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Warnschuss an die Serben

Bislang war die Regierung in Wien unbedingt für einen EU-Beitritt Serbiens. Österreich weiß um die Schlüsselrolle des Balkanstaats und hat selbst wirtschaftliche Interessen. Doch der Grenzkonflikt im Kosovo wird zum Bremsklotz für Serbiens EU-Ambitionen. Vom einstigen Fürsprecher kommt jetzt ein "Ja, aber".

Von Stephan Ozsváth | 08.12.2011
    Grenzkonflikte zwischen Serbien und Kosovo erschweren Serbiens EU-Ambitionen.
    Grenzkonflikte zwischen Serbien und Kosovo erschweren Serbiens EU-Ambitionen. (picture alliance / dpa EPA/VALDRIN XHEMAJ)
    Szenen vor vier Monaten. Serbische Radikale verwüsten den Grenzübergang in Jarinje an der Grenze zwischen Kosovo und Serbien. Ein Kosovo-Polizist stirbt dabei. Es ist eine Grenze, die Serbien nicht anerkennt. Denn für Serben ist Kosovo kein unabhängiger Staat, sondern weiterhin eine serbische Provinz. Der österreichische Balkan-Kenner Erhard Busek, früher Koordinator des Stabilitätspaktes für Südosteuropa, schüttelt nur den Kopf.

    "Das Verhalten der Serben in der Frage Kosovo - hier kann man nur sagen, hier kann man nur dem Außenminister Jeremic sagen: Da lebt er auf einem anderen Stern. Das ist eine Wirklichkeit, die auch die Serben zur Kenntnis nehmen müssen. Man wird den Serben sicher helfen müssen, weil es für sie eine dramatische Änderung ist, die sich seit den 90er-Jahren ergeben hat. Aber die müssen sie auch zur Kenntnis nehmen."

    Nämlich, dass Kosovo seit fast vier Jahren ein unabhängiger Staat ist - anerkannt von den meisten EU-Staaten. Bislang war die Regierung in Wien unbedingt für einen EU-Beitritt Serbiens. Österreich weiß um die Schlüsselrolle des Balkanstaats. Und hat selbst handfeste wirtschaftliche Interessen. Doch der Grenzkonflikt im Kosovo wird zum Bremsklotz für Serbiens EU-Ambitionen. Vom einstigen Fürsprecher kommt jetzt ein "Ja, aber". Österreichs Außenminister Michael Spindelegger schlägt vor.

    "Wir wollen dass Serbien ein Zeichen der Anerkennung bekommt. Den Kandidatenstatus zuerkannt bekommt, allerdings diese Auseinandersetzungen im Norden des Kosovo, wo elf österreichische Soldaten verletzt wurden, die gehen nicht spurlos an uns vorüber. Ich möchte daher einen Kandidatenstatus auf Probe im Europäischen Rat erteilen, das heißt dass jetzt zwar der Kandidatenstatus zuerkannt wird, aber im März beim nächsten Europäischen Rat geklärt wird, ob diese Vereinbarungen, die Serbien mit Kosovo getroffen hat, auch wirklich eingehalten werden."

    Der Vorstoß ist nach Angaben der Regierung in Wien nicht mit den anderen EU-Staaten abgesprochen. Ob er eine Chance hat - Fragezeichen. Aber eins ist klar: Das ist ein deutlicher Warnschuss an die Serben. Den hat Präsident Boris Tadic durchaus auch gehört. Er selbst glaubt wohl nicht mehr an den Kandidatenstatus.

    "Wenn wir am 9. Dezember keinen Kandidatenstatus bekommen, müssen wir weiter machen. Das ist keine definitive Niederlage, das ist - ich benutze die Metapher - eine verlorene Schlacht.""

    Klar ist: Die serbische Regierung ist in einer Sandwich-Position: Einerseits macht die EU Druck, die Regierung in Pristina sowieso, andererseits die serbischen Radikalen - in Belgrad und im Norden des Kosovo. Tadic gibt zu, dass er auf die keinen Einfluss hat.

    Und nicht zu vergessen: In Serbien wird im Frühjahr gewählt. Der Kandidatenstatus würde Tadic nützen. Ein Nein aus Brüssel eher den Radikalen. Vladimir Todoric, Direktor des Think Tanks "New Policy Center" aus Belgrad appelliert deshalb an die Konfliktparteien.

    ""Es nützt Pristina nichts, wenn Serbien keinen Kandidatenstatus bekommt. Wenn Serbien isoliert, in die Ecke getrieben wird, wird das Pristina keineswegs helfen, dass es sein Problem bezüglich des Vertragsverhältnis mit der EU, also den 5 Ländern, die Kosovo nicht anerkannt haben, löst. Andererseits wird Serbien keine Fortschritte machen und prosperieren, wenn es die Staatlichkeit Kosovos und seinen wirtschaftlichen und politischen Fortschritt stört."

    Positive Signale gab es indes von NATO und UNO. NATO-Chef Rasmussen sprach sich für ein JA zu Serbiens Kandidatur aus. Und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon lobte schon mal vorsorglich den am Wochenende erzielten Grenzkompromiss zwischen Belgrad und Pristina - den allerdings die radikalen Serben im Norden des Kosovo weiter ablehnen.