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Warenstrom mit Datenstrom

Container, die selbst den schnellsten oder günstigsten Weg finden, oder der Spiegel im Badezimmer, der an den Rechner des Hausarztes gekoppelt ist und an die morgendliche Arzneieinnahme erinnert - Beispiele für die zunehmende Vernetzung finden sich zuhauf. Dabei geht es nicht mehr nur um Datentransfers, sondern um eine Revolution in der Logistik.

Von Thomas Wagner | 29.03.2008
    Professor Edgar Fleisch, Direktor am Institut für Informationsmanagement der ETH Zürich, ist schon in so mancher Fabrikhalle herum gekommen:

    "Ein Beispiel: In fast allen Produktionshallen gibt es Produkte, die irgendwo herumliegen und die man nicht findet, die dann sagen können: "Ich bin hier, ich möchte zu dieser und jener Maschine. Und übrigens bin ich ein Eilauftrag; ich muss zuerst bearbeitet werden." Das kann heute nur sehr schlampig gemacht werden. Wenn die Produkte selber sprechen könnten, über eben genau diese Infrastruktur, könnte man hier viel gewinnen."

    Mittlerweile können die Teile und Produkte sprechen – zumindest dann, wenn sie mit so genannten "RFID"-Chips ausgestattet sind. Die werden über Lesegeräte angesteuert, die mit dem Internet verbunden sind. Auf den Chips sind alle notwendigen Infos über das jeweilige Teil abgelagert. Erhält das Unternehmen einen Auftrag, bei dem gerade dieses Teil benötigt wird, wissen die Disponenten blitzschnell, wo es sich befindet, wie es um den Stand der Bearbeitung geht: Das Teil "schreit" elektronisch danach, verarbeitet zu werden – der Produktionsprozess erfährt eine enorme Beschleunigung. Dies ist aber nur ein Beispiel für das "Internet der Dinge" – also für die Verknüpfung von Alltagsgegenständen mit dem Internet. Ein anderes Beispiel erläutert Moritz Roidel von der Technischen Universität Dortmund. Auf dem Kongress in Zürich hängt hinter seinem Stand das Poster eines Großflughafens. Bei seinem Projekt geht es um den "intelligenten Koffer", der in Verbindung mit dem Intranet des Flughafens selbständig seinen Weg durch die Gepäckabfertigung findet.

    "In diesem Fall bekommt der Koffer ein RFID-Tag, welches Daten speichern kann. Und das System speichert die Route, die der Koffer nehmen soll, auf diesem Tag. Und dadurch, dass der Koffer lokal mit den Weichen kommuniziert, indem er sagt: "Ich möchte jetzt rechts, ich möchte jetzt links", liest die Weiche das aus."

    An jeder Gepäckweiche kommuniziert der Koffer mit der Weiche, stellt seine Position fest und entscheidet sich jedes Mal aufs Neue, ob er nach links oder rechts transportiert werden will - genauso wie eine E-Mail, die sich ihren Weg durchs World Wide Web bahnt.

    "Das Internet der Dinge ist heute als Definition noch nicht vorhanden. Es gibt einmal die Definition, zu sagen: Wir verbinden das Internet mit den physikalischen Objekten. Wir sehen in unserem Bereich, der Logistik, die Definition anders, dass wir sagen: Wir bringen die Ideen des Internets in unsere physikalischen Netzwerke rein. Das heißt: Wir benutzen die Algorithmen aus dem Internet, passen die an. Wir reden von Datenpaketen. Warum benutzen wir diese Algorithmen nicht für echte Pakete. Das ist ein "Adhoc-Routing-Algorithmus", eine der bekanntesten in diesem Bereich, der sich immer neu das System anguckt, durch das System flutet und sagt: Wo ist jetzt der beste Weg?."

    Das Beispiel zeigt: Das "Internet der Dinge" ist ein weites Forschungsfeld. Dabei wurden auf dem Kongress nicht nur Fallbeispiele diskutiert, sondern auch die Frage: Wie verändert sich das Internet als solches als Folge solcher Entwicklungen?

    "Einerseits wird sicherlich die Datenmenge immer größer, die pro Zeiteinheit transportiert werden kann. Das Zweite ist, dass Datenmengen über Funk transportiert werden können zu Kosten, die fast nichts mehr ausmachen, fast kostenfrei. Das heißt: Der drahtlose Zugang zum Internet durch Wireless Lan und andere Technologien – der wird noch viel weiter gehen. Das heißt: drahtlose Vernetzung von Dingen – und das zu Kosten im Kleinen, die fast vernachlässigbar sind."

    Glaubt Professor Friedemann Mattern vom Institut für Pervasive Computing der ETH Zürich. Zukünftige Handy-Generationen werden ebenfalls eine wichtige Rolle im "Internet der Dinge" spielen. Das zeigt das Beispiel des "Mystery Shoppers" – ein System, mit dem sich Produktfälschungen bei Medikamenten ausfindig machen lassen. Bestimme Tablettenverpackungen sind bereits heute mit winzigen RFID-Chips ausgestattet. Deren Daten können moderne Mobiltelefone auslesen. Carsten Magerkuth von SAP-Research St. Gallen:

    "Ich nehme eine Medikamentenpackung und halte mein Mobiltelefon einfach an dieser Packung dran. Dann liest das Telefon diese Daten aus diesem Funkchip aus und sendet die an eine SAP-Infrastruktur, die an einem Server ganz weit weg in Karlsruhe stationiert ist, und zwar übers Internet: Der Abgleich mit den Produktinformationen auf dem Server erfolgt blitzschnell, ebenso die Rückmeldung auf das Handy des Prüfers, so dass ich genau weiß, ob an diesem Ort gefälschte Produkte verkauft werden oder nicht."

    Auch beim Einkaufen werden Handys auf diesem Weg sekundenschnell Zusatzinformationen über Waren liefern können – und zwar viel intensiver als dies manchmal dem Hersteller recht sein kann. Robert Adelmann vom Institut für Pervasive Computing hat sogar einen Allergie-Assistenten entwickelt, der beim Einkaufen nützliche Dienste leistet: Dabei werden Strichcodes auf den Verpackungen mit der Handy-Kamera erfasst. Danach nimmt das Mobiltelefon Kontakt mit dem Internet auf; die aus dem Strichcode ausgelesenen Informationen werden mit einer Lebensmittel-Datenbank abgeglichen.

    "Also stellen Sie sich vor, Sie sind allergisch gegen Nüsse oder andere Produkte oder Stoffe. Da können Sie jetzt ein Profil erstellen, sei es jetzt auf dem Mobiltelefon oder im Internet, das diese Information enthält. Im Laden holen Sie dann Ihr Handy aus der Tasche, nehmen das Produkt und halten das Mobiltelefon davor. Dann kriegen Sie nicht nur eine lange Liste mit Inhaltsstoffen gezeigt, sondern direkt eine einfache Antwort auf die Frage, ob das Produkt ok ist oder nicht."