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Wartburgfest 1817
Dafür liefen Burschenschaftler von Kiel nach Eisenach

Burschenschaften waren vor 200 Jahren die Speerspitze einer geeinten Nation und ihr erstes Wartburgfest laut einem Historiker die "Initialzündung für die liberale Bewegung". Seitdem hat sich das politische Spektrum stärker nach links bewegt als die Studentenbünde.

Von Henry Bernhard | 18.10.2017
    Die Deutsche Burschenschaft trifft sich am Freitag (17.06.2011) in Eisenach zum Festakt auf der Wartburg.
    Burschen müssen heute draußen bleiben, wenn sich das Wartburgfest jährt. Grund sei ein Rechtsruck in deren Verband Deutsche Burschenschaft (dpa / Martin Schutt)
    (Trommeln, Marschieren.) So ähnlich wird es geklungen haben, als am 18. Oktober 1817 rund 500 Studenten die Stadt Eisenach hinter sich lassen und den steilen Weg zur Wartburg erklimmen. Europa ist neu geordnet, die deutschen Fürsten sind wieder zurück an der Macht, Napoleon geschlagen. Auf den Tag genau vier Jahre zuvor in der Völkerschlacht bei Leipzig.
    Daran wollen die Studenten erinnern und an den 300. Jahrestag von Luthers Thesenanschlag in Wittenberg. Sie fordern nun ein einiges Deutschland, vor allem aber politische und geistige Freiheit. Sie waren Liberale.
    "Liberal bedeutet – bei allen Schattierungen, die es im Einzelnen dann gibt –, dass man – und das ist ein wichtiger Punkt auch auf dem Wartburgfest – für eine Verfassung zunächst mal eintritt", erläutert Stefan Gerber, er ist Historiker an der Universität Jena:
    "Der Deutsche Bund hat ja so eine Art Grundordnung bekommen 1815, die Deutsche Bundesakte. Und da gibt es einen Artikel 13, wo drin steht: In allen deutschen Staaten wird jetzt eine landständische Verfassung stattfinden. Und der Streit geht nun darum: Was heißt das? Die liberale Bewegung sagt: Verfassung, das ist eine moderne Konstitution, wie sie im Grunde seit der Französischen Revolution ins Leben getreten ist, die bestimmte Mitbestimmungsrechte in politischen Angelegenheiten verheißt, die vor allen Dingen Rechtssicherheit gibt und die bestimmte Grundrechte auch verbirgt."
    Politische Reden und Gottesdienste im Geiste Luthers
    Und so gab es im Eichen- und Tannen-geschmückten Rittersaal auf der Wartburg vor 200 Jahren kämpferische Reden mit politischen Forderungen, und auch Gottesdienste, um den Geist Luthers zu beschwören, der die geistige Freiheit gebracht hatte und der nun mithelfen soll, die politische folgen zu lassen. Die Studenten kamen zu einem großen Teil aus Jena, wo sich zwei Jahre zuvor die ersten Burschenschaften gegründet hatten. Stefan Gerber:
    "Jena hat ja mit großem Abstand die weitaus größte Gruppe gestellt, gefolgt dann von Göttingen. Aber auch Kiel war gut vertreten. Die Kieler haben sich also tatsächlich zu Fuß von Kiel auf den Weg zur Wartburg gemacht, wenn auch die meisten anderen protestantischen Universitäten mit mehr oder weniger großen Abordnungen dort vertreten sind."
    Um die Dimension der Zusammenkunft der 500 Studenten zu verstehen, muss man sich vor Augen halten, dass es damals überhaupt nur 8.500 Studenten im Raum des Deutschen Bundes gab. Jeder 17. von ihnen hat also am Wartburgfest teilgenommen, das zwar nur knapp zwei Tage dauerte, aber weit in die deutschen Länder und nach Europa ausstrahlte.
    Burschenschaftsverband gilt heute nicht mehr als fortschrittlich
    Das Gedenken an das 200. Jubiläum des Wartburgfestes am kommenden Wochenende wird getragen von der Deutschen Burschenschaft, dem ältesten der existierenden Dachverbände. Auf die Wartburg selbst dürfen die Burschen allerdings nicht mehr – das lässt die Wartburg-Stiftung schon seit 2014 nicht mehr zu. Und in der Stadt Eisenach können sie keine Halle mehr mieten, so Oberbürgermeisterin Katja Wolf:
    "Es geht nicht um die Burschen an sich, sondern es geht um die Deutsche Burschenschaft. Die Entwicklung, die die Deutsche Burschenschaft in den letzten Jahren genommen hat, war für uns einfach so nicht mehr akzeptabel. Also, mit einem so gewaltigen Rechtsruck ist für eine Stadt irgendwann automatisch die Situation, dass wir sagen: Da können wir keine Gastfreundschaft mehr zeigen."
    Deshalb hat auch ein großer Teil der Mitgliedsverbände den Dachverband in den letzten Jahren verlassen, denn längst nicht alle Verbindungen teilen diese Haltung.
    Deutschlandlied, erste Strophe im Fackelschein
    Die Festveranstaltung, ein historisches Symposium und ein Gottesdienst werden unter Ausschluss der Öffentlichkeit am Eisenacher Burschenschaftsdenkmal stattfinden – "um dem Wunsch der Teilnehmer nach Privatsphäre nachzukommen", wie es offiziell heißt. Die Burschen wollen unter sich sein.
    Kein Wunder, gab es doch in der Vergangenheit oft Kritik daran, wenn etwa bei Fackelschein ein Deutschland "von der Maas bis an die Memel" besungen wurde.
    Die Universität Jena hat ihre Konferenz über das Wartburgfest als europäisches Ereignis schon in der Vorwoche veranstaltet – öffentlich.