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Warhol-Verkäufe
"Es ging um eine Form von Dekorierung"

Die Warhol-Bilder der NRW-Spielbank WestSpiel seien nicht Werke in öffentlicher Hand, sondern die eines Betriebs, sagte Andreas Bialas (SPD) im DLF. WestSpiel habe die Bilder auch nicht zur Kunstförderung erworben, sondern zur Raumdekoration, sagte er weiter im Hinblick auf die Kritik an einem geplanten Verkauf.

Andreas Bialas im Gespräch mit Christoph Heinemann | 24.10.2014
    Die Andy Warhol Kunstwerke (l-r) "Triple Elvis" (1963) und "Four Marlon" (1966). Die Westdeutschen Spielbanken wollen in New York zwei ihrer wichtigsten Bilder versteigern lassen und erhoffen sich dafür 100 Millionen Euro.
    Die Andy Warhol Kunstwerke (l-r) "Triple Elvis" (1963) und "Four Marlon" (1966). Die Westdeutschen Spielbanken wollen in New York zwei ihrer wichtigsten Bilder versteigern lassen und erhoffen sich dafür 100 Millionen Euro. (dpa / Christie's/The Andy Warhol Found)
    Bialas räumte ein, dass die Kunstwerke inzwischen einen "enormen Zuwachs an Gewinn" gemacht haben. "Und jetzt muss betrachtet werden, wie damit anders umgegangen werden kann", sagte er. "Wir müssen uns informieren, was noch an Kunstwerken vorhanden ist und sie in eine Örtlichkeit überführen, wo sie einem Publikum zugänglich sind", sagte er weiter.
    Jedoch würden "nicht unerhebliche Mittel" aus dem Erlös an das Land NRW zurückfließen, sagte Bialas und unterstrich die Wichtigkeit eines gesunden Haushalts der Landesregierung.

    Lesen Sie das gesamte Interview hier in voller Länge:
    Christoph Heinemann: Rekordschulden, Skandalbilder aus Flüchtlingsunterkünften, bestenfalls mittelmäßige Plätze bei Bildungs- und Schulvergleichen, jüngst die sogenannte Funklochaffäre der Ministerpräsidentin - dass Nordrhein-Westfalen erfolgreich regiert würde, ist außer in regierungsamtlichen Pressemeldungen gegenwärtig kaum zu lesen. Nun sorgt die rot-grüne Landesregierung für die nächste Schlagzeile, und die hat mit Kunst zu tun. Dreimal Elvis, nebeneinander mit gezogener Knarre, und viermal Marlon Brando, mit Schiebermütze auf einem schweren Motorrad sitzend. Die Landesregierung bleibt dabei: Zwei Werke von Andy Warhol sollen zur Sanierung der Kasinogesellschaft WestSpiel verkauft werden. Das machten Vertreter der landeseigenen NRW-Bank, deren Tochter WestSpiel ist, sowie des Finanzministeriums gestern im Kulturausschuss des Landtages deutlich.
    Am Telefon ist Andreas Bialas, Sprecher der SPD im kulturpolitischen Ausschuss des nordrhein-westfälischen Landtages. Guten Morgen!
    Andreas Bialas: Guten Morgen!
    Heinemann: Herr Bialas, wann haben Sie zuletzt ein Museum besucht?
    Bialas: Oh, das ist vielleicht eine Woche her. In Wuppertal, da haben wir gerade die Pissarro-Ausstellung.
    Heinemann: Haben Sie sich dabei ertappt, dass Sie die Kunstwerke mal in Haushaltsmittel umgerechnet haben?
    Bialas: Nein, das habe ich nicht gemacht.
    Heinemann: Wieso nicht?
    Bialas: Na ja, weil das auch bei der Pissarro-Ausstellung in keinster Weise zur Frage stand und ich mich in einem öffentlichen Museum aufgehalten habe und wir auch nicht darüber diskutieren, ob wir aus öffentlichen Museen Kunst verkaufen.
    WestSpiel ist ein Betrieb
    Heinemann: Aber Kunst ist nicht unbedingt keine Einnahmequelle für die rot-grüne Landesregierung.
    Bialas: Ich glaube, man muss unterscheiden, inwieweit es hier um einen Betrieb geht, also WestSpiel, der im zunächst erst mal Besitz dieser Bilder ist und sich neu strukturieren will, und das, was in unmittelbarer öffentlicher Hand ist.
    Heinemann: Inwiefern muss man da unterscheiden?
    Bialas: Na ja. Wir haben die WestSpiel, die letztendlich die Betreiber von mehreren Kasinos ist, und aus diesen Kasinos fließt ein nicht ganz unerheblicher Gewinn auch wieder an den Landeshaushalt zurück, und dieser Betrieb ist jetzt dabei, sich entsprechend neu zu strukturieren. Das macht er mit einem Verkauf von Bildern, was mich als Kulturpolitiker nicht fröhlich macht. Das ist vollkommen klar. Allerdings muss man auch erst mal die finanzpolitische Seite dieses Konzerns sehen.
    Heinemann: Was haben Sie als Kulturpolitiker dagegen unternommen?
    Bialas: Wir haben frühzeitig Gespräche geführt, inwieweit insgesamt mit den Kunstwerken umzugehen ist, die im Besitz von Töchtern oder anderweitigen Firmen ist wie zum Beispiel - sie hatten es ja auch angesprochen - WestSpiel, WestLB - sonstige, wie wir diese Bilder, die dort über die Jahre angekauft worden sind, tatsächlich auch dann entsprechend so sichern, dass sie jederzeit auch für Publikum zugänglich sind, sprich in die öffentliche Hand dann auch fließen.
    Heinemann: Wenn sie nicht verkauft werden! - WestSpiel ist ja eine Tochter der landeseigenen NRW-Bank, die wiederum dem Finanzminister untersteht. Jetzt hat die Regierung gesagt, wir können da eigentlich gar nichts machen, weil WestSpiel da autonom handelt. Die "FAZ" hat daran schon mal gelinde Zweifel geäußert und gesagt, wenn die Überschüsse von WestSpiel an den Haushalt zurückfließen, dann ist das mit der Autonomie so eine Sache. Versucht sich die Landesregierung, da aus der Verantwortung herauszustehlen?
    Kritik von Museumsdirektoren verständlich
    Bialas: Nein. Es ist ja auch so, dass nicht nur die Landesregierung dort entsprechend tätig ist, sondern es gibt auch einen Verwaltungsrat, der auch hier durch andere Parteien bestückt ist, und es gab diese Gespräche Anfang des Jahres. Es ist mir nicht bekannt, dass es auch nur einen gegeben hat, der hier Klagen bisher hat laut werden lassen.
    Heinemann: Außer 26 namhaften Museumsdirektoren.
    Bialas: Die Direktoren haben eine entsprechende Kampagne jetzt gefahren, die dieses Vorgehen kritisieren. Das ist sehr deutlich wahrgenommen worden.
    Heinemann: Zurecht?
    Bialas: Ich kann die Sichtweise der Museumsdirektoren gut nachvollziehen und verstehen und ich kann mir auch sehr gut vorstellen, dass das jetzt auch ein entsprechendes Symbol ist, an dem sich eine Kritik hochzieht. Natürlich!
    Heinemann: Herr Bialas, durch den Verkauf geht Nordrhein-Westfalen Kunst verloren. Das ist ganz klar. Wenn es die Landesregierung tatsächlich ernst meinte mit der Kunst und ihr diese am Herzen läge, müsste dann nicht wenigstens dafür gesorgt werden, dass sämtliche Einnahmen aus diesem Verkauf dafür verwendet werden, andere Kunstwerke zu kaufen?
    Erlös geht in Bau eines neuen Spielkasinos
    Bialas: Dem Land NRW liegt die Kunst sehr am Herzen.
    Heinemann: Nur nicht Andy Warhol!
    Bialas: Noch einmal: Es geht hier um den Verkauf von Bildern aus einem Betrieb und der Erlös soll entsprechend in die Spielbank, einen Neubau der Spielbank in Köln fließen. Es soll für die Spielbank Aachen und die anderen Standorte eine entsprechende Erneuerung geben. Und ich sage noch mal: Daraus fließen nicht ganz unerhebliche Finanzmittel an das Land zurück. Die Steuermittel für den Landeshaushalt zwischen 2002 und 2013 waren deutlich über eine Milliarde. Ich glaube, auch das ist nicht ganz unerheblich, dass wir einen gesunden Haushalt haben, um dann auch daraus anderweitige Dinge finanzieren zu können.
    Ich selbst habe natürlich große Freude daran, wenn man sagt, selbstverständlich kauft ein Land Kunst und Kultur an, gerade auch im Bereich einer Künstlerförderung, nicht nur reine Sammlung für die Museen, was ja auch eine unserer Aufgaben ist, und sobald dann auch entsprechende Wertzuwächse sind, verkauft es diese, um dieses Geld sofort zu reinvestieren in die Künstlerförderung.
    Heinemann: Gerade das macht ja die Landesregierung nicht, Herr Bialas. Genau das macht die Landesregierung nicht! Nein! Sie hat angekündigt, der "Kölner Stadtanzeiger" hat darüber berichtet, dass mit dem Erlös unter anderem ein neues Spielkasino in Köln gebaut werden soll.
    Bialas: Das sagte ich ja gerade.
    Heinemann: Frage an den Kulturpolitiker: Was benötigt Nordrhein-Westfalen dringender, mehr Kunst oder mehr Spielkasinos?
    Bialas: Also es sind zwei unterschiedliche Bereiche. Das eine ist in der Tat, wie ein Land auch Steuermittel generiert. Das andere ist, wie ein Land mit Kunst und Kultur umgeht und was es für auch sein künstlerisches Erbe, auch für seine künstlerische Darstellung braucht. Beides ist mit Sicherheit eine wichtige Aufgabe auch der Landesregierung.
    Kasino-Neubau soll Gewinne sichern
    Heinemann: Schauen wir noch mal auf den Neubau in Köln. Es ist ja durchaus fraglich, ob das Geschäftsmodell Spielkasino in Zeiten digitaler Spiele überhaupt noch funktioniert. Das Kasino in Aachen ist hoch verschuldet. Wird da in Köln mit freundlicher Unterstützung der Landesregierung ein künftiger Sanierungsfall gebaut?
    Bialas: Das glaube ich nicht. Wie gesagt: Wenn ich zurückschaue in die Jahre 2002 bis 2013, haben wir enorme Gewinne sowohl für den Landeshaushalt als auch für die übrigens Städte, in denen die Kasinos betrieben werden. In der Tat: Aachen läuft defizitär. Ich darf auch daran erinnern, dass etliche Politiker jeglicher Couleur großes Interesse daran haben, dass Aachen als Standort für ein Spielkasino erhalten bleibt. Aber der Neubau in Köln soll genau auch in der langfristigen Perspektive die Gewinne, die in den letzten Jahren erzielt worden sind, auch sichern.
    Spielbank hat Kunst zur Dekoration gekauft
    Heinemann: Im Kasino Aachen befinden sich weitere Kunstwerke und zwei sind zerstört worden, ein Werk von Warhol, ein Werk des Künstlers Heinz Mack. Ist es nicht an der Zeit, die enge Verbindung von Spielkasinos und Kunstwerken in Nordrhein-Westfalen einmal zu überdenken?
    Bialas: Das ist ja auch eine Diskussion, die ich gerade angedeutet habe. Wir müssen uns selbstverständlich darüber informieren und auch da entsprechend handeln, was noch an Kunstwerken vorhanden ist, um hier zu sehen, dass wir sie in der Tat in eine Örtlichkeit überführen, wo sie a) auch angemessen behandelt werden, aber wo sie vor allen Dingen auch einem Publikum zugänglich sind. Das ist für uns ja von großem Interesse.
    Aber noch einmal: Es ist natürlich so, dass eine Spielbank in der Tat Kunst, Bilder, sonstiges angekauft hat, um erst mal ihre Räumlichkeiten zu dekorieren. Das war der ursprüngliche Sinn. Es war nicht so, dass die Spielkasinos hergegangen sind und gesagt haben, wir kaufen jetzt mal Kunst an oder wir wollen jetzt irgendwas fördern, wir wollen jetzt irgendwas, sondern es ging erst mal in der Tat, wie es ja auch gesagt worden ist, um eine Form von Dekorierung. Jetzt haben in der Tat etliche dieser Kunstwerke einen enormen Zuwachs an Gewinn. Das ist natürlich dann auch wiederum ein Fall, den man jetzt kulturpolitisch betrachten muss, inwieweit jetzt schlicht anders damit umgegangen werden muss.
    Heinemann: Andreas Bialas, der Sprecher der SPD in Nordrhein-Westfalen für die Kulturpolitik. Danke schön für das Gespräch und auf Wiederhören.
    Bialas: Danke schön!
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.