Mittwoch, 24. April 2024

Archiv


Warten auf die Amerikaner

Kilometerlange Strände, nostalgische Oldtimer, Salsamusik und Mojito-Cocktails: Kuba ist ein beliebtes Reiseziel für Europäer, Kanadier oder Mexikaner. Nur US-amerikanische Touristen sind Mangelware. Grund dafür ist das Embargo, dass US-Präsident Kennedy vor gut 50 Jahren verhängt hat. Doch auf Kuba rechnet man fest damit, dass die Einschränkungen bald gelockert werden.

Von Henning von Löwis | 02.08.2013
    High Noon in Havanna.

    Mittags um zwölf vor der Bodeguita del Medio - jener Kultkneipe, in der einst Ernest Hemingway zu den Stammgästen zählte. Der übliche Touristenrummel. Besucher Havannas und Tagesausflügler aus Varadero drängen und schubsen sich in Richtung Theke. Der Barkeeper produziert Mojitos am Fließband. Und die Hauskapelle sorgt für die entsprechende musikalische Untermalung.

    Touristen, die keinen Platz mehr in der völlig überfüllten Kneipe finden, versuchen sich durch die hölzernen Gitterstäbe einen Einblick zu verschaffen und versäumen es nicht, ihr Bild von der berühmten Bodeguita auch festzuhalten. Nirgendwo in Havanna wird so viel auf den Auslöser gedrückt wie an diesem Ort.

    "Hola! La bambolina de Cuba. One peso picture."

    Die Puppenverkäuferin - selbst so farbenfroh gekleidet wie eine kubanische Puppe - verlangt einen Peso für jeden Schnappschuss. Und einen Dollar für die Puppe, die sie feilbietet.

    "Hola. The Cuban Dollar poupée. La boneca cubana."

    Dabei ist der Dollar schon lange kein offizielles Zahlungsmittel mehr auf Kuba.

    Doch den Touristen, die gerade von ihrem Reiseleiter Christopher, über die Geschichte der Bodeguita aufgeklärt werden, ihnen sieht man an, dass sie Dollar in der Tasche haben. Und man hört es.

    "Die Unterschriften an den Wänden sind Teil einer Tradition, die bis in die 20er-Jahre zurückreicht. Winston Churchill, Errol Flynn bis hin zu Naomi Campbell sind die berühmten Persönlichkeiten, die ihren Namenszug in dieser Bar hinterließen. Wahrscheinlich war es der größte Frevel, der in Kuba in den letzten zehn Jahren begangen wurde, dass die Regierung beschloss, die verschmutzten Wände säubern und neu streichen zu lassen. So wurden alle Unterschriften der Prominenten ausgelöscht. Das heißt, dass alle Unterschriften an den Wänden der Bar aus dem letzten Jahrzehnt stammen."

    Legende oder Wahrheit? Doch damit nicht genug!

    "In der Bar wurde der schlechteste und teuerste Mojito Havannas ausgeschenkt. Das ist besser geworden. Heute ist der Mojito gar nicht schlecht! Und in der Bar kann man sich ganz nett amüsieren. Allerdings sind dort praktisch nur Touristen."

    Touristen aus aller Herren Länder steuern das Reiseziel Kuba an, in jüngster Zeit immer mehr Russen, doch Amerikaner - US-Amerikaner sind noch immer vergleichsweise seltene Gäste auf der Insel. Und das ist die direkte Folge der von den USA gegen Kuba verhängten Sanktionen.

    "Man muss mit einer Gruppe reisen - in unserem Fall ist das eine Gruppe der National Geographic Society. Es kommt darauf an, dass es sich um eine autorisierte Gruppe handelt. Wir können nicht einfach nach Kuba fliegen, so wie die Kanadier oder die Mexikaner. Aufgrund der Sanktionen kann man aus Amerika Kuba nur im Rahmen einer Gruppenreise besuchen. Sonst ist das nicht erlaubt."

    Reiseleiter Christoph, der die amerikanischen Ladys durch Havanna führt, betont, dass die National Geographic Society über eine Genehmigung der US-Regierung verfüge, besondere Reisen nach Kuba zu veranstalten:

    "We have a license."

    Die Genehmigung gelte ausschließlich für Bildungsreisen. Dafür, dass die Bildung nicht zu kurz kommt, sorgen gut geschulte kubanische Stadtführer, die viele Geschichten zu erzählen wissen über das reiche Havanna von gestern, und die wohlhabenden Habaneros , die sich einst hier prächtige Paläste errichteten.

    "The rest of the buildings that you are seeing here were residences of the rich people, members of the nobility ... residence of Marquez de Aguas Claras."

    Havannahistorie für amerikanische Bildungsreisende.

    Die Amerikanerinnen, denen hier das sehenswerte Havanna vor Augen geführt wird, verbringen neun Tage auf der Insel und bereuen es nicht, dass sie weite Wege auf sich genommen haben.

    "It's a good buy."
    "Colorado, Arizona, Hawaii, California. So enjoy your stay."

    Baden gehen auf Kuba dürfen Amerikaner bis heute nicht - Strandurlaub in Varadero ist für US-Bürger tabu.Die Regierung in Washington hält eisern fest an jenem Embargo, das John F. Kennedy vor mehr als einem halben Jahrhundert gegenüber Kuba verhängte.

    Doch in Havanna ist man fest überzeugt davon, dass die Eiszeit zwischen Kuba und den USA langsam aber sicher zu Ende geht.

    In Varadero baut man schon heute Fünfsternehotels für betuchte Amerikaner, die morgen mit ihren Luxusjachten Kuba anlaufen werden - wenn die Rechnung der Kubaner aufgeht.

    Der Mann, der eines der ehrgeizigsten Tourismusprojekte in Varadero managt, ist Bretone - also ein Mann vom Meer:

    "Willkommen! Ich spreche nicht Deutsch."

    Gildas Renaux spricht Bretonisch, Französisch, Spanisch und Englisch - und ist Herr über einen Jachthafen, der seinesgleichen sucht.

    "Das Projekt ist einzigartig in Kuba - die erste echte Marina. Zum ersten Mal wird ein Hotel errichtet, das mit einem Jachthafen für 1200 Boote verbunden ist. Damit wollen wir uns auf die Öffnung in Richtung Amerika in den nächsten Jahren vorbereiten."

    Eine gigantische Bettenburg in futuristischem Stil direkt am Wasser mit Blick auf den Jachthafen. Luxuriös ausgestattete Apartments, sechs Restaurants, sieben Bars, Nobelboutiquen, Diskothek, Tauchzentrum und Katamaranterminal. Fünf Sterne und all inclusive. Das ist die neue "Melia Marina Varadero" - ausgelegt für bis zu 3000 Wassersportler, die hier einmal vor Anker gehen sollen, wenn alles fertig ist.

    Doch woher sollen die vielen Segler kommen? Europa ist weit - und Amerikaner dürfen Kuba nicht ansteuern? Hotelmanager Renaux überlegt nicht lange, antwortet wie aus der Pistole geschossen:

    "Wir setzen auf die nahe Zukunft. Es braucht noch etwas Zeit, aber mit Sicherheit wird in den nächsten zwei, drei Jahren alles besser und viel einfacher werden."

    Auch das Visaproblem werde man in den Griff bekommen. Die Kubaner würden da immer beweglicher. In den nächsten zwei, drei Jahren würde sich auf Kuba ein großer Wandel vollziehen.
    High Noon in Havanna: Touristen vor der Bodeguita del Medio
    High Noon in Havanna: Touristen vor der Bodeguita del Medio (Henning von Löwis)
    Unterschriften an den Wänden der Bodeguita
    Unterschriften an den Wänden der Bodeguita (Henning von Löwis)
    Das Schild der kubanischen Kultkneipe Bodeguita del Medio
    Das Schild der kubanischen Kultkneipe Bodeguita del Medio (Henning von Löwis)
    Der Jachthafen im kubanischen Varadero bereitet sich auf eine erhoffte Invasion von zivilen US-Segelbooten vor
    Der Hafen im kubanischen Varadero bereitet sich auf die erhoffte Invasion von zivilen US-Luxusjachten vor (Henning von Löwis)