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Warnstreiks im öffentlichen Dienst
Verdi legt Teile des öffentlichen Lebens lahm

Mit Ausfällen bei Flügen, Bussen und Bahnen hat heute früh ein weiterer Warnstreik im öffentlichen Dienst begonnen. Auch Kitas, Müllabfuhren und Krankenhäuser sind von den Protestmaßnahmen der Gewerkschaften betroffen. Für zusätzliche Belastung sorgt ein Arbeitskampf bei der Air France.

10.04.2018
    Plakate mit der Aufschrift "Heute Warnstreik" hängen an einem Ticketschalter.
    In Köln und anderenorts blieben auch viele Busse und Bahnen in den Depots. (dpa / Oliver Berg)
    Am größten Airport in Frankfurt am Main wurden 660 der rund 1.400 geplanten Starts und Landungen gestrichen. In Köln/Bonn wurde der Flugbetrieb für mehrere Stunden komplett eingestellt, weil die Beschäftigten der Feuerwehr die Arbeit niedergelegt haben.
    Am Flughafen München wurden nach Angaben einer Lufthansa-Sprecherin rund 240 In- und Auslandsflüge gestrichen. Etwa 500 Mitarbeiter wollten den ganzen Tag über streiken, hieß es. Am Flughafen Bremen ist die Rede von 40 gestrichenen Verbindungen.
    Eine Busfahrerin der Ruhrbahn protestiert mit einem Transparent "2. Warnung".
    Auch der Personennahverkehr ist in vielen Städten betroffen. (dpa / Roland Weihrauch)
    Auch Berlin-Tegel betroffen
    Die Arbeitskampfmaßnahmen ziehen auch den Betrieb in Berlin-Tegel in Mitleidenschaft. Dort werden rund 70 Inlandsflüge nicht durchgeführt: Auf der Strecke Berlin-Frankfurt sind beispielsweise 18 von 22 Lufthansa-Flügen annulliert worden, nach München 12 von 19. Am Flughafen Leipzig/Halle wurden 18 Flüge gestrichen. Betroffene Lufthansa-Kunden sollen ihren Flug kostenfrei umbuchen oder im Inland auf die Bahn ausweichen können (weitere Informationen zur Frage: Was tun bei Streik?).
    Die Streiks werden mit gemischten Gefühlen kommentiert. Der SPD-Bundestagsabgeordnete Gremmels twitterte zum Beispiel: "Ich verpasse zwar meine ersten Termine in Wiesbaden, dennoch sehe ich es positiv: Tue heute echt was für meinen CO2-Fußabdruck."
    Der Verdi-Vorsitzende Frank Bsirske verteidigte die Ausstände: "Mit der massiven Ausweitung der Streiks setzen wir in dieser Woche deutliche Signale an die Arbeitgeber." Man erwarte, dass die Arbeitgeber ein verhandlungsfähiges Angebot vorlegten und damit eine gute Lösung am Verhandlungstisch ermöglichten. Die deutsche Wirtschaft erlebe goldene Zeiten, wann, wenn nicht jetzt könne es deutliche Sprünge nach oben für Arbeitnehmer geben. Angesprochen auf gestrandete Fluggäste sagte Bsirske: "Das ist nicht schön, aber angesichts des Vorlaufs glaube ich, dass das hinzunehmen ist." Zugleich drohte er, wenn diese Verhandlungen zu keinem vernünftigen Ergebnis führten, werde man mit Eskalationen noch ganz anderen Ausmaßes rechnen müssen.
    "Heute fahren keine Bahnen"
    Auch der Nahverkehr ist beeinträchtigt. "Heute fahren keine Bahnen", warnten etwa die Kölner Verkehrs-Betriebe (KVB) ihre Kunden per Laufband. Ähnlich sah es bei der Ruhrbahn in Essen und Mülheim aus. Auch der öffentliche Personennahverkehr in Bonn und Dortmund ist teilweise lahmgelegt. Eine Ausnahme bildet Düsseldorf. Bei der Rheinbahn soll es erst morgen einen Warnstreik geben. Viele Berufspendler mussten aufs Auto umsteigen, weshalb es auf Autobahnen und Straßen zu längeren Staus kommen kann.
    Mehrere Städte kündigten an, dass Kitas geschlossen bleiben müssen. Arbeitskampfmaßnahmen gibt es zudem bei Müllabfuhren, Sparkassen, Stadtverwaltungen, Krankenhäusern und dem Schiffsverkehr. Die Auswirkungen sind jeweils abhängig davon, wie viele Beschäftigte sich tatsächlich an dem Warnstreik beteiligen.
    Verdi und der Beamtenbund dbb fordern für die 2,3 Millionen Beschäftigten von Bund und Kommunen sechs Prozent mehr Geld, mindestens aber 200 Euro pro Monat. An diesem Sonntag beginnt in Potsdam die dritte Verhandlungsrunde.
    Arbeitsniederlegungen auch in Pflegeheimen und bei der Telekom
    Die Warnstreiks lenken den Blick ferner auf die Defizite im Bereich Pflege. Beschäftigte fordern seit Jahren bessere Arbeitsbedingungen. Pflegeheime müssten derzeit alte Menschen abweisen, weil es zu wenig Pflegekräfte gebe, erläuterte Bsirske. Im öffentlichen Dienst werde es wegen der Bezahlung zunehmend schwieriger, Fachkräfte zu gewinnen.
    Im Tarifkonflikt bei der Deutschen Telekom gibt es heute ebenfalls Warnstreiks. Verdi zufolge beteiligen sich bundesweit rund 4.100 Beschäftigte. Die Telekom weist darauf hin, dass ein Großteil davon im Servicebereich beschäftigt sei, weshalb es zu längeren Wartezeiten bei der Kundenbetreuung kommen könne. Verdi fordert hier 5,5 Prozent mehr Lohn in einem zwölf Monate gültigen Vertrag.
    Sechster Streiktag bei Air France
    Die Lage im Luftverkehr wird weiter verschärft durch Streiks in Frankreich. Der Auseinandersetzung um höhere Gehälter dort sorgt für Flugausfälle bei Air France. Gut 35 Prozent der Piloten und rund 20 Prozent der Flugbegleiter wollen nicht zur Arbeit erscheinen, beim Bodenpersonal wollen knapp 13 Prozent der Mitarbeiter streiken.
    Es ist bereits der sechste Streiktag bei Air France seit Ende Februar. Nach Unternehmensangaben sind dadurch bereits Kosten von rund 170 Millionen Euro aufgeworfen worden. Die französischen Gewerkschaften fordern sechs Prozent mehr Gehalt.