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Warenhaus GUM vor 125 Jahren eröffnet
Ein Hauch von Luxus in einer kommunistischen Welt

Das Warenhaus GUM am Roten Platz in Moskau war schon zu Sowjetzeiten von einem Hauch von Luxus umgeben, sehr zum Unmut kommunistischer Hardliner. Sie wollten es abreißen lassen. Doch Viktoria Breschnewa, die Ehefrau des damaligen sowjetischen Parteichefs, soll das legendäre Kaufhaus gerettet haben.

Von Regina Kusch | 02.12.2018
    Das legendäre Moskauer Kaufhaus GUM am 15. März 1993
    Schon seit dem 17. Jahrhundert herrschte an dieser Stelle in Moskau geschäftiges Markttreiben (imago / Karo )
    "GUM das heißt Gosudarstwenny Uniwersalny Magazin, staatliches Warenhaus. Dieses Kürzel GUM gibt es ja seit der Revolutionszeit."
    Vor der russischen Revolution 1917, erzählt der Osteuropa-Historiker Vitali Taichrib, hießen die auf einer Anhöhe gelegenen Verkaufshallen östlich des Roten Platzes Obere Handelsreihen. Schon seit dem 17. Jahrhundert herrschte hier geschäftiges Markttreiben. Nachdem der Straßenhandel sich bis an die Kremlmauern ausgebreitet hatte, beauftragte Zar Alexander III. 1889 den Petersburger Architekturprofessor Alexander Pomeranzew, ein großes Einkaufszentrum zu errichten.
    "Pomeranzew hat diesen Plan gehabt, das Gebäude organisch in den Roten Platz einzufügen. Das heißt, ganz im Stile des Kreml, der gegenüber liegt, und im Stile des historischen Museums nebendran zu errichten."
    Ein Prachtbau wie im russischen Märchen
    Er entwarf einen Prachtbau wie im russischen Märchen, mit großen Bogenfenstern, die man in russisch-orthodoxen Kirchen findet, spitzen Türmen, die mit denen des Kreml korrespondieren, und einer aufwendig aus Marmor, Granit und Kalkstein gearbeiteten Fassade. Es sollte das größte Kaufhaus in Europa werden.
    Am 2. Dezember 1893 eröffnete der Moskauer Generalgouverneur Sergej Aleksandrovič Romanov feierlich die neuen, hochmodernen Oberen Handelsreihen. Das tonnenschwere gewölbte Dach aus Glas und Stahl, war Handelspassagen in Mailand oder Paris nachempfunden, eine in Russland bisher unbekannte Konstruktion, ebenso wie die elektrisch betriebenen Aufzüge. Auf drei Etagen lockte der Konsumtempel mit fast 350 Geschäften, Restaurants und Cafés und einem internationalen Warenangebot Besucher aus aller Welt nach Moskau. Hier wurde nicht mehr gefeilscht wie auf dem Marktplatz, sondern bezahlt, was auf den Preisschildern stand.
    "Die Moskauer Bevölkerung kam nicht ins GUM, um die täglichen Einkäufe zu erledigen, sondern man kam in Sonntagskleidung in dieses Warenhaus, um Geschenke zu kaufen, um Möbel zu kaufen oder feinen Stoff."
    Symbol des verhassten Kapitalismus
    Nach der Revolution schlossen die Bolschewiki das Kaufhaus. Sie beschlagnahmten Waren, enteigneten die Geschäftsinhaber und zerschlugen die kostbaren Kristallspiegel. Die Ladentheken wurden zu Schreibtischen für das Volkskommissariat für Nahrungsmittel umgearbeitet, das nun dort einzog. In den 20er-Jahren liberalisierte Lenin die Wirtschaftspolitik und die Oberen Handelsreihen wurden als staatliches Warenhaus GUM wiedereröffnet. Jetzt standen dort Möbel für sowjetische Behörden, Tinte, Glühbirnen und rote Fahnen zum Verkauf.
    Doch Pläne, das Symbol des verhassten Kapitalismus dem Erdboden gleichzumachen, gab es immer wieder.
    "1935 hatte man die Idee, eine gewaltige Fabrik für Schwerindustrie zu bauen, direkt im Zentrum am Roten Platz, weil das zu diesem Zeitpunkt das Wichtigste war für den Fortgang der Revolution: Schwerindustrie im Rahmen des ersten und des zweiten Fünfjahresplans."
    Aufwendige Renovierung zur Jahrtausendwende
    Der Zweite Weltkrieg verhinderte diese radikale Umgestaltung des Roten Platzes. Stalins Nachfolger Chruschtschow, der sich durch seine Tauwetterpolitik auszeichnete, eröffnete 1953 das GUM wieder als Vorzeigekaufhaus. Viele Menschen reisten von überall in der Sowjetunion an, um Dinge zu kaufen, die man in gewöhnlichen Geschäften nicht bekam.
    In den 70er-Jahren beschlossen Hardliner im Kreml erneut, das GUM abzureißen. Es soll Breschnews Ehefrau gewesen sein, die das Kaufhaus rettete, weil sie ihre Garderobe dort schneidern ließ.
    Im marktwirtschaftlich orientierten Russland bestreitet niemand mehr die Existenzberechtigung des GUM. Zur Jahrtausendwende wurde das Einkaufszentrum aufwendig renoviert.
    "Neu heißt es ebenfalls GUM, allerdings hat man dieses Gosudarstwenny, also dieses Wort ‚staatlich‘ ersetzt durch Glawny, das heißt Haupt-Warenhaus. So konnte man dieses Kürzel behalten und hat nicht diese Assoziation mit der sowjetischen Zeit."
    Nach wie vor ist es ein Magnet für Touristen und eine junge kaufkräftige Moskauer Kundschaft. Von innen ist das GUM zu einer Edel-Shopping-Mall geworden, wie es heute viele gibt, von außen gilt es immer noch als ein Denkmal russischer Baukunst.