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Warten auf ein neues Sommermärchen

Bis zur feierlichen Eröffnung der Leichtathletik-Weltmeiserschaft trainieren die 90 deutschen Athleten im Bundesleistungszentrum Kienbaum. Von Medaillenhoffnungen wollen wenige sprechen, stattdessen freuen sie sich auf eine "tolle Veranstaltung".

Von Verena Kemna | 13.08.2009
    Die Berliner Polizei hat eineinhalb Jahre lang an dem Sicherheitskonzept gearbeitet. Eine halbe Million Besucher und 2000 Athleten aus aller Welt werden in der Hauptstadt erwartet. Täglich sind bis zu 700 Polizeibeamte im Einsatz. Laut Polizeidirektion ist alles bereit für neun friedliche Wettkampftage.

    320.000 Eintrittskarten sind verkauft, morgen Abend beginnt für alle Leichtathletikbegeisterten die Einstimmung mit Showprogramm am Brandenburger Tor. Bis zur feierlichen Eröffnung trainieren die 90 deutschen Athleten im Bundesleistungszentrum Kienbaum. Dort gibt DLV-Vizepräsident Eike Emrich optimistische Parolen aus.

    "Für mich steht der Wettbewerb selbst im Mittelpunkt. Und ich meine, dass in der Leichtathletik wieder mehr erkannt werden muss, dass Duelle sehr schön sind, sehr wirkungsvoll die Zuschauer mitfiebern lassen, dass das erregend sein kann und dass manchmal ein Wettbewerb, in dem ich mit minimalem Unterschied an der Medaille vorbeischramme, durchaus spannender sein kann als andere, die sozusagen einen abonnierten Sieger haben."

    Er lehnt es ab, über Medaillenhoffnungen zu spekulieren. Die Trainingsbedingungen in der idyllisch gelegenen Sportschule fast 50 Kilometer vom Hauptstadtstudio entfernt, sind bestens. Da sind sich Trainer, Funktionäre und Athleten einig. Die Sportschule im Brandenburgischen war schon zu DDR-Zeiten Kaderschmiede; für Bianca Kappler, Weitspringerin aus Saarbrücken, kein Problem. Die Athletin trägt das tomatenrote Outfit des Deutschen Leichtathletik Verbandes. Sie steht auf der Sportlerterrasse, zeigt auf Rasenflächen und Laubbäume.

    "Also ich bin überzeugt, dass es eine tolle Veranstaltung wird. Ich habe Stuttgart miterlebt, ich war bei der WM 2002 mit dabei - und die Deutschen sind einfach leichtathletikbegeistert. Ich gehe wirklich davon aus, dass das Stadion voll wird, und ich habe ganz viele, die noch kommen. Die haben noch keine Karten, werden die sich am Veranstaltungstag erst kaufen - und ich bin ganz sicher, es wird eine schöne Veranstaltung."

    Auf einer blauen Pinnwand im Eingangsfoyer hängt der Tagesplan: 14 Uhr, Pressegespräch mit der Hochspringerin Ariane Friedrich. Die 25 Jahre alte Thüringerin mit den kurzen, weißblond gefärbten Haaren ist die Medaillenhoffnung im deutschen Team.

    "Ich werde Berlin wie jeden anderen Wettkampf angehen. Es wird wahrscheinlich nicht wie jeder andere Wettkampf ausgehen, aber was das im Endeffekt für die Höhe bedeutet, das kann ich einfach nicht sagen. Aber ich möchte eigentlich hin und Spaß haben und eine supertolle Vorstellung abgeben - und hoffentlich eine Medaille mit nach Hause karren. Aber welche Höhe, das werden wir dann sehen. Ich weiß es einfach nicht."

    Während die prominente Starathletin den Journalisten antwortet, trainiert der Jüngste im Team auf der Wurfanlage vor einer Sandgrube unter freiem Himmel. David Storl aus Chemnitz ist gerade 19 Jahre alt geworden, hat aber schon die typisch ausgeprägten Oberschenkelmuskeln der Kugelstoßer. Er ist fast zwei Meter groß, wiegt 115 Kilo. Mehrere Weltrekorde, drei internationale Titel, das gibt Sicherheit, sagt er, setzt sich auf eine Holzbank. Der Nachwuchssportler mit den kurzen braunen Haaren fühlt sich gut, freut sich auf die WM vor deutschem Publikum.

    "Gleich von Anfang an alles zu geben, das wird so mein Plan werden, denke ich. Ich weiß nicht, was sie sich jetzt da vorstellen. Man konzentriert sich halt einfach auf den Wettkampf, man macht da jetzt nicht großartig irgendwelche Sachen."

    Sein Trainer Sven Lang erklärt, worum es beim Kugelstoßen geht: Kraft, Technik und Schnelligkeit.

    "Also der Schwerpunkt bei uns liegt halt darauf, eine hohe Geschwindigkeit beim Angleiten in die Stoßauslage zu erreichen; also einen schnellen, kräftigen Abdruck und ein kräftiges Arbeiten aus dem Bein. Kugelstoßen ist eigentlich eine Sache der Beine und der Hüfte. Der Arm bringt eigentlich wenig in das Kugelstoßen hinein."

    Eine Stunde später im Kraftraum: David Storl wischt sich den Schweiß von der Stirn, rückt die Bandage am rechten Knie zurecht. Sein Programm am Ende eines langen Tages: 20 Mal Bankdrücken und freier Zug mit der Hantel. Der junge Sportler geht stumm an die Geräte. Seit drei Jahren betreut Trainer Lang den Nachwuchsstar im deutschen Team.

    "Ja, ich wollte den haben aus der Zehnkampfgruppe heraus. Das war augenscheinlich, dass er sich für das Kugelstoßen und Diskuswerfen eignen könnte. Und da ist dann das daraus entstanden, dass wir ihn vom Mehrkampf in die Wurftrainingsgruppe geholt haben. Die Entscheidung war ja nicht so schlecht."

    Alle Athleten freuen sich darauf, dass es endlich losgeht. Wir sind ein gutes Team, meint auch Cheftrainer Rüdiger Harksen.

    "Es ist ein Wir-Gefühl in der Mannschaft. Und ich denke, dass jeder Einzelne nicht nur von der Mannschaft getragen wird, sondern dass auch das heimische Publikum die Athleten positiv unterstützen wird."