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Walulis' Mediensatire in "funk"
"Youtube hat sich zu einer Unterschichten-Unterhaltung entwickelt"

Intelligente Inhalte im Internet unterzubringen, sei eine Herausforderung, sagt Moderator Philipp Walulis im Gespräch mit dem DLF. Für funk, das junge Programm von ARD und ZDF, wirft er jetzt zweimal wöchentlich einen Blick ins Netz. Das Schöne sei, dass es dabei noch keine Regeln gebe, wie die Sendungen aussehen müssten.

Philipp Walulis im Corsogespräch mit Thekla Jahn | 17.01.2017
    Der Moderator und Satiriker Philipp Walulis zu Gast in der WDR Talkshow "Kölner Treff" am 26.09.2014 in Köln.
    Der Moderator und Satiriker Philipp Walulis. (dpa/picture alliance/Horst Galuschka)
    Thekla Jahn: Das hört sich vielversprechend an: Walulis strikes back! Philipp Walulis, Hörfunk-, Fernseh- und Internetmoderator, der bundesweit durch seine Fernsehsatire "Walulis sieht fern" bekannt geworden ist. Sie lief in der ARD bis Ende September vergangenen Jahres, nach dem Fernsehen ist jetzt das Internet dran und entsprechend ist die Mediensatire auch dort zu sehen bei funk, dem jungen Angebot von ARD und ZDF. Und wie heißt denn jetzt der Angriff auf das Internet? "Walulis klickt sich durchs Netz" oder wie? Die Frage geht an ihn selber, Philipp Walulis, uns zugeschaltet aus München. Schönen guten Tag!
    Philipp Walulis: Ja, schönen guten Tag, das ist eine sehr gute Frage, die Sie da stellen, wir wissen nämlich auch noch nicht ganz genau, wie es aussehen soll. Also, die Phase des Suchens heißt ja "Make the internet great again", und zusammen mit unseren Zuschauern, mit unseren Usern, die das ja jetzt sind, wollen wir das eben herausfinden und haben dann auch verschiedene Vorschläge von denen bekommen und das sind dann immer lustige Wortspiele wie "Walulis Webvideos" oder "Walulis klickt sich durch" und so weiter. Aber ich bin noch nicht final zufrieden damit, da werden wir noch ein bisschen dran rumfeilen müssen.
    "Der Algorithmus bei Youtube schlägt einem Sachen vor, deren Überschriften laut sind"
    Jahn: Am Anfang steht stets die Analyse, am Schluss die Satire. In welchem Zustand befindet sich das Internet, wo hakt’s?
    Walulis: Ja, das Internet ist auf jeden Fall ein sehr, sehr großer Raum. Und wenn wir jetzt da zum Beispiel uns Youtube rausgreifen, was ja vielleicht das bekannteste Bewegbildportal im Internet ist, dann, finde ich, hat man gesehen, dass sich über die letzten Jahre hin es doch zu einem gewissen Unterschichten-Internetunterhaltung entwickelt hat bei Youtube. Ich glaube auch, dass das dann an dem Algorithmus bei Youtube liegt, der halt einem Sachen vorschlägt oder Sachen nach oben pusht auf den Timelines, die eben sehr erfolgreich sind und die dann eben einer sehr einfachen Taktik folgen, also deren Thumbnails oder kleinen Bildchen und deren Überschriften laut und "Bild"-zeitungsartig sind.
    Jahn: Es gibt auch erste Clips, die Sie bereits auf der Internetseite von funk eingestellt haben, da haben Sie genau diese Analyse versucht, bei der Youtube-Welt einfach mal geschaut, wer sich da alles tummelt. Und Sie sagen in einem dieser kleinen Clips: Youtube ist der Wilde Westen. Das meinen Sie damit, ne?
    Walulis: Das ist richtig. Also, theoretisch kann man bei Youtube alles machen, es werden auch munter Sachen, Formate geklaut oder das ist gar kein Klauen, das sind ja auch alles junge Menschen, das ist ja mehr ein Inspirieren und man lernt ja auch dadurch, indem man andere Sachen nachmacht. Andererseits tauchen viele Dinge dann gar nicht auf, viele Videos, die dort eingestellt wurden. Also, sie sind zwar da, aber keiner findet sie eben.
    Jahn: Und das heißt?
    "Es kommen die Sachen nach oben, die einen eher simplen Charakter haben"
    Walulis: Ja, das bedeutet, dass die Sachen nach oben kommen, die halt eher den simplen Charakter und dieser klaren oder reißerischen Aussage folgen, dass diese dann nach oben kommen. Also ein Video zum Beispiel, "Fünf Sachen, die du noch nie beim Sex gemacht hast" ist etwas erfolgreicher als vielleicht jetzt eine distinguierte Auseinandersetzung über Wittgenstein und seine Werke.
    Jahn: Ist das deprimierend?
    Walulis: Ja und nein. Also, es ist natürlich ein bisschen traurig, wenn man sich das anschaut, dass das so weit … diese … derartige Inhalte nach oben kommen und angeschaut werden. Aber auf der anderen Seite ist es eben das auch, was die Leute gerne sehen wollen, und es ist dann auch ein bisschen eine, ja, Herausforderung oder eine Kampfansage an sich selber, dass man sagt: Okay, jetzt probieren wir das mal mit diesen gleichen Mechanismen, also mit diesen optimierten Thumbnails, den optimierten Überschriften, aber intelligente Inhalte unterzubringen.
    Jahn: Wundervoll soll das Internet werden, das haben wir anfangs gehört von Ihnen. Wann wäre das denn? Wenn es keine schlechten Inhalte und keine billigen Plagiate mehr gäbe?
    Walulis: Ja, das wäre natürlich sehr wünschenswert. Weil …
    Jahn: Kann das denn eine Mediensatire erreichen?
    Walulis: Nein, also, da muss man auch ganz ehrlich sich das mal anschauen, was man da macht …
    "Es ist eine auf lange Sicht ausgelegte Verbesserung"
    Jahn: Keine Mauern bauen!
    Walulis: Ja, richtig, weil, also … Es ist ja jetzt nicht so, dass wir auch den Leuten vorschreiben wollen, was sie sehen wollen, sondern dass … Ich glaube, es ist sozusagen eine auf lange Sicht ausgelegte Verbesserung, wenn man den Menschen erklärt, warum etwas so simpel oder plakativ ist, warum die Bildchen so klickheischerisch sind, dann lernt man das hoffentlich mit der Zeit und ist dafür sensibilisiert und versteht dann wahrscheinlich eher als User, wenn man da jetzt gerade von irgendeinem abgebrühten Profi-Youtuber in eine Falle gelockt wird.
    Jahn: Das neue Format spielt nicht im Fernsehen mehr, sondern im Netz. Ändert sich dadurch denn die Arbeit jetzt für Sie?
    Walulis: Oh ja, total. Also, eine Sache, die auf jeden Fall schon mal eine tolle ist, ist, dass man im Fernsehen ja immer in Containern denkt. Also vor allem in 30-Minuten, 45-Minuten-Containern, weil das in der Programmplanung so notwendig ist. Und das hat dann zur Folge, dass, wenn ein Thema interessant ist und man eigentlich mehr erzählen könnte, dann muss das gekürzt werden. Andererseits, wenn ein Thema etwas lahm ist, dann muss es aber aufgeblasen werden, um diesen Container zu befüllen. Und im Internet, vor allem bei Youtube, hat man mit den flexiblen Zeiten den Vorteil, es wirklich nur so lang zu machen, wie es trägt und wie lange es unterhält.
    Jahn: Jetzt habe ich gerade nach dem Format gefragt und dem Einfluss auf die Arbeit: Der Öffentlich-Rechtliche steht dahinter. Haben Sie auch da Einflüsse, Gegebenheiten, nach denen Sie arbeiten müssen?
    "Wir jetzt den großen Vorteil, dass es noch keine Regeln gibt"
    Walulis: Ja, das Schöne ist ja im Moment, dass wir sozusagen unter dem Radar alle agieren, weil in der ARD und beim ZDF man zwar zur Kenntnis genommen hat, dass ein Internet vorhanden ist, aber jetzt erst einmal eigentlich seine alten Fernsehinhalte versucht fürs Internet einfach hineinzustellen, im besten Fall vielleicht noch etwas kleinzuschneiden. Und deswegen haben wir jetzt den großen Vorteil, dass es noch keine Regeln gibt. Also, innerhalb der ARD, wenn wir jetzt eine neue Fernsehsendung gemacht hätten, gäbe es 48.000 Menschen, die genau wüssten, wie es besser geht und welche Regeln anzuwenden sind, und es gäbe drei Leitz-Ordner, in denen das drinsteht, wie und was das zu sein hat. Und hier sind wir jetzt in einem Bereich, in den noch, sagen wir mal so, noch niemand reingepfuscht hat.
    Jahn: Wir werden es schauen, wie es weitergeht und vor allem wie der Name sein wird! Philipp Walulis, Moderator und Mediensatiriker, sein neues Format ist auf funk zu finden, dem jungen Angebot von ARD und ZDF, noch unter dem Arbeitstitel "Make the internet great again".
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.