, übersetzt aus dem Amerikanischen von Karin Schuler und Andreas Thomsen
    Propyläen-Verlag, 752 Seiten, 39 Euro