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Warnstreiks
Kita in Sindelfingen will weiter kämpfen

In NRW legen die Mitarbeiter in zahlreichen Kindertagesstätten heute die Arbeit nieder - zurecht, finden die Erzieherinnen einer Kita im baden-württembergischen Sindelfingen. Sie haben bereits gestreikt und wollen auch weiter für mehr gerechte Bezahlung und größere Anerkennung ihres Berufes kämpfen.

Von Thomas Wagner | 15.04.2015
    Kita-Mitarbeiter in München stellen sich auf Plakaten dar als "Familienfriedensretterin", "Traumabewältiger", "Gewaltopferschützerin" u.a.
    Kita-Mitarbeiter fordern mehr Geld - wie hier in München. (imago / Michael Westermann)
    Bei strahlendem Sonnenschein draußen spielen, auf der kleinen Wiese vor der Kindertagesstätte "Klostergarten" in Sindelfingen: Hier, so scheint es, ist die Welt noch in Ordnung. Stimmt aber nicht.
    "Dass man nochmals streikt, das auf jeden Fall. Ich denke, da muss man ein Zeichen setzen."
    Alexandra Linstein ist eine von 20 Erzieherinnen, die im "Klostergarten" über 100 Kinder betreuen:
    "Wir haben auch schon gestreikt. Es geht allgemein darum, dass man ein bisschen mehr verdient, dass der Beruf mehr anerkannt wird. Dass man für, was man arbeitet, einfach gerecht bezahlt wird."
    "Man muss ein Zeichen setzen"
    Mehr Geld, mehr Anerkennung für die Arbeit: Mit diesen Forderungen liegen Alexandra Linstein und viele ihrer Kolleginnen voll auf der Linie der Gewerkschaften. Die wollen für die Kita-Beschäftigten durchschnittlich zehn Prozent mehr Gehalt herausholen: Viel zu viel, sagen die Arbeitgeber, die auf einen Durchschnittsverdienst von 2879 Euro verweisen.
    Allerdings: Die Bezüge für Erzieherinnen und Erzieher in den ersten Berufsjahren liegen deutlich darunter. Große Sprünge, sagen die beiden Sindelfinger Erzieherinnen Sabrina Mamba und Alexandra Linstein, lassen sich damit nicht machen.
    "Ja, ich wohne noch zuhause. Aber ich denke jetzt schon an später, wenn ich mal ausziehe, wo ich dann einfach denke, ob uns das später mal reicht, das Geld – das beschäftigt mich jetzt auch."
    "Während meiner Ausbildung hab' ich nebenher gearbeitet. Und jetzt: Naja, man muss in gewissen Dingen einfach zurückstecken. Kann man sich einen Urlaub leisten? Darauf muss man einfach sparen. Solche Dinge muss man halt gut planen."
    Einig sind sich die beiden in einem Punkt: Eine Familie ernähren mit dem Gehalt einer Erzieherin – das geht nicht.
    "Also schwer. Das ist wahrscheinlich auch der Grund dafür, weshalb Männer nicht in den Beruf einsteigen möchten, weil man keine ganze Familie davon ernähren kann von dem, was man erhält."
    Familie ernähren als Erzieherin geht nicht
    "Ich denke, dass viele Männer sagen: Dieses Soziale – das interessiert mich schon. Ich würde gerne. Aber als Mann – man kann einfach seine Familie nicht ernähren."
    Dabei wären Männer in der Kita durchaus gefragt, glaubt Erzieherin Sabrina Mamba.
    "Die Männerrolle braucht ein Kind ganz stark. Die Jungs fühlen sich einfach freier, wenn sie mit einem Mann mal Fußball spielen können. Da sind auch andere Themen da: Autos, Bagger – was wir natürlich auch thematisieren können. Aber ein Mann hat vielleicht eine andere Begeisterung dafür."
    So spielerisch und leicht die Arbeit der Erzieherinnen auf den ersten Blick auch aussehen mag, so sehr haben sich die Aufgaben in den letzten Jahren verändert. Vieles sei schwieriger geworden, meint Alexandra Linstein:
    "Die Eltern haben höhere Anforderungen an uns. Auch die Schulen verlangen nun viel mehr, was ein Kind schon können muss. Wir müssen dokumentieren, beobachten. Wir führen Entwicklungsgespräche mit Eltern einmal im Jahr. Sprachförderung ist ein großes Thema. Wir haben Kinder aus allen Bildungsschichten. Also, manche Kinder kommen hierher, die können gar kein Deutsch. Da fangen wir an. Und da müssen wir auch ein bisschen Gleichgewicht finden."
    Arbeitsalternativen für ältere Erzieher gefordert
    Susanne Rapp sitzt mit am Tisch, nickt bestätigend: Den Wunsch nach mehr Anerkennung und besserer Entlohnung ihrer Mitarbeiterinnen kann sie nur unterstreichen. Daneben ist aber ein Punkt wichtig, der in den laufenden Tarifgesprächen überhaupt noch nicht zur Sprache kam: Die Arbeit in der Kita wird mit zunehmendem Lebensalter immer schwieriger.
    "Wir sollen bis 67 im Kindergarten arbeiten, auf den kleinen Stühlchen sitzen. Das ist für mich unvorstellbar. Es muss eine Alternative geben für Erzieherinnen, die bis zum Rentenalter arbeiten. Und da sehe ich keinerlei Bemühungen, irgendeine Alternative aufzubauen."
    Und deshalb schließen die Mitarbeiterinnen der Sindelfinger Kita "Klostergarten" nicht aus, sich an weiteren Warnstreiks zu beteiligen. Dabei können sie auch auf Unterstützung von außen hoffen, so Leiterin Susanne Rapp:
    "Dazu möchte ich sagen, dass der größte Teil unserer Eltern hier in der Kita voll hinter uns steht. Dass sie sagen: Wir sind zwar betroffen. Aber wir unterstützen die Kolleginnen hier, weil sie sehr wertvolle Arbeit leisten und viel zu schlecht dafür bezahlt werden."