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Walter Trier
Kinderbuchillustrationen und Kampf gegen Nazis

Er hat die Titelbilder gemalt, die bis heute für Erich Kästners Kinderbücher wie "Das doppelte Lottchen", "Emil und die Detektive" oder "Pünktchen und Anton" verwendet werden. Kaum einer kennt den Namen des Zeichners und Illustrators Walter Trier, der auch mit der Feder gegen Nazis kämpfte. Vor 125 Jahren wurde er in Prag geboren.

Von Beatrix Novy | 25.06.2015
    Eine Hausecke mit Schaufenstern und Marquise, in wenigen klaren Linien mehr angedeutet als gezeichnet. Vorn eine nackte weiße Litfaßsäule, zwei Jungs dahinter. Sie beobachten einen Mann, der sich gerade entfernt. Sein Schatten fällt schmal und scharf auf das unwirkliche, grelle Gelb der Straße, das die Bildfläche fast ausfüllt. Er trägt Hut und Mantel - das war noch üblich im Jahr 1929, als Erich Kästners Kinderbuch "Emil und die Detektive" erschien. Für das Titelbild hatte sein Verlag einen bekannten Illustrator gewonnen: Walter Trier.
    "Das ist gerade bei Kinderbüchern gerne der Fall, dass man sie modernisiert, aber die Kästnerromane haben eigentlich ihre Deckelbilder, ihre Illustrationen von Walter Trier behalten."
    Bernhard Schmitz vom Bilderbuchmuseum in Troisdorf staunt nicht über die anhaltende Aktualität des Illustrators Walter Trier. Bis heute sind die bekanntesten Kinderbücher von Erich Kästner mit Triers Titelbildern untrennbar verknüpft: "Pünktchen und Anton", "Das fliegende Klassenzimmer", "Das doppelte Lottchen".
    "Sicherlich auch war Walter Trier, im Vergleich zu vielen anderen Zeichnern, die zeitgleich mit ihm gearbeitet haben, sehr modern, also sehr plakativ, und auch der Fantasie der Betrachter sehr viel Raum lässt."
    Lebendig-farbige Auslegung der Neuen Sachlichkeit
    Seine lebendig-farbige Auslegung der Neuen Sachlichkeit hat Walter Trier in erster Linie als Kinderbuchillustrator überdauern lassen. Dass er einmal als "Deutschlands größter Zeichnerhumorist" galt, ist vergessen. Trier wurde am 25. Juni 1890 in eine Familie hineingeboren, die ihm zur Entwicklung künstlerischer und humoristischer Fähigkeiten jede Freiheit ließ.
    "Ich bin im Jahr 1890 in Prag geboren, und zwar bei einem Kursstand von 80 Pfennig für die Krone. Mein Vater war von Beruf Misanthrop. Er sagte zu mir: ‚Acht Tage zu spät! Das sieht Dir wieder mal ähnlich.' Danach ging er auf einen Kaffee."
    Ein außerordentlich liberales, kunstsinniges Elternhaus, ein munteres Geschwisterrudel - man möchte gern glauben, dass in der unbekümmerten Prager Kindheit das Geheimnis der heiteren Stimmung und Farbigkeit Trierscher Illustrationen liegt. Aber der junge Mann, der in Prag und München Kunst studierte, hatte anders angefangen: als politischer Karikaturist für die Satirezeitschrift "Simplicissimus". Sein schneller Erfolg beförderte ihn bald nach Berlin: ein noch besseres Pflaster für die steile Karriere eines originellen und vielseitigen Gebrauchsgrafikers am boomenden Zeitschriftenmarkt. Er konnte ja auch alles: Modetitelbilder, feinsinnig karikierende Künstlerporträts, groteske Sittenbilder, detailreich angefüllte Großstadtszenen. Außerdem im Ersten Weltkrieg: Karikaturen der englischen und französischen Kriegsgegner, die nicht allzu unfreundlich ausfielen. Das hielt er dann später anders: im Zweiten Weltkrieg, als jüdischer Emigrant in England.
    "Walter Trier konnte als Zeichner, gerade in der englischsprachigen Welt mit ihren Myriaden von Zeitschriften und Presseorganen, natürlich auch weiterarbeiten."
    Mit der Zeichenfeder gegen Nazis
    Walter Trier hatte 1933 Deutschland verlassen müssen. In England kämpfte er mit der Zeichenfeder gegen die Nazis: zeigte Himmler mit einem übergroßen blutigen Beil im Arm, Hitler als Bergsteiger auf einem Abhang aus Totenschädeln. Die Vernichtung des Dorfs Lidice durch die Nazis 1942 kommentierte Trier mit der klobigen Gestalt eines SS-Riesen, der sich anschickt, den kleinen Ort zu zertreten. Unter seinem Stiefel spielen im Gras zwei Kinder - in schmerzlichem Gegensatz gezeichnet mit dem zierlich-heiteren Strich des Kinderbuchgrafikers.
    Dem Kinderbuch war Trier immer treu geblieben. In der Emigration erfand er den kleinen Esel Dandy, ein hochgebildet wirkendes freundliches Huftier, in den Bilderfolgen "The Jolly Picnic" und "The Jolly Steamer" lassen zauberhafte Tiergesellschaften an verlorene Paradiese denken. Die Sehnsucht danach mochte sich auch in Triers Leidenschaft fürs Spielzeugsammeln spiegeln. Erich Kästner schrieb:
    "Ein Mann, der, wohin er auch kam, Freude verbreitete, floh mit seinem Spielzeug über den halben Erdball vor einem anderen Mann, der Schrecken und Grauen verbreitete, wohin er auch kam."
    Walter Trier kehrte nach 1945 nicht nach Deutschland zurück. Er folgte vielmehr seiner Tochter nach Kanada, wo er 1951, noch voller Pläne, plötzlich starb.