Donnerstag, 18. April 2024

Archiv


Was ist der Mensch?

Was ist der Mensch? Homo sapiens, Krone der Schöpfung, Zufallsprodukt der Evolution? Die interdisziplinäre Arbeitsgruppe "Humanprojekt - zur Stellung des Menschen in der Natur" an der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaft hat es sich zur Aufgabe gemacht, das irritierte Selbstverständnis des Menschen zu überdenken.

Von Bettina Mittelstraß | 04.09.2008
    Was für eine Frage! Als ob es einen Mangel an klugen Antworten darauf gäbe. Niemand überschaut die Fülle der je versuchten Einlassungen auf die Frage aller Fragen der abendländischen Philosophie, und auch die überaus beeindruckende Menge von 1111 mehr oder weniger sinnreichen Zitaten.

    "Homo sapiens. Krone der Schöpfung, Zufallsprodukt der Evolution, Vorstufe des Transhumanen. Gottesebenbild, federloser Zweibeiner, nackter Affe. Beseeltes, vernunftbegabtes, triebgesteuertes, soziales, moralisches, ökonomisches, spielendes, lügendes, lachendes, weinendes, empathisches, exzentrisches, sich seiner selbst bewusstes, sich selbst formendes Mängel- und Kulturwesen. Vergänglich, unsterblich. Ausgestattet mit Genen, Greifhand und Gehirn, mit Freiheit, Würde, Rechten und Pflichten; fähig zu Sprache und Technik, zu Gutem und Bösem."

    Das alles - zum Beispiel - ist der Mensch in zahlreichen, verschiedenen Vorstellungen aus dem abendländischen Kulturraum. So fasst es jedenfalls der Medienwissenschaftler Jens Eder am Beginn seines Artikels zusammen, nachdem er wie der kopfschüttelnde Philosoph Eckart Voland aufgefordert worden war, zur Frage aller Fragen noch etwas hinzuzufügen.

    Fast 80 Autoren kommen in "Was ist der Mensch?", der neuesten Publikation der Arbeitsgruppe "Humanprojekt" an der Berlin-Brandenburgischen Akademie, zu Wort. Herausgegeben von den Leitern des Projekts, den Philosophen Volker Gerhardt und Julian Nida-Rümelin, dem Mediziner Detlev Ganten und dem wissenschaftlichen Koordinator Jan-Christoph Heilinger, ist das neue Buch damit alles andere als eine Antwort. Detlev Ganten:

    "Das Besondere beim Menschen und bei dem Nachdenken über die Frage "Was ist der Mensch?", ist, dass wir gewissermaßen das unterteilen können in Unterfragen. Wir werden die Frage nicht insgesamt beantworten. Einer der Kollegen hat kapituliert. Hat richtig geschrieben: Ich kapituliere, ich kann das nicht beantworten. Die Gesamtfrage kann ich nicht beantworten. Aber ich kann sie natürlich unterteilen in Einzelfragen, und einige der Fragen kann ich vielleicht beantworten. Also das berühmte Beispiel, das übrigens mehrfach dann auch gegeben wird, ist der große Vordenker abendländischer Kultur: Kant. Ja, der fragt "Was ist der Mensch?" und unterteilt das in die Frage: Was kann ich wissen? Was soll ich tun? Und was darf ich hoffen? Und diese Einzelfragen, die kann man beantworten oder jedenfalls beantworten versuchen. In gleicher Weise kann es der Biologe, der Mediziner."

    Oder der Politiker Hans-Jochen Vogel, die Dichterin Ulrike Draesner, der evangelische Bischof Wolfgang Huber. Oder Kardinal Lehman und Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Oder die indische Kulturwissenschaftlerin Rajendra Dengle, der Schriftsteller Ingo Schulze und die Vorsitzende der muslimischen Akademie in Deutschland Hamideh Mohagheghi. Neben den zahlreichen zum großen Teil ausgezeichneten und bekannten Wissenschaftlern kommen auch viele andere Menschen über den Menschen zu Wort.

    Der Mensch - der Wort-Glauber?

    Der Mensch ist nach der qur'anischen Darstellung der "Statthalter" auf dieser Welt, damit trägt er die Verantwortung für den Erhalt der Schöpfung.

    Wer eine Packung Chips aufreißt und nicht leer isst, ist kein Mensch!

    Warum können menschen keine flügel haben?

    Weil sie kopf voran landen würden im glauben,
    dass er das wichtigste ist

    animial rationale, animal emotionale, animal symbolicum, Homo creator, homo faber, homo oeconomicus, publicus, ...

    Ein Homo fidelis eher - voll Vertrauen nämlich in das, was er glaubt, mehr als in das, was er weiß?


    "Man redet ja sehr viel davon, dass durch die neuen Erkenntnisse gerade der Naturwissenschaften so viele Auswirkungen zu erwarten wären für das menschliche Selbstverständnis. Und wenn man sich dann in unserem Band anschaut wie viel Kontinuität vor allen Dingen zu alten oder schon traditionellen Beschreibungen und Selbstvergewisserungen des Menschen bestehen, dann ist das schon bemerkenswert, finde ich."

    Sagt Jan-Christoph Heilinger.

    "Das kann tröstlich sein, das kann beruhigend sein, das kann aber auch höchst unberuhigend sein, denn das könnte ja auch sein, dass wir eigentlich viel langweiliger sind als wir meinen, dass wir es seien!"

    Meint Detlev Ganten.

    "Wenn das Buch diesen Erfolg hätte, die Angst zu nehmen - die ja in der Tat bei einigen erkennbar ist - dass die Wissenschaft, insbesondere auch die Genomforschung den Schlüssel hätte zu der Erkenntnis der Frage "Was ist der Mensch?", möglicherweise bis hin "Wie können wir den Menschen manipulieren?" - das ist ja auch so eine Angst - Wenn dieses Buch dazu beitragen könnte, dann hätte es einen Riesenzweck erfüllt und dann wäre es wunderbar. Ich befürchte, wir müssen ein bisschen bescheidener rangehen."

    Die Frage "Was ist der Mensch?" dient der Verständigung des Menschen über sich selbst. Sie ist von ihm selbst an sich selbst gerichtet.

    Schreibt Volker Gerhardt. Eine selbstkritische Verständigung ist gefragt. Es reiche nicht, sagt auch Heilinger, nur zu beschreiben, was der Mensch sei. Die anthropologische Frage verfüge immer auch über eine normative, eine ethische Komponente:

    "Deshalb ist eine Antwort auf die Frage, was der Mensch ist, immer auch eine, die nach einer gewissen Art von Orientierung sucht, die unter Umständen dazu beitragen kann, dass man das erkennt, was einem als bewahrenswert oder schützenswert erscheint, aber andererseits wird man auch realistischerweise anerkennen müssen, dass es durchaus viele negative Seiten am Menschen gibt."

    Wir werten, wenn wir uns selbst einschätzen. Julian Nida-Rümelin geht es um einen Humanismus, der so wörtlich "die Interessen der menschlichen Spezies nicht über die Interessen aller anderen Lebewesen" stellt. Volker Gerhardt schreibt, dass wenn aus Gründen der Selbstbestimmung diskutiert wird, es nicht um den isolierten Menschen gehe, sondern um "das Tier, das nur in einer öffentlichen Sphäre zu sich kommt."

    Das Buch über die Frage "Was ist der Mensch?" steckt voller Denkanstöße. Wer befürchtet, die in der Mehrzahl wissenschaftlichen Texte seien nicht zu verstehen, wird hier eines besseren belehrt. Schon die Titel der kurzen und auf den Punkt geschriebenen Beiträge sind so einladend und anregend, dass man nicht weiß, welchen man zuerst lesen soll: Das sich selbst erfindende Wesen? Tagesform? Der Mensch zu allem fähig? Nomaden im Zweistromland? oder Das Tier, das seine Grenzen kennt und sich nicht daran halten will?

    "Ich fasse zusammen: Der Mensch ist wie jedes andere Tier auf diesem Planeten einzigartig, und doch ein bisschen anders, denn er kann Technik und Kultur, und er setzt sich bei Gelegenheit mit anderen Menschen zusammen, um sein Wesen zu ergründen."

    Die Verhaltensforscherin Julia Fischer.


    Ganten, Detlev/ Gerhardt, Volker u.a. (Hrsg.): Was ist der Mensch?
    Verlag Walter de Gruyter, 10 Euro