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Was Brüssel goutiert, empört die Balten

Obwohl als europäische Hoffnungsträgerin geehrt, hat die diesjährige Karlspreis-Trägerin Dalia Grybauskaite im eigenen Land nicht den vollen Rückhalt. Viele können in der Politik der litauischen Präsideten nur wenig Heldenhaftes erkennen.

Von Sabine Adler | 09.05.2013
    Eine Karatekämpferin vermutet kaum jemand in der etwas fülligen 57-Jährigen, aber in ihrer baltischen Heimat unterschätzt sie niemand. Und nicht nur, weil sie den schwarzen Gürtel besitzt. Der Karlspreis für die ehemalige EU-Haushaltskommissarin freut ihren ehemaligen Sprecher Linas Balsys, aber nur, weil sein Land damit in den Fokus rückt. Ihr gratuliert er jedenfalls nicht.

    "Die Finanzkrise zu bekämpfen, ist vielleicht ein Beitrag zur Konsolidierung Europas. Das aber auf dem Rücken der Ärmsten zu tun, stärkt nicht unbedingt die Zivilgesellschaft und passt nicht zu demokratischen Werten und Ideen Europas. Immerhin ist 2013 das Jahr des Bürgers in der EU."

    Grybauskaite ist in Litauen überaus beliebt, aber nicht bei denen, die ihr ankreiden, dass sie nie für ein von Moskau unabhängiges Litauen eintrat. Auch in ihrem Antikrisenkampf kann auch Vladas Gaidys, Leiter des Vilmorus-Umfrage-Instituts, nur wenig Heldenhaftes erkennen.

    "Gleich nach den Wahlen 2008 verlor die gerade ins Amt gekommene konservative Regierung, der die Präsidentin nahestand, den Rückhalt in der Bevölkerung. Das hatte mit den Sparmaßnahmen zu tun, die die Regierung gleich zu Beginn verabschiedet hat. Die waren alles andere als populär. Es gab Ausschreitungen vor dem Parlament, was für Litauen wirklich nicht typisch ist."

    Litauens Regierung, die von der konservativen Partei Vaterland und Premier Kubilius geführt wurde, verhielt sich bei der Überwindung der Krise nach Brüssler Auffassung vorbildhaft. Sie erlegte sich und dem Volk ein radikales Sparprogramm auf, ähnlich gingen Estland und Lettland vor. Die Ausgaben wurden um mehr als zehn Prozent gesenkt, Stellen gestrichen.

    Was Brüssel goutierte, empörte die Balten. Sie verließen zu Hunderttausenden ihre Heimat. Der Ministerpräsident verlor seinen Job. Die Präsidentin ihren Sprecher, der heute in der grünen Opposition ist.

    Wenn es nach Linas Balsys ginge, müsste die mit dem Karlspreis Geehrte bei der Präsidentschaftswahl nächstes Jahr abgesetzt werden. Weil Grybauskaite Volkes Stimme beim Referendum über den Bau eines neuen Atomkraftwerkes nicht respektiere.

    "Die Präsidentin ist an der Spitze derer, die das Ergebnis ignorieren und ein neues Referendum wollen. Offenbar fragen sie so oft, bis das Ergebnis stimmt."

    Fast 65 Prozent hatten sich am 14. Oktober gegen den Neubau eines Atomkraftwerks entschieden, kommenden Mittwoch will die neue litauische Regierung erklären, ob sie das Votum akzeptiert.